Rund zehn Wochen nach ihrem Debakel bei der Bundestagswahl hat die krisengeschüttelte CSU eine personelle Neuaufstellung beschlossen. Finanzminister Markus Söder soll bereits im kommenden Frühjahr Horst Seehofer im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten beerben. Dies hat die Landtagsfraktion in München am Montag einstimmig entschieden. Auch im Parteivorstand gab es nach dpa-Informationen keine Gegenstimmen. Damit wird der 50-Jährige die Partei auch in die Landtagswahl im Herbst führen. Seehofer soll aber Parteichef bleiben.
Seehofer beugt sich damit dem wochenlangen Druck seiner Kritiker. Im Gegenzug darf sich der 68-Jährige berechtigte Hoffnungen machen, auf dem Parteitag Mitte Dezember in Nürnberg als Parteivorsitzender bestätigt zu werden - trotz der historischen CSU-Pleite bei der Bundestagswahl, bei der die Partei in Bayern auf 38,8 Prozent absackte.
Seehofer bestätigte den Stabwechsel an Söder am Mittag. "Das Werk ist getan, möchte ich nach fast lückenlosen Gesprächen sagen", sagte der 68-Jährige nach der knapp dreistündigen Sitzung des Parteivorstands. "Im Bereich des ersten Quartals 2018 werde ich meine Amtsgeschäfte übergeben." Er kündigte zugleich an, auf dem Parteitag erneut als Parteivorsitzender zu kandidieren. "Das war heute ein guter Tag für die CSU."
Innenminister Herrmann erklärte seinen Verzicht
Vorstand und Landtagsfraktion seien seinem Personalvorschlag einhellig gefolgt, sagte Seehofer. Er gehe daher davon aus, das auch der Parteitag zustimmen werde. "Ich habe Markus Söder und er mir eine gute Zusammenarbeit versprochen." Beide seien aber klar, dass Ankündigungen nicht ausreichen, sondern mit Taten gelebt werden müssen. "Wir werden das beide tun."
Möglich wurde die unkomplizierte Entscheidung für Söder, weil am Morgen sein einziger potenzieller Gegenkandidat, Innenminister Joachim Herrmann, seinen Verzicht erklärte. Bis zuletzt hatte dieser offen gelassen, ob er sich auch für das Ministerpräsidentenamt bewerben wolle. Die Abstimmung hat für den Parteitag bindende Wirkung, da die Landtagsfraktion während einer laufenden Legislaturperiode den Nachfolger aus ihrer Mitte bestimmt.
Die Fraktion spendete Seehofer für seine Ankündigung stehend Beifall. Auch Herrmann und Söder wurden mit stehenden Ovationen gefeiert. Söder rief die CSU nach der Fraktionssitzung zur Geschlossenheit auf: "Jetzt heißt es einfach nach vorne blicken und hart arbeiten." Politik sei immer eine Mannschaftsleistung, einer alleine könne nichts richten. "Wir können neue Wege aufzeigen, ich werde versuchen, meinen Beitrag zu bringen, mit Arbeit, mit Fleiß", sagte er. Der 50-Jährige lobte ausdrücklich Seehofers Personalentscheidung.
Söder: "Es geht um das Erbe von Strauß, von Stoiber ..."
"Deswegen kommt es jetzt darauf an, vor der Geschichte zu bestehen: auch der CSU-Geschichte und der Geschichte dieses Landes. Und dazu ist es wichtig, dass die Stärksten eng zusammenarbeiten", erklärte Söder. "Es geht um das Erbe von Strauß, von Stoiber, von vielen anderen, und es geht auch um die Fortsetzung einer sehr, sehr erfolgreichen Landespolitik von Horst Seehofer."
Während Herrmann am Montag erklärte, nicht mehr in ein künftiges Bundeskabinett wechseln zu wollen, schloss Seehofer dies nicht explizit aus, wie es in der engsten Parteispitze hieß. Herrmann wolle wieder für den Landtag kandidieren, sagte Fraktionschef Thomas Kreuzer. "Wer mich kennt weiß: Politisches Engagement bedeutet nicht persönliches Karrierestreben", betonte Herrmann. In der CSU hatten zuvor viele befürchtet, dass er mit einer Kandidatur den ohnehin seit Wochen vorherrschenden Machtkampf weiter eskalieren lassen könnte.
Die Abgeordneten seien nun sehr froh, dass er als Innenminister erhalten bleibe, sagte Kreuzer. Söder sprach von einer "absoluten Stärkung" für die Landtagswahl 2018, konkrete Angaben zu seinem künftigen Kabinett machte er aber auch auf Nachfrage keine. Dafür sei es noch zu früh. Bei einer Neuwahl des Ministerpräsidenten muss zuvor das gesamte Kabinett entlassen werden.
Seehofer und Söder: Über Jahre hinweg erbitterte Gegner
Seehofers erneute Kandidatur für den Parteivorsitz war von vielen Teilen der Partei gefordert worden, etwa von seinem Heimatbezirk Oberbayern und vom CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber. Begründet wurde dies unter anderem mit der unklaren Lage in Berlin.
"Grundsätzlich habe ich mich immer auch für eine Doppelspitze ausgesprochen, gerade weil es in der jetzigen Aufstellung Berlin sehr wichtig ist, dass jemand mit dem entsprechenden Erfahrungsschatz und dem Durchsetzungsvermögen vor Ort ist", sagte Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Jetzt müsse die absolute Mehrheit verteidigt werden. Gründe, warum sie selbst nicht ihren Hut in den Ring geworfen habe, wollte Aigner nicht verraten. "Ich gehe davon aus, dass ich auch in Zukunft noch eine entscheidende Rolle spielen werde."
Seehofer und Söder galten über Jahre hinweg als erbitterte Gegner. Erst in den vergangenen Tagen hatte sich Seehofer mehrfach positiv über seinen Minister geäußert. Entscheidend auf dessen Weg zur Macht war vor allem sein großer Rückhalt in der Landtagsfraktion. Seehofer stand seit dem CSU-Fiasko bei der Bundestagswahl unter Druck, mindestens eines seiner Ämter abzugeben.
Trotz der Zustimmung in Bayern gab es nicht nur positive Reaktionen auf Seehofers angekündigten Rückzug: "Ich habe die ganzen sechseinhalb Jahre, in denen ich Ministerpräsident bin, immer sehr gut mit Horst Seehofer zusammen gearbeitet", sagte der der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann der "Schwäbischen Zeitung" in Stuttgart. "Insofern bedaure ich sehr, dass er sein Ausscheiden aus dem Amt des Ministerpräsidenten angekündigt hat."
(Christoph Trost und Marco Hadem, dpa)
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