Politik

Verbeamtete Lehrer dürfen nicht streiken, die angestellten Kollegen schon. (Foto: dpa)

15.06.2018

Privilegierte Staatsdiener

Beamte dürfen nicht streiken – das hat das Bundesverfassungsgericht bekräftigt. Der Richterspruch dürfte zu verschmerzen sein, denn Beamte genießen zahlreiche Vorteile

Das Votum hatte sich abgezeichnet: Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag das Streikverbot für deutsche Beamte bestätigt. Das höchste deutsche Gericht wies die Verfassungsbeschwerden von vier beamteten Lehrern zurück. Damit dürfen Beamte weiterhin generell nicht für höhere Einkommen oder bessere Arbeitsbedingungen streiken.

Der Bund, die meisten Länder und auch der Deutsche Beamtenbund reagierten erleichtert auf die Entscheidung. Hätte Karlsruhe Arbeitsniederlegungen von verbeamteten Staatsdienern an Schulen für rechtens erachtet, hätte dies womöglich für das Beamtentum als solches weitreichende Folgen gehabt. Schließlich werden die zahlreichen Privilegien für die gut 1,8 Millionen Beamten in Deutschland nicht zuletzt mit dem Streikverbot begründet.

Dies war am Ende auch einer der wesentlichen Gründe dafür, warum das Bundesverfassungsgericht die Klage abschmetterte. Ein Streikrecht für Beamte hätte dem Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle zufolge „eine Kettenreaktion in Bezug auf die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses ausgelöst“. Wäre es Beamten erlaubt, die Arbeit niederzulegen, zöge dies „fundamentale Grundsätze des Berufsbeamtentums in Mitleidenschaft“, so Voßkuhle. Die sogenannte Fürsorge- oder die Treuepflicht würden dann ebenfalls infrage gestellt.

Beamte bekommen selbst bei Krediten bessere Konditionen

Derzeit gilt für Beamte das sogenannte Alimentationsprinzip. Für ihre besondere Treue und gewisse Einschränkungen ihrer Arbeitnehmerrechte wie etwa das Streikverbot sind sie nicht nur unkündbar. Der Staat ist ihnen gegenüber auch zur besonderen Fürsorge verpflichtet. Selbst wenn Beamte etwa in jungen Jahren berufsunfähig werden, muss der Staat sie lebenslang vernünftig versorgen.

Auch im regulären Ruhestand sind Beamte mit ihrer Pension häufig bessergestellt als normale Rentner – sie erhalten oft über 70 Prozent des Bruttogehalts, das sie während der letzten zwei Jahre vor dem Ruhestand verdient haben. Beamte müssen keine Renten- und Arbeitslosenversicherung bezahlen und dürfen sich privat krankenversichern. Außerdem bekommen sie eine Beihilfe. Das bedeutet, dass ihnen im Krankheitsfall finanzielle Unterstützung gewährleistet wird. Sie bekommen auch über die sechste Woche im Krankheitsfall die volle Lohnfortzahlung.

Konkret ging es in dem Verfahren um vier verbeamtete Lehrer aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Sie waren im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst Aufrufen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zu Warnstreiks und Protesten gefolgt. Ihr staatlicher Arbeitgeber sanktionierte die Teilnahme disziplinarrechtlich und verhängte sogar Bußgelder.

Die Arbeitgeber hatten argumentiert, eine Teilnahme an Streikaktionen und ein damit einhergehendes Fernbleiben vom Schuldienst stelle einen Verstoß gegen beamtenrechtliche Pflichten dar. Die von der GEW bei ihrem Rechtsstreit unterstützten Lehrer waren dagegen der Ansicht, die im Artikel 9 des Grundgesetzes verankerte sogenannte Koalitionsfreiheit, die ein sehr weitgehendes Streikrecht für Arbeitnehmer gewährleistet, gelte auch für verbeamtete Lehrer. Ein Streikverbot ist aus ihrer Sicht höchstens für Staatsdiener zulässig, die hoheitliche Aufgaben erfüllten – etwa Polizisten oder Soldaten. Die Kläger beriefen sich auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Dieser zufolge ist das Niederlegen der Arbeit für die Durchsetzung höherer Löhne oder besserer Arbeitsbedingungen ein Menschenrecht.

Die Befürworter des Streikverbots beriefen sich auf die im Artikel 33 des Grundgesetzes verankerten „Grundsätze des Berufsbeamtentums“. Das strikte Streikverbot sei ein integraler Bestandteil dieses Systems aus speziellen Rechten und Pflichten, die für Beamte gelten. Das wohl wichtigste Argument für das Streikverbot: In bestimmten Bereichen wie der inneren Sicherheit, aber eben auch an den Schulen könne ein Streik schwerwiegende Folgen haben – etwa in den Wochen vor den Abiturprüfungen.

In Deutschland ist nur ein Teil der Lehrer verbeamtet. Bildungspolitik ist in der Bundesrepublik weitgehend Ländersache. Die Frage, ob und wie viele Lehrer verbeamtet sind, ist nicht einheitlich geregelt – sie hängt etwa von den regierenden Parteien sowie der Kassenlage ab. Von den gut 800 000 Lehrern in Deutschland waren zuletzt etwa 600 000 verbeamtet.

Besonders viel verbeamtet wurde traditionell in Süddeutschland

In Ostdeutschland sind derzeit weit weniger Lehrer Staatsdiener auf Lebenszeit als im Westen. In Berlin werden Lehrer in der Regel gar nicht verbeamtet, Thüringen versetzte nach Jahren ohne neue Verbeamtungen von Lehrern im vergangenen Jahr erstmals wieder Lehrer in den unkündbaren Staatsdienst. Sachsen will ab 2019 mehrere Tausend Lehrer, die jünger als 42 Jahre alt sind, verbeamten.

Besonders viel verbeamtet wurde traditionell in Süddeutschland sowie Hessen und Hamburg. In Bayern sind über 90 Prozent der zuletzt mehr als 113 000 Lehrer unkündbare Staatsdiener. Der Freistaat bezahlt diese zumeist besser als andere Bundesländer.

In Westdeutschland verbeamtete die Landesregierung lange auch deshalb gerne, weil Beamte das Land zunächst wegen geringerer Sozialkosten günstiger kommen – im Alter fallen dafür jedoch üppige Pensionen und hohe Beihilfekosten an. Derzeit locken die Länder wegen des Lehrermangels wieder verstärkt mit der Aussicht auf die Verbeamtung.

Verbeamtete Lehrer verdienen – je nach Bundesland – mehrere Hundert Euro im Monat netto mehr als ihre angestellten Kollegen. Auf ein Berufsleben gerechnet können sich die Vorteile von verbeamteten Lehrern im Vergleich zu angestellten Kollegen einer Untersuchung der Uni Bayreuth zufolge auf bis zu mehrere 100 000 Euro summieren. Beamte müssen insbesondere keine direkten Beiträge für eine Altersvorsorge zahlen. Auch im privaten Lebensumfeld haben Beamte oft Vorteile: So bekommen sie bessere Konditionen, wenn sie Kredite beantragen.

Den etwa 1,8 Millionen Beamten stehen in Deutschland mehr als 2,8 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst gegenüber.
(Tobias Lill)

Kommentare (1)

  1. So isses am 15.06.2018
    Recht so, manche haben anscheinend überhaupt keine Bodenhaftung mehr. Hoffentlich wurden die ordentlich sanktioniert diese Rosinenpicker
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