Noch bis zum 31. August gibt es das Waldschutzgebiet mit Namen „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“. Mit seinen 775 Hektar Fläche ist es derzeit das drittgrößte seiner Art im Freistaat. Es dürfte auch das mit der kürzesten Geschichte gewesen sein, denn ausgewiesen wurde es vom damaligen Bamberger Landrat und amtierenden Bezirkstagspräsidenten Oberfrankens, Günther Denzler, erst am 16. April 2014. Doch ab 1. September gilt die Aufhebung dieser Ausweisung durch die Regierung von Oberfranken. Das Territorium sei, so die offizielle Begründung, „kein Landschaftsbestandteil im Sinne des Bayerischen Naturschutzgesetzes“.
Aus diesem Grund droht nun eine der größten Auseinandersetzungen in der jüngeren bayerischen Umweltgeschichte. Schließlich geht es nicht nur um den „Hohen Buchenen Wald“. Kippt dieses Territorium, dann dürfte auch das Projekt eines Nationalparks für den gesamten Steigerwald gescheitert sein. Dass dies so kommt, hoffen vor allem der von Anwohnern initiierte Verein „Unser Steigerwald“, die örtliche Forstwirtschaft und diverse CSU-Landespolitiker, an ihrer Spitze Innenstaatssekretär Gerhard Eck. Befürworter des Parks wiederum sind mehrere Umweltschutzgruppen, die Opposition im bayerischen Landtag und die Bürger nahe gelegener größerer Städte.
Der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz wollen deshalb beide gegen die Aufhebung juristisch vorgehen. „Ein einmaliger und skandalöser Vorgang in der bayerischen und deutschen Naturschutzgeschichte“, schimpft Hubert Weiger, Präsident des Bund Naturschutz. Aber auch Ex-Landrat Denzler, selbst ein erfahrener Verwaltungsrechtler, zürnt seinen Berufskollegen in der Bezirksregierung in Bayreuth: Deren Agieren, so Denzler, sei „in einem Rechtsstaat nicht üblich“.
Ökologische Aspekte interessierten die Regierung von Oberfranken nicht
Interessant ist, dass die Regierung von Oberfranken in ihrer offiziellen Stellungnahme überhaupt nicht ökologisch argumentiert: Ausschlaggebend gewesen, so heißt es dort, seien „weder die naturschutzfachliche Wertigkeit des Gebiets ,Der Hohe Buchene Wald’ noch die Diskussion um seine mögliche Schutzbedürftigkeit, sondern einzig und allein die Frage, ob das vom Landratsamt Bamberg für die Unterschutzstellung gewählte rechtliche Instrument das Schutzgebiet trägt oder nicht“.
„Kleinräumige, überschaubare Strukturen, beispielsweise eine Baumgruppe“ solle ein „geschützter Landschaftsbereich“ umfassen, heißt es in diversen wissenschaftlichen Stellungnahmen zum Gesetz, großräumige Schutzgebiete würden nach dieser Kategorie nicht ausgewiesen.
Doch das ist eben nur ein akademischer Ratschlag von Experten. Konkret festgelegt ist keine Größenordnung in Paragraph 29 des Bayerischen Naturschutzgesetzes, der sich speziell mit den „geschützten Landschaftsbereichen“ befasst – zumindest nicht in der Version aus dem Jahr 2011, nach der sich der frühere Landrat richtete. Man habe sich, so Denzler, deutschlandweit umgesehen, im Norden der Republik gebe es noch viel größere „geschützte Landschaftsbereiche“.
Günther Denzler, dem der Nationalpark Steigerwald ein Herzensanliegen ist, hat also geschickt seinen Gestaltungsspielraum ausgenutzt als Chef der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt. Und diese darf eben nur über „geschützte Landschaftsbereiche“ entscheiden. Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete und Naturparke, zu denen man den „Hohen Buchenen Wald“ ja theoretisch auch hätte deklarieren können, müssen zum einen ohnehin deutlich größer sein als die besagten 775 Hektar, zum anderen fallen sie von vornherein in die Zuständigkeit der Oberen Naturschutzbehörden. Das gilt seit 1. Mai 2015 allerdings auch für die „geschützten Landschaftsbereiche“, sofern sie eine Größe von zehn Hektar überschreiten.
Umweltschützer hoffen auf das Bundesverwaltungsgericht
Die Staatsregierung hat nämlich vorgesorgt, dass sich ein Fall wie der „Hohe Buchene Wald“ nicht wiederholen kann. Aber erlaubt das auch dessen Beseitigung? Günther Denzler ist sich sicher, dass die Klage gegen die Aufhebung des Schutzgebiets Erfolg haben wird – „spätestens vor dem Bundesverwaltungsgericht“. Zuvor muss die Angelegenheit aber erst vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth, dann – im Falle einer zulässigen Revision – vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verhandelt werden.
Nimmt man Paragraph 29 wörtlich, dann müsste das Gericht den Klägern Recht geben, heißt es doch in Absatz 2: „Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.“
Des Weiteren wird vor Gericht zu klären sein, ob die Regierung von Oberfranken selbst eigentlich auch verwaltungsrechtlich korrekt gehandelt hat in ihrem Prozess des Aufhebungsverfahrens. Günther Denzler sieht das nämlich nicht so. Es habe zum einen keine formale Anweisung des bayerischen Umweltministeriums gegeben (in Bayreuth sei man also eher in vorauseilendem Gehorsam tätig geworden). Auch sei das Anhörungsverfahren nicht korrekt verlaufen.
Das wiederum weist die Regierung von Oberfranken zurück. Zwar stimme es, dass „die Mehrzahl der Stellungnahmen sicher erst in der zweiten Julihälfte eingegangen“ sei, doch habe man angemessen geprüft. Nur leider: Ökologisch argumentierende Wortmeldungen – und die dürften das Gros der eingegangenen Schreiben ausgemacht haben – wurden von der Behörde gar nicht erst berücksichtigt. Man habe „die Prüfung der Stellungnahmen auf die Äußerungen beschränkt, die sich mit dem gewählten Rechtsinstrument, also der Rechtsgrundlage, beschäftigt haben“.
Die SPD fragt nach der Rolle von Ministerin Scharf
Doch auch von anderer Seite wird die Bezirksregierung attackiert. Florian von Brunn, der umweltpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Gegner der Aufhebung des Schutzgebiets („rückgratlose Entscheidung“), beklagte sich, ihm sei in Bayreuth die Akteneinsicht verwehrt worden. Die Bezirksbeamten halten dem entgegen, sie hätten „die nachgefragten Informationen digital übermittelt“, der Eingang der Mail sei von Brunn bestätigt worden. Süffisant ergänzt die Behörde noch, danach sei von dem SPD-Mann von Brunn „eine Rückmeldung hinsichtlich einer weiteren Akteneinsicht nicht eingegangen“.
Doch der SPD geht es in dieser Angelegenheit ohnehin weniger um die Regierung von Oberfranken, sie möchte den Fall zu einer Causa Ulrike Scharf machen. Die CSU-Umweltministerin, ätzt von Brunn, sei „auf ganzer Linie gescheitert“. Er stellt den Vorgang in eine Reihe mit dem Hygieneskandal um die Firma Bayern-Ei und fordert: „Das muss ein parlamentarisches Nachspiel haben.“ (André Paul)
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