Bald ist endgültig Schluss mit der Atomkraft in Deutschland. 2022 werden die letzten Kraftwerke abgeschaltet. Offen aber ist noch immer die Frage: Was passiert mit dem hochradioaktiven Atommüll? 30 000 Kubikmeter strahlender Abfall müssen entsorgt werden – unterirdisch irgendwo in Deutschland. Das Thema heizt die Gemüter an. Verständlicherweise. Denn wer will schon auf einem Atommüll-Endlager sitzen?
30 Jahre hatte sich die Politik auf ein Endlager im niedersächsischen Gorleben konzentriert – von oben herab und ohne große Prüfung, dafür mit entsprechendem Widerstand. Ergebnisoffen, transparent und nach wissenschaftlichen Kriterien soll die neue Suche nun ablaufen. Zumindest sieht dies das Endlagersuchgesetz, dem auch Bayern vor zwei Jahren zugestimmt hat, vor. Es gilt das „Prinzip der weißen Landkarte“ – ohne politische Vorfestlegungen.
Allerdings nur in der Theorie. Denn die bayerische Staatsregierung schließt den Freistaat als möglichen Standort für ein Endlager kategorisch aus. Die schwarz-orange Koalition hat das sogar in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. „Geologisch gesehen passt Bayern nicht“, erklärt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Denn das vorhandene Gestein weise eine deutlich schlechtere Sicherheit auf als zum Beispiel Gorleben. Sinnvoller wäre es deshalb gewesen, den Standort Gorleben weiter zu untersuchen, meint Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). „Hier sind bereits 1,6 Milliarden Euro Steuergelder investiert worden.“
Vertrauen auf ein faires Verfahren nicht beschädigen
Klar, dass solche Aussagen andere Landeschefs erzürnen – allen voran Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD), der poltert: „Niemand soll glauben, Niedersachsen sei das Atomklo der Bundesrepublik Deutschland.“ Aber auch bei der für die Suche zuständigen Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) sorgt Bayerns Haltung für Unmut. Es sei gesellschaftlich und politisch problematisch, wenn eine Landesregierung den Eindruck erweckt, sie könne ihr Land beliebig aus dem Suchfokus nehmen, erklärt eine Sprecherin. „Auch Bayern ist entsprechend unseres gesetzlichen Auftrags natürlich unverändert Teil des Prüfungsgebiets.“ Grundsätzlich muss der Standort über ein geeignetes Wirtsgestein verfügen, das eine sichere Einlagerung auf Dauer ermöglicht. Infrage kommen Kristallin, Salz oder Ton. Vor allem den Bayerischen Wald mit seinen Granitvorkommen und das Donau-Grenzgebiet mit seinen Tonvorkommen hatten Wissenschaftler deshalb schon in der Vergangenheit als untersuchungswürdige Regionen im Blick.
Mag schon sein, dass der Zwischenbericht der BGE, der im Spätsommer 2020 vorliegen soll, tatsächlich zu dem Ergebnis kommt, dass die Gebiete in Bayern für ein Endlager nicht geeignet sind. Sich der ergebnisoffenen Suche aber bereits jetzt zu entziehen, könnte das Vertrauen auf ein faires Verfahren enorm beschädigen. Daran aber müsste doch eigentlich gerade das Bundesland ein Interesse haben, das die Kernenergie besonders intensiv genutzt und damit auch besonders viel Atommüll produziert hat. „Söders hemdsärmelige Kirchturmpolitik behindert eine gerechte, gemeinschaftliche Standortsuche“, kritisiert Ludwig Hartmann, Chef der Grünen im Landtag. Gerade der Atommüll-Großproduzent Bayern dürfe sich da nicht ausklammern. Auch der in der SPD-Fraktion für Umweltpolitik zuständige Florian von Brunn ärgert sich über „diese Art von billigem Egoismus, den CSU und Freie Wähler fahren.“ Nach dem Motto: Das Problem sollen mal schön die anderen lösen. Gerd Mannes, energiepolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, meint darin typische „Altparteienpolitik“ zu erkennen. „Sie sagen Ja zum Endlager, aber bloß nicht im eigenen Bundesland.“ Einzige Oppositionsfraktion, die die Haltung der Staatsregierung unterstützt, ist die FDP. Bayern sei kein geeigneter Standort für ein Atomlager, heißt es dort ebenso wie bei CSU und FW.
Der Schweinfurter Edo Günther, Arbeitskreissprecher für Atomenergie und Strahlenschutz beim Bund Naturschutz, dagegen mahnt, diese Beurteilung doch bitte den Experten und Wissenschaftlern des BGE zu überlassen. Die Frage, mit der sich die Politik seiner Meinung nach stattdessen auseinandersetzen sollte, ist: Wie können die Zwischenlager für die hochradioaktiven Hinterlassenschaften maximal geschützt werden? Die Genehmigungen für sie sind auf 40 Jahre befristet, 2047 laufen sie aus. Bis dahin aber wird es das Endlager nicht geben. Laut Gesetz soll bis 2031 ein Standort für ein Endlager gefunden sein, bei optimistischer Zeitplanung könnte 2050 mit der Einlagerung der Abfälle begonnen werden. Günther: „Und die dauert dann mindestens noch einmal 30 Jahre.“ (Angelika Kahl)
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