Politik

Laborarzt Bernd Schottdorf (2.v.l) zwischen seinen Anwälten Juliane Kirchner und Martin Imbeck: Er wurde vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

13.01.2016

Schottdorf wieder freigesprochen

Seit Jahrzehnten ermittelt die Staatsanwaltschaft immer wieder wegen Betruges gegen den Laborarzt. Nun gab es die nächste Schlappe: Er wurde zum zweiten Mal freigesprochen

Der Laborarzt Bernd Schottdorf ist erneut vom Landgericht Augsburg vom Vorwurf des Abrechnungsbetruges freigesprochen worden. Die Richter entschieden, dass es keine Hinweise gibt, dass der 75-Jährige Laborleistungen in zweistelliger Millionenhöhe zu teuer abgerechnet hat. Auch seine 61 Jahre alte Ex-Ehefrau Gabriele Schottdorf, die als Geschäftsführerin eines Augsburger Labor-Dienstleistungsunternehmens mitangeklagt war, wurde freigesprochen. Die Vorsitzende der Strafkammer fand deutliche Worte: Sie kritisierte die Staatsanwaltschaft, überforderte Kripobeamte und ein völlig undurchsichtiges Abrechnungssystem.

Ein von der Staatsanwaltschaft beantragtes Bußgeld in Höhe von knapp 16 Millionen Euro für ein Schottdorf-Unternehmen lehnten die Richter ebenso ab. Bernd Schottdorf war bereits im Jahr 2000 von der Augsburger Strafkammer in einem ähnlichen Prozess freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat seit den 1980er Jahren immer wieder wegen angeblichen Abrechnungsbetrugs gegen ihn ermittelt.

Staatsanwaltschaft beantragte viereinhalb Jahre Haft

Die Richter folgten mit dem Urteil vollständig den Anträgen der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Plädoyer für beide Angeklagte jeweils viereinhalb Jahre Haft verlangt und ließ unmittelbar nach dem Urteil zunächst offen, ob sie Rechtsmittel einlegen will. Nach dem ersten Freispruch hatten die Ankläger zunächst den Bundesgerichtshof eingeschaltet, letztlich aber die Revision zurückgezogen. Bernd Schottdorf äußerte nach dem erneuten Freispruch eher zurückhaltend seine Erleichterung.

Die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser warf der Staatsanwältin eine "verkürzte und selektive Würdigung" der Beweisaufnahme des mehr als vier Monate dauernden Prozesses vor. In 22 Verhandlungstagen hätten sich bei der Vernehmung von 30 Zeugen und 2 Sachverständigen sowie bei der Prüfung von "unzähligen" Dokumenten keine Belege für ein strafbares Handeln ergeben. Letztlich sei sogar der von der Staatsanwaltschaft angenommene Schaden von 12,8 Millionen Euro eine "rein fiktive Größe" gewesen.

Den Schottdorfs wurde in der Anklage vorgeworfen, ein Netz mit fünf scheinselbstständigen Labors betrieben zu haben, um gesetzlich vorgeschriebene Rabatte für Großlabors zu umgehen. Ein Augsburger Unternehmen aus dem Schottdorf-Laborimperium hatte umfangreiche Dienstleistungen für die Labors in Bochum, Hamburg, Mainz, Ritschenhausen in Thüringen sowie im sächsischen Stollberg erbracht. Deswegen behauptete die Staatsanwaltschaft, die an den Standorten tätigen Laborärzte seien gar nicht selbstständig und somit nicht zur Abrechnung der Laborleistungen berechtigt gewesen.

Richterin kritisiert "Wirrwar des kassenärztlichen Abrechnungssystems"

Die Richterin zählte allerdings zahlreiche Faktoren auf, warum die Mediziner tatsächlich "in freier Praxis" tätig waren, wie es im Fachjargon heißt. Riedel-Mitterwieser kritisierte auch ein "Wirrwar des kassenärztlichen Abrechnungssystems" und sprach sogar von "Schikanen" für die Ärzte. Sie bemängelte auch, dass die Polizisten, die bei einer Razzia zu den einzelnen Labors anrückten, kaum mit den "hochkomplexen" Vorschriften vertraut waren.

In Augsburg liegen nun noch Anklagen gegen eine Reihe von Labormedizinern, die wegen der angeblich überhöhten Abrechnungen in den fünf Labors ebenfalls beschuldigt wurden. Das Landgericht muss nun entscheiden, ob diese Prozesse nach dem Freispruch im Pilotverfahren überhaupt geführt werden.

Mit Vorwürfen gegen Bernd Schottdorf und andere Mediziner beschäftigt sich derzeit auch ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags. Dabei geht es aber um andere Abrechnungsfälle als in dem Strafverfahren. (dpa)

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