Politik

Bald sollen auch Kinder unter zwölf Jahren gegen Corona geimpft werden. Doch ob der medizinische Nutzen auch bei ihnen überwiegt, ist umstritten. (Foto: dpa/Fabian Sommer)

03.12.2021

Schwierige Entscheidung

Bald kommt die Kinderimpfung – viele Eltern sehen es mit Grausen

Viele Eltern sind noch immer zögerlich. Seit Mitte August ist es zwar möglich, Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren gegen Covid zu impfen. Aber das Ganze geht nur schleppend voran. Von den rund 705.000 Kindern und Jugendlichen in Bayern wurden bisher 52,7 Prozent mindestens einmal geimpft, das entspricht in etwa dem Bundesdurchschnitt. Zum Vergleich: Beim Spitzenreiter Schleswig-Holstein sind es 66, beim Schlusslicht Sachsen 33 Prozent. Dabei ist die Inzidenz gerade in jüngeren Altersgruppen hoch. Bei den 12- bis 15-Jährigen liegt sie aktuell bei 1028, bei den 16- bis 19-Jährigen bei 786.

Was Eltern zögern lässt: die Unsicherheit gegenüber dem Wirkprinzip der mRNA-Impfstoffe; die Angst vor möglichen Nebenwirkungen; die Erfahrung, dass Corona-Infektionen bei jüngeren Menschen meist mild verlaufen und das berechtigte Gefühl, dass mal wieder die Kinder die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen die Gesellschaft einbrockt.

Skeptisch ist etwa der dreifache Vater Franz Xaver W. aus München. Die neuen Impfstoffe sind ihm suspekt, die möglichen Nebenwirkungen findet er „erschütternd“, zumal der Infektionsverlauf in jüngeren Altersgruppen meist mild ist. Alles Gründe für ihn, auf Totimpfstoffe zu setzen, deren Prinzip bekannt und erprobt ist. Dass sich seine beiden Söhne auf eigenen Wunsch haben impfen lassen, kann er zwar verstehen. „Sie wollten wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.“ Ärgerlich ist er allerdings über die Politik, die diesen Schritt durch eine „indirekte Impfpflicht“ nötig machte.

Wenig Vertrauen

Besonders groß ist sein Vertrauen in die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) nicht. Während Fachleute nicht müde werden, die Sachkompetenz der Stiko zu loben, und die Politik darauf drängt, dass alles doch bitte schön noch etwas schneller gehen sollte, bleibt bei Teilen der Bevölkerung Misstrauen.
Ähnliches dürfte sich wiederholen, sollte die Stiko zum 20. Dezember die erwartete Empfehlung für einen Impfstoff für Fünf- bis Elfjährige aussprechen. Franz Xaver W. jedenfalls weiß schon jetzt: Er will seine Zehnjährige auf gar keinen Fall impfen lassen.

Auch Henrike Paede vom Bayerischen Elternverband geht davon aus: Die Eltern werden zögern. Wissenschaft und Politik können daran vermutlich wenig ändern. Ihre tägliche Währung sind große Zahlen und allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen. Kinderärzte und Kinderärztinnen dagegen sind ganz nah dran. Denn sie beobachten regelmäßig nicht nur die Statistik, sondern sehen vor allem das einzelne Kind, das vor ihnen steht. Darum genießen sie bei den Eltern besonderes Vertrauen.

Viele Eltern werden zögern

Tatsächlich sind auch die Kinderärzt*innen gespalten. Nicht alle sind restlos begeistert von der Corona-Kinderimpfung. Einer der Befürworter ist Holger Schiffmann, ein erfahrener, habilitierter Kinderkardiologe in Feucht, der seine Homepage seit Pandemiebeginn mit wissenschaftlichen Materialien füttert. „Der medizinische Nutzen der Impfung überwiegt deutlich, auch bei den Jüngeren. Jedes einzelne Kind profitiert“, erklärt er den Eltern. Die Herzmuskelentzündung, die mit 1 zu 20.000 Fällen eine seltene Nebenwirkung sei, verlaufe fast immer mild. Umgekehrt sei die Wahrscheinlichkeit, durch eine Infektion auch am Herzen zu erkranken, zehn Mal so hoch wie durch die Impfung. „Nichts ist toter als ein mRNA-Impfstoff!“, hält er skeptischen Menschen entgegen, führt in die Geschichte des gar nicht so neuen Verfahrens ein und erzählt von Fällen, die ihm persönlich bekannt sind: Zwei Jugendliche kamen mit einer Myokarditis nach einer Covid-Erkrankung in seine Praxis. Er kennt ein Mädchen, das nach einer Covid-Infektion drei Wochen lang beatmet werden musste, und einen Zehnjährigen mit Downsyndrom, der ebenfalls beatmet wird.

Viele Eltern konnte Schiffmann überzeugen. Viele aber zögern noch. Ihren Achtjährigen impfen lassen? Eine Münchner Mutter wiegt nachdenklich den Kopf. „Schwierig!“, sagt sie. „Du entscheidest als Mutter fürs Kind.“ Andererseits: „Es geht halt ab bei den Kids.“ In der Klasse ihres Sohnes waren gerade fünf Kinder krank. „Ich wäre so gern gewesen!“, habe ihr Sohn kürzlich gesagt. Es hat ein bisschen gedauert, bis sie begriff, was er meinte: „Genesen.“ Dann wäre er das Thema Impfen erst mal los.
(Monika Goetsch)

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