Politik

17.05.2023

Soll der Abschuss von Wölfen europaweit erleichtert werden?

Seit 1. Mai gilt in Bayern eine Wolfsverordnung, die den Abschuss der Tiere erleichtert. Doch womöglich stehen dem nationales und EU-Recht entgegen. Der Bund Naturschutz (BN) hat deswegen auch schon geklagt. Günther Felßner, Chef des Bayerischen Bauernverbands, plädiert für eine Anpassung des EU-Rechts, um den strengen Schutzstatus zu senken. Richard Mergner, Landesvorsitzender des BN, ist strikt dagegen

JA

Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands

Großraubtiere stellen unsere Weidetierhaltung und Kulturlandschaft vor eine historische Ausnahmesituation. Deshalb dürfen Entnahmen kein Tabu sein. Der Verlust an vertrauter Sicherheit auf dem Lande und die zunehmende Angst und emotionale Belastung der bäuerlichen Familien kann durch Entschädigungszahlungen für grausam gerissene Weidetiere nicht geheilt werden. Die in Bayern möglichen Maßnahmen zum Herdenschutz müssen voll ausgeschöpft werden. Dazu gehört auch, eine schnelle und unbürokratische Entnahme durch ein entsprechendes Bestandsmanagement von Wölfen zu ermöglichen.

Neben allen möglichen Herdenschutzmaßnahmen muss es oberstes Ziel sein, die natürliche Scheu der Wölfe zu erhalten. Dazu ist es dringend notwendig, den Erhaltungszustand der Wolfspopulation im gesamten europäischen Raum erneut festzustellen und den Schutzstatus anzupassen. Mit Erleichterung habe ich daher den Vorstoß auf europäischer Ebene verfolgt, die europäische Wolfsstrategie neu zu ordnen.

Das Entschließungspapier hat zumindest dafür gesorgt, dass es der Mehrheit der Parlamentarier*innen um den Schutz der Nutztiere vor Wölfen und anderen Großraubtieren wie zum Beispiel dem Bären geht. Ein klares, dennoch leider nur ein erstes Signal, dass sich die EU-Kommission mit diesem Thema befassen muss.

Der Wolf ist dank der sehr starken Schutzmaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte nicht mehr vom Aussterben bedroht. Eine Änderung des Rechtsrahmens und des damit einhergehenden Schutzrahmens bezogen auf die Anhangszuordnung muss fallen.
Unsere Weidetierhalter benötigen dringend den Wechsel des Schutzstatus innerhalb der Fauna-Flora-Habitats-Richtlinie. Die neuerliche Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip Maßnahmen ergreifen können, die von den Bestimmungen der Richtlinie abweichen, halte ich für sehr gut und dennoch ausbaufähig. 
 

NEIN

Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz Bayern

Zu einem funktionierenden Wolfsmanagement gehören Abschüsse dazu. Wölfe, die ordnungsgemäßen Herdenschutz überwunden haben oder bei denen sich eine von Wolfsexperten bestätigte Verhaltensauffälligkeit zeigt, müssen entnommen werden. Denn Herdenschutz wirkt zwar sehr gut – das haben sehr viele Untersuchungen belegt –, aber er hat seine Grenzen. In der Resolution des EU-Parlaments wird gefordert, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken, um ihn regulieren oder bejagen zu können.

Der Applaus ist den Parlamentarier*innen sicher. Die tun was für die Weidetierhalter! Tun sie das wirklich? Schauen wir nach Frankreich. Hier werden jährlich fast 20 Prozent der Wolfspopulation geschossen – in 2022 über 160 Wölfe. Die Auswirkung auf die Anzahl der Risse ist gleich null. Auch aus anderen europäischen Ländern mit Bejagung gibt es keine uns bekannten Belege, dass die Anzahl der Risse gesenkt wird. Pro Kopf tötet ein Wolf in Norwegen etwa 40-mal so viele Schafe wie in Schweden. In beiden Ländern wird auf Wölfe mit einer Quote geschossen. Der Unterschied: Die schwedischen Schafe werden meist hinter Elektrozäunen gehalten, während norwegische Schafe frei und ungeschützt weiden.

Und wie gehen wir mit den Weideflächen in den bayerischen Alpen um, auf denen Herdenschutz nicht zumutbar, weil zu aufwendig ist? Hier hat der Bund Naturschutz eine klare Position: Eine Entnahme kann nach einem Riss auf solch einer Weidefläche notwendig und hilfreich sein, um kurz- bis mittelfristig weitere Risse im betroffenen Gebiet zu reduzieren.

Die Kriterien für die Nichtschützbarkeit müssen aber von der Staatsregierung überarbeitet und deutlich eingegrenzt werden. Den alleinigen Fokus auf die Absenkung des Schutzstatus halten wir für gefährlich: Das suggeriert den Tierhaltern, ihre Weidetiere ließen sich (nur) mit dem Gewehr – ohne Herdenschutz – schützen.
 

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