Politik

Eigentlich sollte ab dem 15. März eine Impfpflicht im Gesundheitsbereich greifen - in Bayern aber wird es "großzügigste Übergangsregelungen" geben, kündigt Markus Söder an. (Foto: dpa/Fabian Sommer)

07.02.2022

Söder will Impfpflicht im Gesundheitswesen aussetzen

Bayerns Ministerpräsident nimmt im Kampf gegen Corona den Fuß vom Gas. Lockerungen für Sport, Kultur und Gastronomie sind das eine. Auch bei der Impfpflicht bremst der einstige Anführer des "Teams Vorsicht"

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will nicht nur die Maßnahmen im Corona-Abwehrkampf deutlich lockern, sondern auch die geplante Impfpflicht für Bedienstete im Gesundheitswesen vorerst nicht umsetzen. Es werde "großzügigste Übergangsregelungen" geben, was "de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft", sagte der CSU-Vorsitzende am Montag nach einer Videoschalte des Vorstands seiner Partei in München. "Für wie viele Monate wird man dann sehen", fügte er hinzu - jedenfalls zunächst für einige Zeit, "um das Ganze vernünftig zu gestalten".

Nach den Worten von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) könnte die Impfpflicht zumindest für Neulinge in Gesundheitseinrichtungen durchaus von Beginn an greifen. Bei "Bestandskräften" brauche es dagegen Übergangsfristen - Holetschek brachte eine Übergangszeit bis zum 30. Juni ins Gespräch.

Zuvor hatte auch Sachsen angekündigt, "vertretbare Umsetzungsregelungen" schaffen zu wollen. Andere Bundesländer halten ebenfalls Übergangsfristen für erforderlich, um die Gesundheitsämter in die Lage zu versetzen, eine Impfpflicht vernünftig umsetzen und kontrollieren zu können. Die Gesundheitsminister der Länder hatten am 22. Januar einstimmig beschlossen, eine "Umsetzungszeit" sei notwendig - ohne deren Länge aber zu konkretisieren.

Söder plädiert weiterhin für eine allgemeine Impfpflicht

Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, die eigentlich vom 15. März an greifen soll, wurde im Infektionsschutzgesetz verankert. Konkret heißt es dort, dass die Beschäftigten bis zum 15. März ihrem Arbeitgeber einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen oder ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können. Wird der Nachweis nicht vorgelegt, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Das "kann", wenn trotz anschließender Aufforderung innerhalb einer Frist kein Nachweis vorgelegt wird, ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Klinik oder Pflegeeinrichtung aussprechen.

Grundsätzlich plädierte Söder erneut für eine allgemeine Impfpflicht - er hoffe sehr, dass es hier eine "kluge Entscheidung" gebe. Die Impfpflicht nur für Pflegekräfte sieht er mittlerweile dagegen kritisch: "Die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die zum 15.3. kommen soll, ist kein wirksames Mittel mehr, um die jetzige Omikron-Welle zu begleiten oder zu dämpfen oder zu stoppen."

Die Abwanderung von Pflegekräften, weil es nur eine "spezielle Impfpflicht" sei, könnte zu einer zusätzlichen Belastung und zu einer Verschlechterung der Situation in der Pflege führen, warnte Söder. "Es führt nur zu Problemen, ist leider keine Lösung." Es gebe "größte Sorge, dass dies eigentlich zu einer Überlastung und Schwächung des Gesundheitssystems führen könnte, weil es Ausweichbewegungen geben könnte."

Scharfe Kritik von Gesundheitsminister Lauterbach

Aus der SPD kommt scharfe Kritik an Söders Aussagen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Die bayerische Regierung hintertreibe den gemeinsamen Beschluss von Bund und Ländern und das von CDU/CSU breit mitgetragene Gesetz, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, am Montag. Ziel der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei es, besonders verletzliche Menschen zu schützen. "Wenn die CSU die Impfpflicht aussetzt, entzieht sie sich damit ihrer Verantwortung, diesen Schutz zu gewährleisten. Das sendet ein fatales Signal."

"Statt jetzt abzubremsen, muss vielmehr von Ländern und Arbeitgebern alles getan werden, um das Personal im Gesundheits- und Pflegebereich vom Impfen zu überzeugen", sagte Baehrens. "Sie sollten konkrete Impfangebote vor Ort machen, zum Beispiel auch mit dem bald zur Verfügung stehenden Novavax-Protein-Impfstoff." Bei diesem besteht die Hoffnung, dass Impfskeptiker weniger Vorbehalte haben als bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech oder Moderna.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Ankündigung Bayerns kritisiert, die Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen vorerst nicht umzusetzen. "Laxe Vollzugsregeln der einrichtungsbezogenen Impfpflicht können nicht nur das Leben der älteren Menschen mit schwachem Immunsystem gefährden", sagte der SPD-Politiker am Montag. "Dazu gefährden sie auch die Glaubwürdigkeit von Politik." Es gehe um den Schutz von Patienten und Heimbewohnern. "Auch die bayerische Landesregierung sollte das beschlossene Gesetz ernst nehmen", mahnte Lauterbach.

Söder kündigte auch weitere Lockerungen für Sport- und Kultur, für körpernahe Dienstleistungen wie Friseure und für die Gastronomie an. Beschlüsse dazu könnten bereits am Dienstag im Kabinett fallen. Er erwarte keine Gegenwehr des Koalitionspartners Freie Wähler, sagte Söder. Dieser habe sich bisher nie gegen Lockerungen gestellt.

Lockerungen in Bayern

"Wir haben nur ein Drittel der Belegung der Intensivbetten wie wir vergleichbar bei der vierten Welle von Delta hatten", sagte Söder am Montag im Morgenmagazin des ZDF. "Und das ist doch das Entscheidende." Einschränkungen seien dann richtig, wenn das Gesundheitssystem extrem belastet werde. "Dies ist derzeit aber bei Omikron nicht der Fall."

Söders Vorschlägen zufolge soll die gegenwärtig ab 22.00 Uhr geltende Sperrstunde für die Gastronomie aufgehoben werden. In Lokalen, in denen Speisen angeboten werden, können Gäste damit wieder länger sitzen. Applaus für die Ankündigung kam umgehend vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga).

Bei Sportveranstaltungen soll wieder eine Zuschauer-Auslastung von bis zu 50 Prozent erlaubt werden; in Stadien und bei großen Sportveranstaltungen liegt die Grenze aktuell bei 25 Prozent. Zudem soll laut Söder dann eine maximale Obergrenze von 15 000 Zuschauern gelten, aktuell sind es 10 000.

Bei Kulturveranstaltungen soll erneut eine Auslastung von bis zu 75 Prozent möglich werden, aktuell sind es höchstens 50 Prozent. In beiden Bereichen soll es aber bei der 2G-plus-Regel und FFP2-Maskenpflicht bleiben.

Zahl der Intensiv-Patienten trotz steigender Inzidenz stabil

Körpernahe Dienstleistungen wie Friseure oder Nagelstudios sollen in Bayern künftig auch wieder für Besucher mit einem negativen Corona-Test möglich sein. Es soll hier wieder die 3G-Regel gelten. Damit dürften auch Ungeimpfte oder Personen, die keinen Genesenen-Nachweis haben, erneut die Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Aktuell gilt hier noch die 2G-Regel.

Söder hatte sich bereits am Wochenende für Lockerungen stark gemacht. "Der konsequente Einsatz von FFP2-Masken erlaubt die Rücknahme von Kontaktbeschränkungen", schrieb er am Sonntag auf Facebook. "Dazu muss der Bund einen Stufenplan vorlegen." Voraussetzung sei, dass die Kliniken nicht überlastet würden.

"Wenn wir uns sicher sein können, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird, dürfen Freiheitsrechte nicht mehr wie in anderen Phasen der Pandemie zurückstehen. Die Menschen haben ein Recht darauf, dass wir schon jetzt Perspektiven für Erleichterungen entwickeln", betonte der Regierungschef. In Bayern betrug die Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen am Montag 332. Damit ist sie trotz steigender Inzidenzen seit längerer Zeit praktisch stabil. Allerdings hatte Bayern im Herbst Intensivpatienten ausfliegen müssen, nachdem in der Delta-Welle mit ähnlicher Argumentation gelockert worden war.

Die Maßnahmen der Delta-Welle seien aber auf Omikron nicht 1:1 übertragbar, sagte Söder. Auf Twitter schrieb er weiter, es brauche bei Omikron eine kluge Politik "mit Vorsicht und Hoffnung". Bei Kultur, Sport und Handel sollten weitere Öffnungsschritte angegangen werden, wenn die Krankenhaus-Zahlen stabil blieben. "Nach zwei Jahren mit #Corona wünschen wir uns alle Hoffnung: Wir können in der #Omikron-Wand eine Tür öffnen und vielleicht den Weg von der Pandemie in die Endemie gehen."
(dpa)

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