120 ist für Markus Söder die entscheidende Zahl an diesem Dienstag. 120 Abgeordnete stimmen für eine weitere Amtszeit des 56-Jährigen als bayerischer Ministerpräsident - genau so viele, wie an diesem Tag Parlamentarier von CSU und Freien Wählern anwesend sind. "Für mich ist es die Ehre meines Lebens", sagt Söder nachher in einer kurzen Rede: nämlich in der Tradition "ganz großartiger" Ministerpräsidenten zu stehen, "deren Maß und Größe ich persönlich nie erreichen werde". Er nehme die Wahl mit "großer Demut" an.
Abgesehen davon, dass dieses demonstrative Understatement kaum Söders Selbstbewusstsein verdecken kann, schwebt an diesem Tag aber auch eine ganz andere Frage durchs altehrwürdige Maximilianeum: Was will Söder noch erreichen? Klar ist: Er ist nun für weitere fünf Jahre gewählt. Dann aber kommt schon das große, dicke Fragezeichen: Wird er die fünf Jahre auch tatsächlich bis zum Ende ausfüllen?
Zur Erinnerung: Kürzlich hatte Söder, auf Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und dessen Berlin-Ambitionen zielend, eine Art Zusicherung der künftigen Regierungsmitglieder verlangt, dass sie fünf Jahre an Bord bleiben. Später auf Nachfragen hatte er selbst aber eine solche Festlegung vermieden. Wie schon so oft in der Vergangenheit.
Auf Schritt und Tritt die K-Frage
Es ist ja so: Die K-Frage begleitet Söder nun schon seit Jahren auf Schritt auf Tritt. Spätestens seit er in der Corona-Krise fast als eine Art Neben-Kanzler an der Seite von Angela Merkel (CDU) auftrat und nie da gewesene persönliche Zustimmungswerte genoss. 2021 war er tatsächlich nahe, die Kanzlerkandidatur der Union zu übernehmen - bis er sich nach einem erbitterten Machtkampf dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet geschlagen geben musste. In der Folge erklärte die CSU ihn zum "Kanzler der Herzen".
Und was ist nun 2025? "Alles andere" als Ministerpräsident komme für ihn nicht infrage, sagte Söder am Landtagswahlabend am 8. Oktober. Auf den Einwand, das sei ja kein klares Nein, antwortete er: "Doch." Kategorisch ausgeschlossen hat er damit aber natürlich wieder nichts.
Wer Söder kennt, weiß: Natürlich würde für ihn "etwas anderes" infrage kommen. Natürlich hält sich Söder schon lange für den besseren Bundeskanzler. Natürlich würde er sich, wenn die K-Frage nächstes Mal auf ihn zulaufen sollte, nicht auf der Nürnberger Kaiserburg verschanzen, sondern seine Chancen bereitwillig abwägen.
Weitere Pleiten?
Tatsächlich weiß ja keiner, was das kommende, entscheidende Jahr bringen wird. Klar ist: Nach der Europawahl und spätestens nach den Wahlen in mehreren Ost-Ländern, bei denen der CDU unter ihrem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz womöglich empfindliche Pleiten drohen, steht in der Union die Entscheidung über die K-Frage an.
Was, wenn Merz dann unter Druck geraten sollte? Was, wenn es CDU-intern dann keinen klaren Favoriten für die Kanzlerkandidatur 2025 geben sollte, also weder eine klare Mehrheit für Merz noch für NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst oder jemand anderen.
Was, wenn Umfragen dann wieder - wie schon 2021 - nahelegen sollten, dass die Union mit Söder als Kandidat 2025 doch die besten Siegchancen hätte? Andererseits: Ist es wirklich vorstellbar, dass die CDU bei guten Werten für die Union insgesamt die Kandidatur aus der Hand gibt?
Alles offene Fragen
All diese Fragen sind offen - deshalb ist an diesem Dienstag nur eines klar: dass die Söder-Wahl womöglich eine begrenzte Halbwertszeit hat. Wie lange, wird sich im Herbst 2024 zeigen. Dann will die Union ihren Kanzlerkandidaten küren und dabei vor allem alles besser machen als 2021.
Was aber, wenn Söder nicht Kanzlerkandidat wird? Dann wird er nach Lage der Dinge mit stabiler Mehrheit in Bayern durchregieren, mindestens bis 2028. Die von ihm einst vorgeschlagene zehnjährige Amtszeitbegrenzung für Ministerpräsidenten wurde ja nie umgesetzt. Er selbst fühlt sich deshalb nach eigener Aussage auch nicht mehr an seinen damaligen Vorschlag gebunden. Heißt das also für den Freistaat: Söder forever, oder mindestens noch für lange Zeit? Tatsächlich gibt es ja - trotz des neuerlichen historisch schlechten Landtagswahlergebnisses - niemanden, der ihm akut gefährlich wird.
Was aber nicht heißt, dass Söder nicht vor großen Herausforderungen steht. Er muss die Koalition mit den Freien Wählern zusammenhalten, die zwar stabil ist, aber unter dem zerrütteten Verhältnis der beiden Parteivorsitzenden Söder und Aiwanger leidet. Was wenn es im Bundestagswahlkampf Krach zwischen den Partner geben sollte?
Regierungszeit mit Leben füllen
Zudem muss Söder seine künftige Regierungszeit mit Leben füllen. Der Koalitionsvertrag steht ja vor allem unter dem Motto "Weiter so", ohne große neue Projekte oder Visionen. Dafür muss Söder das Versprechen einlösen, "Freiheit und Stabilität" zu garantieren.
Und er muss seine Zusage wahr machen, das nach einem aufgeheizten Wahlkampf maximal gespaltene Land wieder zusammenzuführen und zusammenzuhalten. Wieder mehr Landesvater statt Wahlkämpfer sein. Der Ton, den die AfD mit ihrer größeren, jüngeren und radikaleren Fraktion schon in den ersten Stunden der neuen Legislatur im Parlament anschlägt, lässt erahnen, wie groß die Herausforderung ist.
"Wir bewegen uns schon in ganz ernsten und anderen Zeiten", sagt Söder in seiner Rede. Man müsse die Demokratie schützen, die von außen und von innen herausgefordert sei, mahnt er, und schließt mit einer Kampfansage: "Ich habe keine Angst vor Antidemokraten. Aber ich sage Ihnen eines: Antidemokraten sollten sich vor uns hüten."
(Christoph Trost, Marco Hadem, Sabina Crisan und Niklas Treppner - alle dpa)
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