Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist für seine Forderung nach separaten Deutschklassen mit Werteunterricht für Flüchtlings- und Migrantenkinder kritisiert worden. "Outsourcing ist genau das, was wir nicht unter Integration verstehen", hieß es vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Es handle sich um politische Kampfbegriffe, sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Der Vorstoß komme vielleicht bei Teilen der Bevölkerung aktuell gut an.
Söder hatte in der "Bild am Sonntag" intensiven und separaten Sprach- und Werteunterricht für Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien gefordert. Dafür sollen in Bayern statt der bisherigen Übergangsklassen an den Schulen sogenannte Deutschklassen eingeführt werden. Das sind nach Söders Vorstellung Ganztagesklassen mit kleinerer Klassenstärke. Migrantenkinder sollen erst im Regelunterricht lernen, wenn sie "unsere Sprache sprechen und unsere Werte verstehen", hatte Söder gesagt. "Denn das kann man nicht nur in vierwöchigen "Crashkursen" lernen", sagte Söder.
Die Integrationsexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, Linda Teuteberg, bezeichnete den Vorstoß in der "Augsburger Allgemeinen" als "unausgegoren". "Ab wann und bei welchem Sprachniveau sollen die Migrantenkinder dann zusammen mit einheimischen Schülern lernen, was für die Integration ebenfalls wichtig ist?", fragte sie. Wie wolle man bei Kindern prüfen, ob sie ausreichend "unsere Werte" teilen? Richtig an Söders Forderung sei aber, dass sowohl die deutsche Sprache als auch deutsche Werte besonders wichtig für die Integration seien.
Nach Ansicht der Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, ist eine rasche Inklusion von Flüchtlingen in die Regelklassen notwendig. "Der Zugang zu guter Bildung ist zentral für erfolgreiche Integration", betonte sie. "Wir brauchen dringend eine ausreichende Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Fluchthintergrund, die sich tatsächlich an deren Bedürfnissen orientiert."
Freie Wähler und Grüne warnen vor
"Zwei-Klassen-Gesellschaft" bzw. "Parallelstrukturen" in der Schule
Michael Piazolo, bildungspolitischer Sprecher der Freien Wähler, kritisierte, Söder habe als bisheriger Finanzminister zu wenig Geld für Grundschullehrer ausgegeben: "Zusätzliche Mittel kurz vor der Wahl dürfen daher nicht nur Zuwandererkindern zugutekommen, sondern müssen auch in den "normalen" Schulunterricht einfließen." Piazolo warnte davor, im bayerischen Schulsystem eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu schaffen. "Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass der Ministerpräsident Deutschklassen nicht nur temporär für Flüchtlingskinder, sondern für Kinder aus Zuwandererfamilien allgemein wünscht."
Der bildungspolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Thomas Gehring, bezeichnete Söders Pläne als "kurzsichtig". "Richtig ist, dass wir unser Bildungssystem in Gänze fit machen müssen für die Einwanderungsgesellschaft", so Gehring. "Falsch ist es aber, schulische Parallelstrukturen zu schaffen, die eine Trennung zwischen hier geborenen und zu uns gekommenen Kindern manifestieren." Stattdessen forderte er, die Lehrerstunden für den Deutsch-Förderunterricht deutlich zu erhöhen. Die Vermittlung von Werten finde dann unmittelbar dort statt, wo die Kinder zusammen leben und lernen.
Auch der FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen sagte: "Separate Klassen, in denen ausschließlich Kinder von Zuwanderern unterrichtet werden, sind kontraproduktiv. Integration gelingt dort, wo deutsche und ausländische Kinder miteinander lernen, spielen und ins Gespräch kommen." Der Kontakt zu deutschen Mitschülern sei unverzichtbar. "Deshalb lehnen wir Söders bildungspolitische Ghettoisierung ab." Stattdessen seien zusätzliche Förderangebote am Nachmittag nötig und zusätzliche Lehrer in Klassen mit besonders hohem Ausländeranteil.
Söder erklärte, Bayern sei "christlich-abendländisch geprägt mit jüdischen und humanistischen Wurzeln". "Jeder, der zu uns kommt, muss sich unseren Werten, Sitten und Gebräuchen anpassen und nicht umgekehrt." Er wolle sich daher auch dafür einsetzen, dass im Ausland geschlossene Vielehen hier nicht anerkannt werden. "Polygame Ehen sind in Deutschland strafbar. Da ist es doch absurd, dass wir uns mit der Zuwanderung Polygamie ins Land holen." Dafür kündigte er eine Bundesratsinitiative an - denn hier sei "jeder Einzelfall einer zu viel". (dpa/BSZ)
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