Politik

18.03.2022

Ruinöser Wettbewerb

Ingolstadt zahlt Kita-Personal eine Zulage von 10 Prozent – die Umlandgemeinden kritisieren das als „schäbig“

Personal für Kitas und Krippen ist knapp – und deshalb heiß begehrt. Da die Zahl der neu auf den Arbeitsmarkt kommenden Fachkräfte den tatsächlichen Bedarf bei Weitem nicht deckt, jagen sich die Kommunen inzwischen die Kindergärtner*innen regelrecht gegenseitig ab. Es bleibt ihnen angesichts des Rechtsanspruchs und der daraus resultierenden Klagemöglichkeit der Eltern aber auch keine andere Möglichkeit mehr.

Jahrelang stellten für Bayern die Nachbarbundesländer Sachsen und Thüringen ein gut gefülltes Personalreservoir dar. Doch dort sind die Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Löhne vorbei, die Geburtenraten steigen. Aus ökonomischer Not in den Freistaat wechseln muss nun keine angehende Erzieherin mehr.

Also sind andere Lösungen gefragt. Die Stadt Ingolstadt beispielsweise versuchte es zuletzt mit einer Willkommensprämie. Der Effekt war eher durchwachsen – kein Wunder, wird das Geld doch durch die hiesigen Mietpreise nahezu aufgefressen. Günstige Wohnungen für die Neulinge zur Verfügung zu stellen – eine gern ins Spiel gebrachte Alternative –, funktioniert auch kaum noch; es fehlt schlicht der nötige Bauplatz für solche Unterkünfte. Nun planen die Ingolstädter ab 1. Mai dieses Jahres für das Kita-Personal eine Arbeitsmarktzulage in Höhe von 10 Prozent. Diese dauerhafte Gehaltserhöhung soll Kita-Personal aus dem Umland zum Wechsel in eine Ingolstädter Einrichtung bewegen.

„So ein Vorgehen ist schäbig“, findet Martin Schmid (SPD), Rathauschef von Vohburg und Sprecher des Bayerischen Gemeindetags im Landkreis Pfaffenhofen, der direkt an Ingolstadt grenzt. Die Empörung über seinen Parteifreund, den Ingolstädter OB Christian Scharpf, sei in der Region groß. „Es ist ja nicht so, dass alle anderen Kommunen in der Region diese Probleme nicht hätten.“ Den Umland-Gemeinden bliebe nun nichts anderes übrig, als diese 10 Prozent extra ebenfalls zu bezahlen. Rund 100 000 Euro zusätzlich pro Jahr seien das für seine gerade mal 8500 Bewohnende zählende Stadt, rechnet der Vohburger vor.

Mit Unterstützung seitens der Landespolitik gegen diesen ruinösen Wettbewerb braucht der Bürgermeister freilich nicht zu rechnen. „Dem Familienministerium stehen keine Instrumente zur Verfügung, gegen diese Praxis unmittelbar vorzugehen“, teilt eine Sprecherin der neuen Ressortchefin Ulrike Scharf (CSU) mit. Dass die Ministerin den Fachkräftemangel als „Daueraufgabe mit hoher Priorität“ versteht und dagegen „zahlreiche Maßnahmen ergriffen“ habe, wird den Bürgermeister*innen akut kaum helfen. Um der vom Staat angeschafften Pflichtaufgabe Kita-Betreuungsplätze nachkommen zu können, werden sie wohl anderswo in ihren Haushalten Geld einsparen müssen.
(André Paul)

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