Politik

01.08.2024

Soll das EU-Verbrennerverbot ab 2035 gekippt werden?

Die wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will das Verbrennerverbot prüfen lassen. Das findet Tobias Beck, verkehrspolitischer Sprecher der Freie-Wähler-Landtagsfraktion, gut. Saskia Reinbeck, Mobilitäts-Expertin von Greenpeace Bayern, hält dagegen.

JA

Tobias Beck, verkehrspolitischer Sprecher der Freie-Wähler-Landtagsfraktion

Das geplante Verbrennerverbot ab 2035 ist zwar gut gemeint, aber zu kurz gedacht. Denn es basiert auf fragwürdigen Annahmen: Angeblich seien Verbrenner klimaschädlicher als alternative Antriebe. Ein mit synthetischem HVO100-Diesel betankter Verbrenner ist jedoch wesentlich sauberer unterwegs als ein mit Braunkohlestrom angetriebenes E-Auto.

Die als Wunderwaffe angepriesene Elektromobilität ist bisher für viele Einsatzzwecke ungeeignet. Für Außendienstler, die auf dem Weg zu ihren Kunden täglich mehrere Hundert Kilometer fahren müssen, sind die Reichweiten und Ladezeiten ein Hemmschuh. Handwerksbetriebe, die regelmäßig mit Anhänger unterwegs sind, finden nur schwer passende Fahrzeuge.

Wer ein E-Auto fährt, muss bei Unfallschäden mit hohen Reparaturkosten rechnen und kann das Gebrauchtfahrzeug nur schwer verkaufen. Die Nachfrage der Autokäufer spiegelt das wider: Seit die Ampel-Regierung die Kaufprämie für Elektroautos gestrichen hat, ist der Absatz bundesweit deutlich eingebrochen, während die Verkäufe von Verbrennern im ersten Halbjahr 2024 zugelegt haben.

Das Verbrennerverbot ist zudem ein Risiko für den Wirtschaftsstandort Bayern: Über 350 000 Arbeitsplätze hängen im Freistaat an der Automobilindustrie. Solang Autos mit Verbrennungsmotor weltweit gefragt sind, kommt ein erzwungener Technologieausstieg unserer Industrie einer Vernichtung von Wohlstand und Arbeitsplätzen gleich.

Statt Verboten braucht es für eine klimafreundliche Mobilität konsequente Technologieoffenheit. Insbesondere für Nutzfahrzeuge bietet Wasserstoff großes Potenzial. Daher gilt es, die heimische Erzeugung und den Import von grünem Wasserstoff voranzubringen.

Ungeachtet ihrer Nachteile ist auch die Elektromobilität von großer Bedeutung. Der vom Freistaat mit Millionenbeträgen geförderte Ausbau der Ladeinfrastruktur muss daher weitergehen – vor allem aber muss das EU-Verbrennerverbot gekippt werden.

NEIN

Saskia Reinbeck, Mobilitäts-Expertin von Greenpeace Bayern

Wer das EU-weite Aus neuer fossiler Verbrenner kippen will, schadet unserer Gesundheit, der Umwelt und der Wirtschaft. Dieser Beschluss ist ein hart errungener Kompromiss, der nach langer Blockade des Bundesverkehrsministers ausgehandelt wurde. Oft missverstanden: Das Gesetz beendet ab 2035 nur den Verkauf neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge. Kauf und Nutzung gebrauchter Verbrenner bleiben erlaubt. Ziel ist es, dann keine neuen Diesel und Benziner mehr auf den Markt zu bringen, um den Anteil klimaschädlicher Verbrenner auf den Straßen allmählich zu reduzieren.

Die Folge davon werden wir alle spüren: saubere Luft ohne giftige Abgase und Feinstaub. Heute sterben jährlich rund 13 000 Deutsche durch Verkehrsabgase. Wenn der Anteil der Verbrenner sinkt, werden vor allem Ältere, Kinder, Kranke, Stadtbewohner und Anwohner stark befahrener Straßen die Verbesserung schnell bemerken. Endlich gefahrlos durchatmen! Auch die Lärmbelastung wird deutlich abnehmen.

Ein konkretes Datum zu setzen, ist gerade für Deutschland sehr wichtig. Ohne klare Frist bewegen sich Politik und Autoindustrie nicht. Die Geschichte des Autos und des Internets zeigt: Entwicklung passiert sowieso. Die Frage ist, ob wir sie mitgestalten oder ob sie uns überrollt. Fortschritt erfordert Mut und Ehrlichkeit. Ständige Richtungswechsel, wie Markus Söder sie beim Thema Verbrenner vollzieht, führen zu Stillstand und Verunsicherung.

E-Fuels sind eine Verzögerungstaktik. Nachfrage und Angebot passen nicht zusammen, da es absehbar zu wenig dieser Kraftstoffe geben wird. Ein Beispiel: Die weltweit verfügbare Menge an E-Fuels reicht 2035 nicht annähernd für den Bedarf in Chemie, Schifffahrt und Luftfahrt – Bereiche, die keine Alternative zu E-Fuels haben. Daher – und weil sie energieintensiv in der Herstellung sind – werden sie sehr teuer. Experten schätzen den Literpreis auf 2,80 Euro im Jahr 2030. Erneuerbare Energien werden hingegen immer günstiger.

 

Kommentare (1)

  1. Rudi Seibt am 02.08.2024
    Die Fakten der Statistik sprechen für Greenpeace und gegen die Fantasie der sog. Freien Wähler.
    Weiterhin ineffektive Verbrenner mit einem eta von 20-25% zu betreiben ist mehr als Dummheit.
    HVO, also altes Frittenfett, das mit viel Energie zu Kraftstoff konvertiert wird, gibt es natürlich im Bereich 100.000 Tonnen im Bundesgebiet (Bericht BR5) und somit 14.000 to in Bayern (über die Bevölkerungsanteile gerechnet). Regionalität ist ja auch hier wichtig . Wieviel Diesel wird in Bayern verbraucht? 7,2 Mio to (gerechnet aus der Bundestatistik ü+ber den Bevölkerungsanteil). Nehmen wir an Frittenfett wird zu 100% zu HVO, können damit also bestenfalls 0,02% des Dieselbedarfs gedeckt werden. Lächerlich, für solche Peanuts solche Aufregung zu veranstalten. Die Fw-HVO-Argumente sind also eine echte Geisterdebatte. Gott schütze uns vor solchen Geistern.
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