Für die Zeit, wenn sie alt sind, haben die meisten Menschen klare Vorstellungen: viel reisen, im Garten werkeln oder einfach nur faulenzen. Arbeiten bis ins hohe Alter gehört für die meisten sicher nicht zu ihren Wunschvorstellungen. Doch Zahlen des Bundesamts für Statistik zufolge steigt der Anteil der Deutschen, die, auch wenn sie 65 oder älter sind, noch arbeiten müssen oder wollen. 2019 waren hierzulande demnach acht Prozent der Menschen im Alter ab 65 berufstätig. Das sind doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. Auch in Bayern stieg die sogenannte Erwerbstätigenquote in den vergangenen Jahren deutlich an. Mit 8,8 Prozent lag diese über dem Bundesdurchschnitt und war um 57 Prozent höher als noch 2010. Woran liegt’s?
Das bayerische Sozialministerium verweist auf das Renteneintrittsalter, das aufgrund einer Reform von 2012 bis 2031 stufenweise von 65 auf 67 Jahre erhöht wird. Doch laut Bundesamt für Statistik ist dies nur einer von mehreren Gründen für den Anstieg der Erwerbstätigenquote bei den Älteren. Eine andere Ursache sei, dass Ältere heute höhere Bildungsabschlüsse hätten als noch ein Jahrzehnt zuvor. Wegen ihrer guten Qualifikationen und des Fachkräftemangels in manchen Branchen werden sie nun schlicht in den Betrieben gebraucht und arbeiten dort freiwillig auch über die 65 hinaus. So war der Anteil der Hochqualifizierten in der Altersgruppe von 65 bis 69 Jahren 2019 mit 26 Prozent doppelt so hoch wie bei den Geringqualifizierten.
Vor allem Selbstständige und mithelfende Familienangehörige üben ihren Beruf häufig auch im Alter weiter aus. Ein wahrscheinlicher Grund dafür sei, dass der Großteil von ihnen keine gesetzliche Rente erhält, so das Bundesamt für Statistik. Denn nicht jeder Freiberufler oder Unternehmer kann oder will für das Alter Rücklagen bilden.
Viele lieben einfach ihren Job
Doch es gibt auch jene, die einfach nicht ablassen können, für die Beruf von Berufung kommt. Für 62 Prozent der älteren Erwerbstätigen stellt ihre Tätigkeit laut Statistikbehörde eher einen Zuverdienst dar. Sie sind also nicht auf das Geld angewiesen. Doch es gibt auch die anderen: Fast vier von zehn Erwerbstätigen im Alter 65 plus arbeiteten 2019 laut Bundesamt für Statistik zufolge vorwiegend für ihren Lebensunterhalt. Bei einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nannte 2018 mehr als die Hälfte der Befragten zumindest auch finanzielle Gründe für die Erwerbsarbeit.
Besonders hoch ist der Anteil derer, die nicht oder zumindest nicht ganz freiwillig im Alter malochen, unter Frauen. Viele von ihnen haben aufgrund der Unterbrechungen durch Familienzeiten und weil sie oft in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, weit geringere Renten als Männer. In Bayern sind die Renten von Frauen sogar besonders niedrig. „Die Tatsache, dass sich viele Menschen in Bayern etwas zu ihrer Rente hinzuverdienen müssen, zeigt die Fehlentwicklung der Rentenpolitik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten“, kritisiert Verena Di Pasquale, kommissarische Vorsitzende des DGB Bayern. Laut Rentenreport des Gewerkschaftsbunds gingen 2019 gut vier Fünftel der Frauen und fast die Hälfte der Männer mit einer gesetzlichen Rente in den Ruhestand, die unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle von aktuell 1155 Euro liegt. Extrem niedrig sind die Renten von Frauen oft in Regionen wie dem Bayerischen Wald, wo es wenig Industrie gibt.
Vor allem Frauen müssen oft dazuverdienen
Der Sozialexperte der CSU im Bundestag, Max Straubinger, verweist allerdings darauf, dass viele Menschen in Bayern auch Betriebs- oder Riesterrenten ausgezahlt bekommen. „Bei uns in Ostbayern haben viele Familien eine eigene Immobilie, die sie im Alter absichert.“ Eine Sprecherin des CSU-geführten Sozialministeriums sagt ebenfalls: „Den älteren Menschen in Bayern geht es im Allgemeinen gut.“ Die durchschnittliche Altersrente sei in Bayern in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und liege durchschnittlich bei 942 Euro. Dies ist allerdings noch immer knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Das Sozialministerium verweist darauf, dass die Vermögen älterer Menschen im Freistaat spürbar höher seien als im Bundesschnitt. Doch von solchen Durchschnittswerten haben Bedürftige wenig. Die Christsozialen versichern, für die von der Bundesregierung festgelegte Stabilitätsgarantie des Beitrags- und Rentenniveaus bis zum Jahr 2025 einzustehen.
„Die Rente muss zum Leben reichen“, sagt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi. Seine Partei fordert deshalb sogar, die Garantie, dass die Rente nach 45 Beitragsjahren mindestens 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes betragen muss, auch für die Zukunft festzuschreiben. Vielen in der Union geht das zu weit. Neben der bereits beschlossenen Grundrente fordert Schrodi eine Erhöhung des Mindestlohns und faire Tariflöhne.
Fakt bleibt: Künftig müssen immer mehr über 65-Jährige nebenher arbeiten. Fachleute rechnen mit einer deutlichen Zunahme bis zum Jahr 2060. (Tobias Lill)
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