Politik

Grüß Gott, Herr Präsident! Artig lächelt der Kinderchor der Staatsoper in der Staatskanzlei für Joachim Gauck. (Foto: DAPD)

22.02.2013

So nah und doch so fern

Der Bundespräsident besucht Bayern – leider schirmt ihn sein Tross zu sehr von den Bürgern ab

Ein Fahrradfahrer kommt Joachim Gauck dieses Mal nicht in die Quere. Als der heutige Bundespräsident vor drei Jahren als Gegenkandidat von Christian Wulff seine Bewerbungsrunde durch die Republik machte, radelte ihm in München ein junger Mann ins Auto. Bei seinem offiziellen Antrittsbesuch in Bayern kann dem ersten Mann im Staate so etwas in Bayern nicht mehr passieren. 15 Polizeimotorräder eskortieren seine Limousine vom Flughafen in die Staatskanzlei, an wichtigen Kreuzungen sorgen Uniformierte für freie Fahrt. So ist das eben, wenn Präsidenten auf Staatsbesuch sind.
An den Münchnern geht der Rummel ziemlich vorbei. Als Gauck mit seinem Gastgeber Horst Seehofer hinter der Staatskanzlei die Ehrenhundertschaft der Bayerischen Bereitschaftspolizei abschreitet, kommen auf einen Zaungast ungefähr zwei Polizisten. Vielleicht liegt es ja am Wetter. Es hat um die null Grad, und ein eisiger Wind pfeift durch den Hofgarten. Wer nicht muss, bleibt nicht freiwillig in der zehrenden Kälte. Gauck auch nicht. An der Seite Seehofers hastet er über den roten Teppich. Nach Deutschlandlied und Bayern-Hymne zieht er sich samt Gefolge rasch in den gut geheizten Kuppelsaal der Staatskanzlei zurück.
Dort warten nicht nur die bayerischen Minister und Staatssekretäre, auch viele Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Kirchen und Wirtschaft sowie der Kinderchor der Staatsoper erweisen dem Staatsoberhaupt ihre Ehre. Alle Regierungsbezirke haben zudem Abordnungen geschickt. Seehofer begrüßt den Gast als „hochverehrten, lieben Herrn Bundespräsidenten“. Gauck verzieht keine Miene, obwohl er weiß, dass Seehofers Wertschätzung ihn erst im zweiten Anlauf erreicht hat, nach dem unrühmlichen Ende Christian Wulffs. Als „frei, fröhlich und friedfertig“ preist Seehofer die Bayern an. Und als er die bayerische Eigenständigkeit im deutschen Staate eine Spur zu hemdsärmlig betont, handelt er sich einen freundlich gemeinten Ordnungsruf des Präsidenten ein.
Viel mehr sagt Seehofer dann nicht mehr, denn die wichtigste Meldung habe er Gauck schon auf dem Weg vom Flughafen im Auto gemacht: „Wir haben in Bayern keine wesentlichen Probleme.“ Das mag Gauck in dieser Bestimmtheit nicht ganz glauben, trotzdem gerät seine kurze Erwiderung zu einer Liebeserklärung an Bayern. „Ich bin gerne bei Ihnen“, ruft er den Menschen im Saal zu, verzichtet dann aber doch auf eine „zweistündige Würdigung des bayerischen Wesens“. So viel aber doch noch: „Ich fühle mich Bayern in besonderer Weise verbunden – und das nicht nur aus persönlichen Gründen“, erklärt er mit einem Blick auf seine Lebensgefährtin Daniela Schadt, eine Nürnbergerin.

Stressiges Protokoll

Woher diese Wertschätzung rührt, zieht sich wie ein roter Faden durch seinen Besuch. Es ist das in Bayern besonders verbreitete ehrenamtliche Engagement. Wenn er dieses „lebensfähige Element der Mitverantwortung“ spüre, dann fühle er sich gleich zu Hause. „Da können die Berge noch so hoch und das Meer noch so blau sein, ich fühle mich nicht wohl, wenn Menschen sich nicht engagieren, wenn ihnen egal ist, was um sie herum geschieht.“ Engagierte Bürger seien „die eigentliche Prominenz unseres Landes“. Im Landtag später wird er sagen: „Wer mitmacht, kann Abgeordneter werden, wer nicht mitmacht, ist noch nicht einmal Bürger.“ Auf allem Ebenen könne man sich beteiligen, sein Appell richtet sich vor allem an die Jungen im Lande.
Szenenwechsel in den Landtag. Dort hat die strenge Regie des Bundespräsidialamtes schon im Vorfeld für Verstimmung gesorgt. Statt Bürgerkontakt in der Volksvertretung besteht das Amt auf handverlesenem Publikum für die Gesprächsrunde im Plenarsaal. Nur das Präsidium des Landtags, der Ältestenrat und die Fraktionsspitzen sollen zugelassen sein, Fragen an den Präsidenten müssen vorher schriftlich eingereicht werden. Dieser Vorgabe beugen sich nur CSU und Freie Wähler, die anderen schweigen entweder beredt und raunen verständnislos „Kasperltheater“. Selbst den Vorschlag der FDP, Gauck möge sich doch mit ohnehin im Landtag weilenden Schülergruppen unterhalten, bügeln die Berliner Bürokraten ab. Die jungen Leute dürfen immerhin als Zuhörer mit in den Saal. Trotzdem macht Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) bei der Begrüßung Gaucks ihrer Verärgerung mit der Bemerkung Luft, man habe sich dem „strengen Protokoll gebeugt“.
Gauck rettet die Situation auf seine Art. „Ich habe meinen Spickzettel im Auto gelassen“, lässt er durchblicken, was er von den Vorgaben seiner Beamten hält. Später, im kleinen Kreis, wird er die Abgeordneten noch um Verständnis dafür bitten, dass auch er den Zwängen des Protokolls mitunter ausgeliefert sei. Die Gesprächsrunde selbst verläuft dennoch wenig spektakulär. Zur Frage von CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach der Zukunft des Föderalismus äußert sich Gauck ausweichend. Zum Wunsch der Freien Wähler, in Deutschland einen „Tag der Heimat“ zu etablieren, hat der Präsident keine abschließende Meinung. Die Antwort auf die Frage der Grünen Margarete Bause zur Zukunft Europas will er in einer Grundsatzrede zum Ende der Woche geben. Man spürt nur, dass dieser Präsident viel zu sagen hätte, das enge protokollarische Korsett scheint ihm dafür aber nicht der geeignete Rahmen zu sein.
Außerdem drängt die Zeit. Vor dem Maximilianeum warten schon die Wagen mit laufendem Motor, um Gauck nach Oberpfaffenhofen zur Besichtigung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zu bringen, und für den Abend steht noch die Visite in der alten Reichsstadt Regensburg auf dem Programm. Wenigstens hier kommt das Staatsoberhaupt etwas mit den Bürgern in Kontakt.
An der Universität diskutiert Gauck mit Studenten über das Zusammenwachsen Europas, dann führt ihn ein Spaziergang durch die Altstadt zum historischen Reichssaal, wo Oberbürgermeister Hans Schaidinger zum Ausklang des Tages einen Bürgerempfang zu Ehren des Gastes gibt. Trotzdem bleibt als Fazit: Es ist Gaucks Antrittsbesuch in Bayern, aber nicht bei den Bayern. (Jürgen Umlauft)

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