Clemens Baumgärtner (CSU) ist noch bis Februar 2025 Wirtschaftsreferent im grün-roten Münchner Rathaus. Als Nachfolger wird Ingolstadts Bürgermeister Christian Scharpf (SPD) gehandelt. Im BSZ-Interview spricht er über seine Erfolge, Rückschläge und Zukunftspläne.
BSZ: Herr Baumgärtner, heute startet die Fußball-Europameisterschaft mit dem Auftaktspiel in München. Die Stadt sollen die insgesamt sechs Spiele 21 Millionen Euro gekostet haben, während die UEFA Rekordeinnahmen erwartet. Haben Sie sich über den Tisch ziehen lassen?
Clemens Baumgärtner: Zu den Kosten kann ich nichts sagen, dafür ist das Referat für Bildung und Sport zuständig. Aber die positiven Auswirkungen für München als Sportstadt und Tourismusdestination überwiegen auf jeden Fall die Ausgaben. Eine vergleichbare Werbung könnten wir uns gar nicht leisten. Außerdem gehen wir allein durch die Besucherinnen und Besucher von Mehreinnahmen von 144 Millionen Euro aus.
BSZ: Kommen nicht schon genug Menschen nach München? Regelmäßig wird darüber geklagt, dass Vermietungsportale wie Airbnb die ohnehin hohen Mieten weiter nach oben treiben. Städte wie Amsterdam oder Barcelona versuchen daher, den sogenannten Overtourism zu stoppen.
Baumgärtner: Ich habe nicht den Eindruck, dass München an seine Grenzen stößt. Dazu gab es auch weder aus der Stadtgesellschaft, den Verbänden oder der Wirtschaft entsprechende Rückmeldungen. Daher halte ich die Overtourism-Debatte für ein Copy-and-paste-Phänomen der Medien. Was ich höre, ist durchweg positiv.
BSZ: Diskussionen gab es auch um die Auflagen der UEFA: Unisex-Toiletten, Rauchverbot in Stadien und natürlich das Ausschankverbot für bayerisches Bier.
Baumgärtner: Das sind eben die Auflagen der UEFA. Wir hatten keinen Einfluss darauf, welches Bier verkauft wird. Hier gilt das Motto: Leben und leben lassen. Ich glaube, es gibt genug Menschen, die vor und nach dem Turnier lieber bayerisches Bier trinken. Und auch das aus Rheinland-Pfalz ist sicherlich gut.
BSZ: In Frankreich soll ein Anschlag auf ein Fußballspiel während der Olympischen Spiele im Juli vereitelt worden sein. Wie steht es um die Sicherheit der Menschen im Stadion und beim Public Viewing?
Baumgärtner: Ich habe großes Vertrauen in die Bayerische Polizei. Egal ob es um den Schutz der Fußballspiele geht oder die Wiesn, Auer Dult, Konzerte oder sonstige Veranstaltungen. Aktuell gibt es keine konkreten Gefährdungsmomente – zumindest kenne ich keine. Daher bin ich sicher, dass alle Besucherinnen und Besucher ausreichend geschützt sind.
BSZ: Parallel zur Europameisterschaft findet auch der Christopher Street Day (CSD) statt – wie letztes Jahr wurde die CSU wieder ausgeladen. Als Begründung wurde die Ablehnung des Selbstbestimmungsgesetzes im Bund und das Genderverbot in Bayern genannt. Können Sie die Entscheidung nachvollziehen?
Baumgärtner: Ich bin immer gerne Gast beim CSD – egal ob als Zuschauer oder Mitmacher. Es ist schon schade, dass die CSU wieder nicht dabei ist. Das kritisiert selbst die SPD im Rathaus. Die Positionen der CSU sind respektabel und hätten Toleranz verdient. Aber das Kommentieren überlasse ich der Fraktion.
BSZ: Ein anderes Großereignis ist das Oktoberfest, über das dieses Jahr durch die Cannabislegalisierung ein süßlicher Geruch wehen wird. Wie streng wird das Verbot auf dem Gelände gehandhabt?
Baumgärtner: Die Polizei weiß, was erlaubt und verboten ist. Auch als Wiesn-Chef habe ich keinen Einfluss darauf, in welcher Form Verstöße geahndet werden. In den vergangenen Jahren bewies die Polizei immer viel Augenmaß – sicherlich auch heuer. Grundsätzlich halte ich das Verbot für richtig, weil es sich um ein Familienfest handelt und viele Kinder vor Ort sind. Laut Gesetz ist der Konsum dann untersagt.
BSZ: Können Sie Menschen verstehen, die sich über das harte Durchgreifen bei Joints aufregen? Schließlich gibt es jedes Jahr schon wenige Stunden nach dem Anstich die ersten 16-jährigen Bieropfer und einen vollen „Kotzhügel“.
Baumgärtner: Das ist nicht immer so und kein Massenphänomen. Wenn jemand einen über den Durst trinkt oder kifft, mei. Das passiert nicht nur auf der Wiesn. Ich finde die Argumentation, wer auf dem Oktoberfest Bier trinken darf, sollte auch Cannabis rauchen dürfen, nicht logisch. Wer kiffen will, kann das vorher oder nachher tun. Auf der Wiesn müssen Minderjährige vor passivem Konsum geschützt werden.
BSZ: Dieses Jahr hat auf der Oiden Wiesn der Boandlkramer statt des Herzkasperlzelts den Zuschlag bekommen. Jetzt klagt der Betreiber, Kritiker sorgen sich um das Kulturprogramm. Müssen die Vergabekriterien überarbeitet werden?
Baumgärtner: Darüber muss der Stadtrat entscheiden. Es handelt sich aber um ein streng formalisiertes Verfahren, bei dem wir alles millimetergenau eingehalten haben. Natürlich kann man dagegen klagen. Mit Beliebigkeit, wie es uns jetzt unterstellt wird, hat das aber nichts zu tun. Ich glaube, es geht eher um schnöden Mammon. Die Künstlerinnen und Künstler können sowohl in dem einen wie auch in dem anderen Zelt auftreten. Da es sich um ein nichtöffentliches Verfahren handelt, kann ich dazu nicht mehr sagen.
BSZ: Diskussionen gab es zuletzt auch um Ihr Liedverbot von Gigi D’Agostinos L’Amour toujours auf der Wiesn, weil dazu seit Kurzem regelmäßig ausländerfeindliche Parolen gegrölt werden. Der Interpret hält es für rassistisch, wenn ein Italiener in Deutschland zensiert wird.
Baumgärtner: Ich kenne das Lied noch von früher und fand es wirklich cool. Es geht daher nicht um ein Musikverbot, sondern um die aktuell in den Song hereininterpretierte Botschaft, den Code. Der hat auf der Wiesn nichts verloren. Dort sind Menschen aus aller Welt willkommen und ohne die ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre sie auch nicht durchführbar. Entsprechend ist das nicht mit meiner Geisteshaltung vereinbar, sondern völlig daneben und womöglich auch strafbar. Das ist nicht ansatzweise mit der Diskussion um das Musikverbot von Layla vergleichbar.
BSZ: Sie sind seit 2019 Wirtschaftsreferent. Wie erleben Sie Ihre Arbeit, seitdem seit 2020 die Grünen mit der Rosa Liste und die SPD mit Volt in einer Koalition regieren?
Baumgärtner: Ich habe diesen Job mit dem Bewusstsein angenommen, dass die damalige schwarz-rote Koalition nicht in Stein gemeißelt ist. Ich bin seit 1996 im Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching, wo wir in meinen Augen in 18 Jahren in einer schwarz-grünen Koalition von 2002 bis 2020 erfolgreiche Politik gemacht haben. Als Wirtschaftsreferent bin ich auch nicht den Strömungen der Politik unterworfen, sondern orientiere mich an der Sache. Wenn ich mich mit einem Vorschlag nicht durchsetzen kann – das ist Demokratie. Ich glaube aber, dass ich damit erfolgreich die Münchner Wirtschaft mitgestalten konnte.
BSZ: Ihre Amtszeit endet im Februar 2025, im Oktober wird Ihr Nachfolger gewählt. Als Favorit gilt Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD). Was werden Sie ihm, wenn er gewählt wird, auf den Weg geben?
Baumgärtner: Ich will niemanden belehren und halte mich mit Tipps zurück. Mein Nachfolger wird mit Sicherheit seine eigenen Erfahrungen einbringen und wie meine Vorgänger gute eigene Politik machen. Wir haben im Wirtschaftsreferat hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf deren Erfahrungsschatz kann man sich verlassen. Auch wenn es mir persönlich wehtut: Ich wusste, dass mein Amt nur auf Zeit ist. Mir bereitet jeder Tag große Freude – auch wenn es manchmal anders läuft als geplant.
BSZ: Was sehen Sie als Ihre größten Erfolge?
Baumgärtner: Wir haben unter anderem die Automobilmesse IAA nach München geholt, das E-Sportsevent League of Legends, die internationale AIDS-Konferenz, das ATP-500-Tennisturnier oder Unternehmen wie den US-Konzern Apple. Außerdem konnten wir zum Beispiel dem Münchner Handwerk durch Handwerkerparkausweise oder das städtische Gewerbehofprogramm helfen sowie Kunst und Kultur nach Corona nicht nur durch die vielen Adele-Konzerte wieder sichtbarer machen. Mir ist keine andere internationale Großstadt bekannt, die das ohne einen Cent öffentlichen Zuschuss geschafft hätte. Hinzu kommen weitere Einzelprojekte.
BSZ: Sie sind in Umfragen sehr beliebt. Planen Sie nach dem Ende Ihrer Amtszeit wie Ihr Vorgänger Josef Schmid (CSU) einen Wechsel in die Landespolitik?
Baumgärtner: Man muss ja nicht alles wie sein Vorgänger machen. Ich persönlich finde die Arbeit für die Stadt sehr reizvoll. München kenne ich inzwischen sehr gut. Aber letztendlich muss die Partei entscheiden, ob und inwieweit sie meine Ambitionen unterstützt. Landtagswahlen sind ja auch erst wieder 2028. Wenn meine Entscheidung reif ist, werde ich mein ganzes Engagement dafür einsetzen. Ich sag immer: So schnell werdet ihr mich nicht los. (lacht) (Interview: David Lohmann)
(Foto: dpa/Hörhager)
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