Politik

30.11.2023

Soll der Doppelpass bei schweren Straftaten entzogen werden können?

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert eine Grundgesetzänderung, damit Straftäter*innen mit zwei Staatsangehörigkeiten in bestimmten Fällen der deutsche Pass entzogen werden kann. Hanna Wanke, Spitzenkandidatin der bayerischen Linken zur Europawahl, ist dagegen – und beruft sich dabei auf das Grundgesetz sowie die Charta der Grundrechte der EU

JA

Joachim Herrmann (CSU), Bayerns Innenminister

Ganz klar ja! Migranten, die auch einen deutschen Pass haben, müssen sich eindeutig zu Deutschland sowie zu seinen Werten und Gesetzen bekennen. Antisemitismus und das Bestreiten des Existenzrechts Israels sind damit absolut unvereinbar. Bereits schon jetzt werden in einigen Teilen Deutschlands (außerhalb Bayerns) sich abschottende Parallelgesellschaften ein zunehmendes Problem.

Die von der Bundesregierung geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mit erleichterten Einbürgerungen durch Verzicht auf Einbürgerungsvoraussetzungen dürfte das weiter verschärfen, besonders auch, weil Doppelstaatsbürgerschaften zur Regel werden sollen.

Die Reform ist bereits für das erste Halbjahr 2024 geplant. Die Bundesregierung muss sich deshalb schleunigst auch damit beschäftigen, wie Straftätern mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt werden kann, wenn sie in schwerwiegender Weise wesentliche Interessen unseres Gemeinwesens beeinträchtigen. Dafür ist eine Grundgesetzänderung erforderlich.

Es ist nicht vermittelbar, wenn Doppelstaatlern die einmal erworbene deutsche Staatsangehörigkeit auf Lebenszeit garantiert ist, unabhängig davon, wie sehr sie durch schwere Straftaten unser Gemeinwesen schädigen. Wer als Doppelstaatler beispielsweise schwere antisemitische Gewalttaten oder andere schwere Straftaten wie Mord oder Vergewaltigung verübt, soll sich nicht mehr auf die Privilegien der deutschen Staatsbürgerschaft berufen können. Er soll nach Verbüßung seiner Strafe in sein Herkunftsland zurückgeführt werden können, wenn sein weiterer Aufenthalt die Interessen unseres Gemeinwesens schwer beeinträchtigt.

Das hat zwei wichtige Effekte: Einerseits verhindern wir mögliche weitere schwere Straftaten in Deutschland. Andererseits ist das ein deutliches Signal an andere, dass man sich als Doppelstaatler in Deutschland nicht alles erlauben darf.

NEIN

Hanna Wanke, Spitzenkandidatin der bayerischen Linken zur Europawahl

Der Artikel 3 des Grundgesetzes ist eindeutig: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Dieser Grundsatz ginge verloren, wenn Menschen mit zwei Pässen anders bestraft würden als Menschen, die nur deutsche Staatsbürger*innen sind. Allein schon deshalb halte ich diesen Vorschlag für völlig abwegig. Es werden mit dieser Forderung die Ressentiments gegen Flüchtlinge und Asylbewerber*innen weiter geschürt.

Eine Differenzierung zwischen Menschen, die nur die deutsche Staatsbürgerschaft haben (entweder qua Geburt oder weil bei der Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft die ursprüngliche Staatsbürgerschaft nicht behalten werden durfte, was zum Beispiel so bei den Nationalitäten von Österreich und der Niederlande der Fall ist), und Menschen mit zwei Staatsangehörigkeiten ist aufgrund des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes verfassungswidrig.

Wer in der Bundesrepublik Deutschland eine Straftat begeht, muss nach dem Tatortprinzip in Deutschland bestraft werden. Wer hier bestraft wurde, für den oder die muss auch in Deutschland – wie für alle Straftäter*innen – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Anspruch auf Resozialisierung (gemäß Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) gelten. Der zusätzliche Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit kommt einer Doppelbestrafung gleich.

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält zu Recht in Artikel 50 ein Verbot von Doppelbestrafungen. Der Vorschlag des bayerischen Innenministers zeigt vor allem eines: Für Joachim Herrmann sind nicht alle Menschen gleich.

Die Unterscheidung in Menschen mit Doppelpass und Menschen ohne Doppelpass ist ein Angriff auf die Grundsätze der Europäischen Union und ein weiterer populistischer Vorstoß, ganz im Sinne der AfD. 
 

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