Tiere töten: Das finden viele Menschen schlimm. Und doch steigt die Zahl der Jäger und Jägerinnen stetig an. Im Jahr 2022/23 hatten 436 325 Personen in Deutschland einen Jagdschein, zehn Jahre zuvor waren es nur rund 362 000. „Unter allen Beweggründen steht die Liebe zur Natur an erster Stelle“, erklärt der Deutsche Jagdverband.
In Bayern lösten 2021 rund 75 000 Jäger und Jägerinnen einen Jahresjagdschein, 2024 haben sich bereits 3613 potenzielle Jäger und Jägerinnen zur Prüfung angemeldet. Dabei ist die Jägerausbildung hierzulande besonders anspruchsvoll. Seit 5. August führt das Bayerische Landesamt für Maß und Gewicht die staatliche Jägerprüfung durch. Zu Recht bezeichnete der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Prüfung gerade als „Grünes Abitur“.
Die Erfolgsquoten sind erfahrungsgemäß ernüchternd: 2021 scheiterten nach Auskunft des bayerischen Wirtschaftsministeriums 185 von 2777 Prüflingen am schriftlichen Teil, 762 von 3108 fielen beim mündlichen Teil durch. Und von den 3445, die zur praktischen Prüfung antraten, bestanden nur 2322. Die jeweils unterschiedlich hohe Zahl der Prüflinge resultiert daraus, dass Leute verhindert sein können oder eine Prüfung wiederholen müssen. „Die Prüfung ist so schwierig, weil sie ein unglaublich breites Spektrum an Fachgebieten abdeckt“, erklärt Ursula Hoffmann, Pressesprecherin beim Bayerischen Jagdverband, die gerade selbst die Jägerprüfung absolviert.
Der schriftliche Teil sei gut zu schaffen, es gebe viele Apps mit Multiple-Choice-Fragen, die man auswendig lernen könne. Die mündliche Prüfung sei schon schwieriger, da müsse man die Zusammenhänge verstehen und ein Gespräch mit den Prüfern führen. Im praktischen Teil dann stehe man „massiv unter Druck“: „Man hat fünf Schüsse und muss dreimal treffen. Da ist es entscheidend, die Waffe sicher zu beherrschen und cool zu bleiben.“
Das Spannendste an der Jagd: die Gesetze der Natur zu verstehen
Der Münchner Max Bauer (Name von der Redaktion geändert) ahnte zwar, wie hart die Prüfung sein würde, versuchte sein Glück vor fünf Jahren aber trotzdem. „Das Archaische am Jagen faszinierte mich“, sagt er. Kurz nach dem Abitur meldete er sich bei einer Münchner Jagdschule an – inspiriert von amerikanischen Serien und Podcasts, in denen die Jäger oft tagelang auf abenteuerlicher Pirsch sind. Seinen 58-jährigen Vater holte er mit ins Boot. Der sah auf eine gewisse Jagdtradition in der Familie zurück („in jeder Generation gab es den einen oder anderen Jäger“) und versprach sich von dem monatelangen, aufwendigen Kurs, „mehr über Tiere und Natur zu erfahren.“
Gelernt werden musste tatsächlich eine Menge, Wissen zu Wildbiologie und Waldbau etwa, zur Wildschadensverhütung und Landschaftspflege. Vater und Sohn versuchten, Jagdhunderassen auseinanderzuhalten, trainierten mit Lang- und Kurzwaffen und lernten nicht zuletzt in Theorie und Praxis, das tote Wild fachgerecht zu behandeln. Für die Prüfungsvorbereitungen nahmen sich beide schließlich eine ganze Woche frei.
Nebenbei mussten mit Familie und Freunden einige anstrengende Diskussionen darüber geführt werden, ob es grundsätzlich in Ordnung ist, ein friedlich äsendes Reh einfach so abzuschießen. Max Bauer hatte diese Frage längst ganz unsentimental für sich geklärt: „Wenn ich es nicht schaffe, ein Tier zu erlegen, sollte ich auch kein Fleisch essen.“
Auch Jagdverbandssprecherin Hoffmann findet: „Jeder, der Fleisch isst, muss sich darüber Gedanken machen, wo es herkommt. Will ich wirklich Hühner essen, die zu zehnt auf einer Fläche von der Größe eines DIN-A4-Blattes leben müssen?“ Sie bevorzuge es, ein Tier zu essen, „das bis zur letzten Minute seines Lebens glücklich in Freiheit war – das ist das hochwertigste Lebensmittel!“
Mitte September will sie zur praktischen Jagdprüfung antreten – als ein weiblicher Prüfling von vielen. Denn die Jagd wird gerade, wie der Deutsche Jagdverband erklärt, nicht nur jünger, sondern auch weiblicher. Derzeit liegt der Frauenanteil zwar nur bei 11 Prozent. Das allerdings bedeutet einen Anstieg um mehr als die Hälfte seit 2016. Hoffmann vermutet: Dass so viele Frauen sich zur Prüfung anmelden, folge schlicht der Normalität in unserer Gesellschaft. „Schließlich sind Frauen inzwischen in allen vermeintlichen Männerbastionen präsent.“ Angst vor der Prüfung hat sie keine. „Ich weiß, was auf mich zukommt und bin ganz gut im Training“, sagt sie.
Max Bauer hat kurz nach der Jagdprüfung im Spessart sein erstes Wildschwein erlegt. Nervenaufreibend fand er das Töten. Es plagte ihn die Sorge, etwas falsch gemacht zu haben. Bis er sah: Er hatte gut getroffen. Sein Vater war beim Aufbrechen und Zerlegen dabei. Selbst schießen durfte er nicht: Sowohl in der mündlichen als auch in der praktischen Prüfung war er krachend gescheitert. Anders als viele Prüflinge möchte er kein zweites Mal antreten.
Die gemeinsame Erfahrung will er dennoch nicht missen. „Das Spannendste war, die Gesetze der Natur zu verstehen.“ Auch Max war seit seinem ersten tödlichen Schuss nicht mehr auf der Jagd. Stundenlang auf dem Hochsitz hocken ist ihm doch zu öde. „Mir fehlt dabei die aktive, sportliche Komponente!“ (Monika Goetsch)
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