Politik

07.02.2019

Soll der Arbeitgeber das Tragen von Kopftüchern am Arbeitsplatz verbieten dürfen?

Ja, findet Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern. Auf keinen Fall, sagt Mohamed Abu El-Qomsan, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Bayern

JA

Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern

Es geht beim Kopftuchverbot nicht um die Diskriminierung einer bestimmten Religion. Es geht vielmehr um das Recht jedes Unternehmens, seinen Kunden zu zeigen, dass es in allen Fragen der Religion und Weltanschauung vollkommen neutral ist. Wenn Einzelhändler ihrem Personal das Tragen islamischer Kopftücher untersagen, dann nicht, weil sich vielleicht einzelne Kunden an einem Kopftuch stören könnten, sondern weil ihnen ein neutrales Erscheinungsbild wichtig ist.

Kein Unternehmer im bayerischen Einzelhandel will die Anhänger einer bestimmten Weltanschauung in der Ausübung und dem Bekenntnis zu ihrer Religion einschränken. Aber jeder Arbeitgeber muss im Rahmen seines Weisungsrechts trotz der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit selbst entscheiden dürfen, ob er das Tragen von Kopftüchern oder anderen religiösen Zeichen untersagt. Dies sieht auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg so. Bereits 2017 stellte er in einer Entscheidung unmissverständlich klar, dass ein Arbeitgeber sehr wohl das Tragen eines Kopftuchs verbieten kann, wenn in dem Unternehmen weltanschauliche Zeichen generell verboten sind und es gute Gründe gibt. Danach ist es keine unmittelbare Diskriminierung, wenn es unternehmensinterne Regelungen gibt, die das sichtbare Tragen von politischen, philosophischen oder religiösen Zeichen verbieten.

Für die meisten Einzelhandelsunternehmen ist es überhaupt kein Problem, wenn zum Beispiel muslimische Mitarbeiterinnen bei der Arbeit im Geschäft ein Kopftuch tragen. Der bayerische Einzelhandel beschäftigt viele Menschen aus verschiedenen Nationen mit vielfältigen Kulturen, Religionen und Traditionen. Der Selbstbestimmung der Mitarbeiter steht aber das Weisungsrecht des Arbeitgebers gegenüber. Deshalb sollte jeder Arbeitgeber selbst verantwortungsvoll entscheiden dürfen, ob eine Kleiderordnung im jeweiligen Betrieb notwendig ist oder nicht.

NEIN

Mohamed Abu El-Qomsan, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Bayern

Die Frage, ob ein Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz verbieten dürfen soll, ist klar mit einem Nein zu beantworten. Weder der Arbeitgeber oder Staat noch der Ehemann oder sonstige Dritte dürfen darüber entscheiden. Es ist die individuelle Entscheidung der einzelnen Muslimin. Das ist nicht nur unsere theologische Position, sondern sollte auch die einer freiheitlichen Gesellschaft sein. Ein solches Verbot eines Arbeitgebers wäre auch verfassungswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unlängst entschieden hat.

Unabhängig davon sollte jedes Unternehmen kulturelle, religiöse und weltanschauliche Vielfalt am Arbeitsplatz als Bereicherung begreifen, denn auch Frauen mit Kopftuch bringen neben ihren vielfältigen fachlichen Kompetenzen etwa interkulturelle Kompetenzen und zusätzliche Sprachen mit, die Arbeitgeber im wahrsten Sinne des Wortes „gewinnbringend“ einsetzen sollten, statt sich hinter einer aufgesetzten Verbotskultur zu verstecken.

Im Übrigen gilt doch in Zeiten des Fachkräftemangels und im Wettbewerb um die besten Köpfe: Wichtig ist, was im Kopf, und nicht, was auf dem Kopf ist! Frauen mit Kopftuch sind in allen Bereichen der Arbeitswelt vertreten: Sie sind Chirurginnen, Verkäuferinnen, Professorinnen, Rechtsanwältinnen, Lehrerinnen, Erzieherinnen, Handwerkerinnen, Akademikerinnen, Unternehmerinnen et cetera. Sie stellen täglich ihr Können und Fachwissen unter Beweis.

Es ist also keine Frage des Kopftuchs oder der oft vorgeschobenen „Neutralität“, sondern eine Frage der Selbstbestimmung von Frauen und Akzeptanz sowie eine Frage der Anerkennung der Realität, Frauen mit Kopftuch in der Arbeitswelt zu begegnen. Die Selbstbestimmung von Frauen und diese Realität einer vielfältigen Gesellschaft gilt es, gegen den Teil der ewiggestrigen Arbeitgeber und deren Versuchen der Bevormundung von Musliminnen zu verteidigen.

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