Beschneit wird das Sudelfeld, ganz so, als hätte die Politik nicht gerade beschlossen, die Pisten geschlossen zu halten. Aber schöner, dichter Skischnee muss mit einem gewissen Aufwand hergestellt werden. Man braucht einen Vorlauf. Und man will, sollten die Pisten in dieser Saison noch geöffnet werden, gewappnet sein.
Gerade regiert in Bayrischzell allerdings nicht die übliche Vorfreude auf eine lukrative Saison. Sondern die Sorge ums schiere Überleben. „Für unser Skigebiet ist die Schließung existenzbedrohend“, sagt Stephanie Hintermayr von der Tourist-Info Bayrischzell. Noch ist es ruhig in der kleinen oberbayerischen Gemeinde. Aber die Furcht wächst, worauf man sich in den kommenden Wochen einstellen muss. Denn Abfahrtski ist zwar verboten, aber Sport und Bewegung an der frischen Luft bleiben erlaubt. Jedenfalls außerhalb von Sportstätten, mit dem eigenen und höchstens einem weiteren Hausstand, insgesamt bis zu fünf Personen und unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln.
Das heißt: Man darf rodeln, kann Schneeschuhwanderungen machen und auf Skitouren gehen. Wanderer dürfen in die Berge, Langläufer auf die Loipe. Es könnte also gut sein, dass sehr bald luft- und bewegungshungrige Städter ins Voralpenland drängen. Und sich kurzerhand, statt die Pisten runterzusausen, ihre eigenen Wege durch den Schnee bahnen. Große Menschenmengen, so die Befürchtung von Stephanie Hintermayr, könnten sich dann „völlig unkanalisiert“ über den Schnee bewegen. Ein Skibetrieb in geregelten Bahnen, mit Hygienekonzepten und viel Personal sei da womöglich „fast besser, als die Menschen völlig frei und ungeordnet auf die Natur loszulassen“.'
Ungern erinnert sie sich an den Sommer und all die „Massenphänomene“: überfüllte Parkplätze, zugeparkte Gatter, der ganze Müll, die Enge auf den Gipfeln und um die Hütten herum. Und doch hat sich bei warmen Temperaturen auch manches verlaufen, es gab Alternativen, man konnte im See baden, radeln, spazieren gehen, wandern oder einfach auf einer Bank sitzen und Licht und Luft genießen.
Wie wird die Einhaltung der Quarantäne eigentlich kontrolliert?
Im Winter sind die Möglichkeiten beschränkter. Noch enger wird es, weil man nach einem prallen Skitag in Österreich oder in der Schweiz zu Hause direkt in eine zehntägige Quarantänepflicht schlittert. Ein negativer Corona-Test nach frühestens fünf Tagen kann diese Zeit zwar verkürzen. Aber wer bezahlt schon gern einen Tag Schneefreude mit fast einer ganzen Woche Stubenhockerei?
Sicher: Ob Mindestabstände und Quarantänen eingehalten werden, ist auch beim Wintersport kaum zu kontrollieren. Wer aus einem Risikogebiet einreist, muss allerdings, so ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums, mit stichprobenartigen Kontrollen rechnen. Überprüft werde, ob man sich beim elektronischen Einreiseregister angemeldet hat und unter die Quarantänepflicht fällt. Auch stichprobenartige Kontrollen der Quarantäneanordnung durch die örtlichen Behörden seien möglich.
In Bayrischzell denkt man derweil über andere Möglichkeiten nach, dem Infektionsgeschehen, aber auch dem Übertourismus zu trotzen. Um Besucherströme zu steuern, sollen an Loipen und Parkplätzen abermals „Ranger“ eingesetzt werden. Schon im Sommer hat man Leute angestellt, die an Parkplätzen aushalfen und dazu beitrugen, Besucherströme zu lenken. Loipentickets sollen online zur Verfügung stehen. Gut möglich auch, dass die Kosten fürs Parken oben im Skigebiet, die man erhöhen will, ein paar Leute abschrecken.
Aber lassen sich Wintersportler wirklich davon abhalten? Die Skitourgeher zumal, die womöglich einfach nur trainieren oder Pfunde verlieren wollen, ohne die Technik zu beherrschen? „Das Verständnis für die alpine Gefahr fehlt“, sagt Stephanie Hintermayr. Letztlich bleibt auch hier nur, an die Vernunft zu appellieren, wie es der Alpenverein (DAV) versucht. Im Frühjahr hatte der DAV ganz vor Ausflügen in die Berge abgeraten. Man fürchtete, Bergunfälle könnten eine zu große Belastung sein für die Bergwacht. Diesmal ist die Haltung differenzierter. „Bergsport ist grundsätzlich gesund, es kommt auf die Ausgestaltung an“, so DAV-Sprecher Thomas Bucher. Auch die Bergsportgemeinde müsse ihren Teil dazu beitragen, dass das Infektionsgeschehen eingedämmt wird. Eigenverantwortung also. Abstand halten. Orte meiden, an denen es an sonnigen Winterwochenenden ohnehin gern eng wird.
Weder überfüllte Parkplätze noch „Engstellen, wo sich alle anhusten“, sollen entstehen. Konkrete Tourentipps, etwa die beliebte „Tour der Woche“, werden aus diesem Grund derzeit vom DAV nicht gegeben. Lediglich ein aktueller Bergbericht, der die Situation nicht nur in den Alpen, sondern auch in den Mittelgebirgen beschreibt, findet sich auf der Homepage. Man möchte nicht „für die Berge werben“, sagt Bucher.
Der Ausflugsticker der Staatsregierung, der im Sommer online ging und den Tagestourismus entzerren will, geht in Sachen Eigenverantwortung und Verzicht ein ganzes Stück weiter. Dort wird empfohlen, keine ausgedehnten Tagesausflüge zu unternehmen und möglichst im eigenen Umfeld zu bleiben. Freiwillig, natürlich. „Fragen Sie sich selbst: Wie kann ich meinen eigenen Bewegungsradius angemessen verkleinern?“ So wird selbst eine einfache Schlittenfahrt für manche Städter zur Gewissensfrage. Typisch, im Corona-Jahr.
(Monika Goetsch)
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