Politik

Noch ist der Plenarsaal leer. Aber spätestens 22 Tage nach der Wahl muss der Landtag seine konstituierende Sitzung abhalten. (Foto: Ralf Kruse)

13.10.2023

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Wie der Übergang im Landtag nach der Wahl gestaltet wird und wann die Sacharbeit beginnt

Normalerweise fiebern die Fraktionen am Wahlabend im Landtag der 18-Uhr-Prognose entgegen. Doch im Saal der FDP wollte keine Stimmung aufkommen. Nur wenige Beschäftigte haben sich vor der Übertragungsleinwand versammelt, das Büffet wurde fast gar nicht angerührt. Als das Ergebnis verkündet wird, herrscht stoische Ruhe, manche trösten sich gegenseitig. Was sich in Umfragen angedeutet hat, ist nun Gewissheit: Die FDP fliegt aus dem Landtag. Dadurch verlieren nicht nur die zwölf Abgeordneten mit ihren jeweils zwei bis drei Angestellten ihren Job, sondern auch die über 30 Mitarbeiter*innen der Fraktionsgeschäftsstelle.

Julia Renner, die das Büro von Wolfgang Heubisch geleitet hat, ist eine der wenigen, die gekommen sind. Allerdings hat sie die Fraktion schon vor dem Wahlkampfendspurt in Richtung eines Beratungsunternehmens verlassen. „Ich habe nicht an ein Wunder von Bern geglaubt“, sagt die 32-Jährige. Schlechter sieht es für Birgit Kerckhoff aus, die Assistentin der Fraktionsgeschäftsführung. Ihr Vertrag läuft wie der der anderen Beschäftigten noch bis 31. Oktober – danach ist sie arbeitslos. Warum sie sich nicht nach einem neuen Job umgeschaut hat? „Ich bin gnadenlose Optimistin“, erklärt die 55-Jährige. Bis zuletzt habe sie gehofft, dass es doch noch klappt.

Die Rede von FDP-Fraktionschef Martin Hagen fiel kurz und schmerzlos aus. „In wenigen Wochen gibt es unsere Fraktion nicht mehr“, sagte er und dankte den Beschäftigten für ihre Arbeit. „Es war mir eine Ehre mit euch, vielleicht sieht man sich ja mal wieder.“ Wo das sein könnte, soll in diesen Tagen besprochen werden. Wenn ein Vertrag endet, bietet die Fraktion aber Unterstützung bei der Jobsuche an. Planlos sind auch noch viele FDP-Abgeordnete. Hagen immerhin bleibt Bayernchef der FDP. Vizechefin Julika Sandt und Franz Josef Pschierer haben noch keine spruchreifen Zukunftspläne. Wolfgang Heubisch plant, die Partei auch als Rentner weiterhin in den sozialen Medien zu unterstützen. Sebastian Körber widmet sich jetzt wieder verstärkt seiner Arbeit in der Immobilienbranche. Der Politik bleibt er aber im Stadt- und Kreisrat Forchheim treu.

Flexible Arbeitsmodelle empfohlen

Die ausgeschiedenen Abgeordneten der FDP und die der anderen Fraktionen dürfen ihre Büros offiziell noch bis 30. Oktober nutzen. „Erfahrungsgemäß werden viele Abgeordnete jedoch darauf verzichten“, erklärt ein Sprecher des Landtags. So können die Räume schon von den neuen Mitgliedern des Landtags genutzt werden. Die genaue Raum- und Wohnungsverteilung zwischen den Fraktionen wird gemäß des Wahlergebnisses erst in der ersten Sitzung des neuen Präsidiums Mitte November beschlossen. Mehr Platz gibt es aber nicht: Die Anzahl der Räume und Apartments bleibt in der neuen Legislaturperiode unverändert. Die Landtagsverwaltung empfiehlt daher flexible Arbeitsmodelle und intelligente Möblierungen.

Während für die einen die Arbeit endet, geht sie für die neuen Abgeordneten diese Woche erst richtig los. Das Wichtigste neben der Suche nach Räumen für ein Stimm- beziehungsweise Wahlkreisbüro ist die Personalrekrutierung. Dafür steht ihnen ein jährlicher Erstattungsbetrag von 145.615,50 Euro zur Verfügung. Damit es pünktlich losgehen kann, haben viele Abgeordnete schon vor der Landtagswahl entsprechende Vorgespräche geführt. Manche greifen auch auf die Beschäftigten der Abgeordneten zurück, die diese Woche überraschend aus dem Landtag ausgeschieden sind, beispielsweise Thomas Gehring (Grüne).

Jeder Abgeordnete erhält knapp 150.000 Euro für Mitarbeiter*innen – pro Jahr

Viel zu tun haben auch die Fraktionen, beispielsweise müssen sie sich zu Beginn jeder Legislaturperiode eine neue Satzung geben. Während die CSU mit Klaus Holetschek und die Freien Wähler mit Florian Streibl schon neue Fraktionschefs gewählt haben, steht das bei den anderen noch aus. Die Grünen treffen sich dazu nächste Woche zu einer sogenannten konstituierenden Klausur. Die AfD plant die Wahl ebenfalls für nächste Woche, die SPD entscheidet erst am heutigen Freitag über den Termin.

Anschließend muss bestimmt werden, wen die Fraktion für die Wahl für das Landtagspräsidium nominiert. Ebenso müssen Vorsitz, Parlamentarische Geschäftsführer, Fachsprecher und Arbeitskreise gewählt werden. Wie lange der Konstituierungsprozess dauert, hängt wiederum von den Wahlen und Beschlüssen ab, zum Beispiel über Größe und Zuschnitte der Ausschüsse. Dafür müssen aber erst Größe und Zuschnitte der Ministerien feststehen. Das kann also alles mehrere Wochen dauern, ein Landtagssprecher schätzt bis Mitte oder sogar Ende November.

Konstituierende Sitzung am 30. Oktober

Die konstituierende Sitzung des Landtags muss spätestens 22 Tage nach der Wahl stattfinden. Aktuell ist dafür der 30. Oktober geplant. Erst ab diesem Moment haben die neu gewählten Abgeordneten ein offizielles Mandat. In dieser Sitzung werden auch das Präsidium und die Schriftführer gewählt und der Alterspräsident bestimmt. Das ist automatisch der älteste Abgeordnete und damit in dieser Legislatur Paul Knoblach (Grüne). Damit ist der Landtag arbeitsfähig und kann Gesetze beschließen, die Regierung beziehungsweise deren Verwaltung kontrollieren, den Staatshaushalt in Bayern beschließen und den Ministerpräsidenten wählen.

Die Wahl muss innerhalb von einer Woche stattfinden, also voraussichtlich bis zum 6. November. Meistens geht es aber schneller, in der letzten Legislaturperiode wurde Markus Söder beispielsweise bereits einen Tag später gewählt. Danach wird das Kabinett vereidigt – einen zeitlichen Rahmen gibt es dafür nicht. Da CSU und Freie Wähler aber schon seit Donnerstag Koalitionsgespräche führen, ist zu hoffen, dass dies ebenfalls recht schnell geht. Bis sich die Ausschüsse konstituieren und ihre jeweiligen Vorsitzenden wählen, wird es aber Anfang Dezember werden, schätzt ein Landtagssprecher. Es ist also noch Geduld gefragt. Denn erst dann kann der Landtag – endlich – mit der Sacharbeit beginnen.
(David Lohmann)

 

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