Politik

Die regionalen Schlachthöfe geraten auch in Bayern immer weiter unter Druck. (Foto: dpa/Lars Klemmer)

27.01.2023

Regionale Schlachthöfe in der Krise

Die Marktkonzentration schreitet rapide voran – das schadet dem Tierwohl und führt zu Preisdumping

Während der letzten Jahre klagten regionale Schlachthöfe in Bayern immer öfter über steigende kommunale Fleisch- und Hygienegebühren. Dadurch, so die Kritik, sei für die Schlachthöfe ein wettbewerbsfähiges Wirtschaften unmöglich. 

Die Ursachen sind vielfältig. Eine lautet: Fleisch ist viel zu billig. Neben anderen verficht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) diese These. Das billigere Fleisch ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Fleischwirtschaft und Handel, es wurde massiv ökonomischer Druck aufgebaut. Für die Schlachthöfe ist das fatal, denn auch sie kämpfen mit den steigenden Kosten. Energie, Arbeitskraft und die Schweine selbst kosten mehr. Es gibt einfach weniger Schweine, weil sich die Aufzucht für die Betriebe immer weniger lohnt. Und die Menschen ernähren sich gesünder, essen weniger rotes Fleisch, auch wenn sie es sich finanziell leisten könnten.

Eine zumindest teilweise Übernahme der Gebühren durch die Kommunen war bisher rechtlich ausgeschlossen. Nach der aktuell geltenden Regelung sind die Kommunen nämlich verpflichtet, nach Artikel 21b des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes kostendeckende Gebühren für die amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchung zu erheben, sodass kleinere regionale Schlachthöfe nicht mehr wettbewerbsfähig arbeiten können.

Zu Spitzenzeiten, erinnert sich Hubertus Beringmeier, Schweineexperte beim Deutschen Bauernverband, hätten die deutschen Schlachtbetriebe etwa 1,1 Millionen Schweine pro Woche schlachten können; derzeit sind es etwa 800 000. Beringmeier erwartet, dass die Schlachtzahlen weiter sinken, die Betriebe haben eine Überkapazität von 25 bis 30 Prozent.

Aufgrund der aktuellen Gaskrise kommt es auch zu einem Engpass von Kohlendioxid. Das Industriegas wird gebraucht, um Schweine vor dem Schlachten zu betäuben. Die Schlachtindustrie in Deutschland warnte vor erheblichen Tierschutzproblemen. Denn wenn nicht genug Kohlendioxid vorhanden ist, die Tiere also nicht geschlachtet werden können – dann kommt es zu einem Rückstau in den Ställen, also vielen Tieren auf ohnehin engem Raum.

Auch die Betreiber des Ingolstädter Schlachthofs beklagen diese Entwicklung. Hinter dessen Zukunft steht ein großes Fragezeichen. Die aktuellen Betreiber sind nicht mehr in der Lage, die hohen Gebührennachforderungen der Stadt zu zahlen und drohen mit einer Schließung. Der Stadtrat und Landtagsabgeordnete Alfred Grob (CSU) beanstandet, dass der Ingolstädter Schlachthof dreimal so teuer sei wie die Konkurrenz in Neu-Ulm.

Besonders die Kosten der hygienischen Fleischbeschau durch Veterinäre stellen einen rechtlichen Streitpunkt zwischen Schlachthof und Kommune dar. Diese liegen in Ingolstadt bei 3,18 Euro pro Schwein und sind damit höher als in anderen bayerischen Städten. Die Zweite Bürgermeisterin Petra Kleine (Grüne) meint, dass nur landesweit einheitliche Schlachtgebühren eine wirkliche Lösung brächten. Beschließen müsste das der Landtag.

Der Betrieb am ebenfalls in Schieflage geratenen Schlachthof Bamberg soll, zunächst für ein Jahr, weitergehen. In dieser Zeit soll der Schlachthof konsolidiert und ein tragfähiges Konzept für einen Weiterbetrieb über 2023 hinaus entwickelt werden. Um ihn zukunftsfest zu machen, bräuchte es laut städtischem Wirtschaftsreferat Investitionen von 4 Millionen Euro.

„Schweine durchs Land karren ist nicht sinnvoll“

Der Schlachthof, eine Tochtergesellschaft der Stadt, war vor allem durch die Auswirkungen der Pandemie in finanzielle Schieflage geraten. Man habe es im vergangenen Jahr durch Preisverhandlungen mit den Großkunden Tönnies und Vion geschafft, im operativen Geschäft keinen Verlust zu erwirtschaften, erläutert Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD).

Im vergangenen Jahr wurden laut Geschäftsführung im Schlachthof Bamberg 290 000 Schweine und 42 000 Rinder geschlachtet. Dabei stammten 90 Prozent der Schweine von 5000 Mastbetrieben und Erzeugern in einem Umkreis von 150 Kilometern rund um Bamberg. Sollte der Schlachthof geschlossen werden, habe dies auch negative Auswirkungen auf das Tierwohl. Dann müssten die Tiere über weite Strecken zu anderen Schlachthöfen transportiert werden.

Der regional ausgerichtete Schlachtbetrieb in Fürth ist bisher indes gut durch die Krise gekommen. Rund 5 Millionen Euro wurden in die Modernisierung investiert. Basis des Erfolgs ist laut Geschäftsführer Konrad Ammon zum einen die regionale Ausrichtung samt Konzentration auf hochwertiges Fleisch. „Unsere Eigentümer sind Mastbetriebe und Gastwirtschaften aus dem Fürther Umland. Die feilschen mit uns auch nicht um jeden Cent, sondern tragen notwendige Preissteigerungen mit.“
 
Laut Klaus Martin Fischer, Partner bei der häufig für Agrarbetriebe tätigen Unternehmensberatung Ebner Stolz in München, führt kein Weg daran vorbei, „dass große Schlachtunternehmen einzelne Standorte schließen müssen“. Die Konzentration wird also weiter zunehmen. In den vergangenen fünf Jahren ist diese Marktkonzentration der Branche infolge von Fusionen und Übernahmen bereits deutlich gewachsen. Ergebnis: Die beiden größten Firmen, Tönnies und Vion, halten aktuell bereits einen Marktanteil von 38 Prozent. 

Bauernvertreter Beringmeier sieht die dadurch drohende Konzentration im Markt mit Sorge. „Es ist nicht in unserem Sinne, wenn Schweine quer durchs Land transportiert werden müssen und wenige Unternehmen den Schweinepreis diktieren können.“ Im Sinn der Verbraucher*innen kann das auch nicht sein. (André Paul)
 

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