Politik

03.08.2023

Soll es verpflichtende Deutsch-Sprachtests vor der Einschulung geben?

Die CSU will in Bayern ab dem Schuljahr 2024/25 verpflichtende Deutsch-Sprachtests vor der Einschulung einführen. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, ist dafür. Dagegen spricht sich Tobias Gotthardt, der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion der Freien Wähler, aus

JA

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands

Aktuell sehen wir bei vielen Leistungsvergleichen, dass es einen Anteil von Schülerinnen und Schülern gibt, die die Mindestanforderungen beim Lesen, Schreiben und Rechnen nicht erreichen. Die Ursachen dafür sind vielfältig – umso wichtiger ist es, sicherzustellen, dass fehlende Sprachkenntnisse nicht zusätzlich dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche einen schwierigen Start auf ihrem Bildungsweg haben. Je jünger Kinder sind, wenn sie bei Problemen jeder Art Sprachförderung erhalten, umso besser. 

Deutsch ist der Schlüssel für den Erfolg in Schule und Beruf. Nur durch eine gezielte Sprachförderung kann Kindern mit Defiziten in der Beherrschung des Deutschen als Alltags- und Bildungssprache der Weg ins Leben geebnet werden. Für eine erfolgreiche Integrationspolitik braucht es daher Sprachstandstests, wie das Beispiel Hamburg zeigt. In Flächenländern wie Bayern zeigen gerade Kinder in den Städten und Ballungsräumen vielfach einen großen Sprachförderbedarf. 

Schon im vorschulischen Bereich der frühkindlichen Erziehung braucht es deshalb die erforderlichen Ressourcen und die richtigen Konzepte. Es sind größere Anstrengungen erforderlich, um sicherzustellen, dass Kinder bei der Einschulung in der Lage sind, dem Unterricht auch sprachlich zu folgen. Dazu fordert der Deutsche Lehrerverband verpflichtende vorschulische Sprachstandserhebungen und bei festgestellten Sprachdefiziten eine verpflichtende vorschulische Förderung. 

Dabei setzen wir in Erweiterung traditioneller Sprachförderprogramme auf eine alltagsintegrierte Sprachbildung, die durch Impulsförderung den Erwerb eines Grundwortschatzes bestmöglich unterstützt und garantiert. Wesentlich dabei ist auch die Expertise des pädagogischen Personals an den Kindertagesstätten, die mit der Durchführung der Tests und der weiteren Fördermaßnahmen befasst sein werden. Sicherlich benötigen nicht alle Kinder eine zusätzliche Sprachförderung, aber viele. Und es werden zunehmend mehr. 
 

NEIN

Tobias Gotthardt, bildungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Freien Wähler

Die CSU will – wenige Wochen vor der Wahl – verpflichtende Sprachtests im Kindergartenalter und ein verpflichtendes Vorschuljahr für alle, die nicht gut Deutsch sprechen. Ein Vorschlag, der 2020 fast wortgleich von Carsten Linnemann und der CDU kam – auch damals kurz vor einer Wahl, auch damals schon nicht neu. Interessant: Umgesetzt hat einen verpflichtenden Sprachtest bundesweit bislang nur der Stadtstaat Hamburg mit rund 260 000 Schülern.

Genau hier beginnt mein „Nein“ – verkürzt auf einen Parteitagsbeschluss macht die Forderung für mich wenig Sinn. Unbeantwortet bleibt die Frage nach der Umsetzung in Bayern, wo die Zahl der Einschulkinder, die sich einem Test zu unterziehen hätten, jene in Hamburg um ein Vielfaches übersteigt. Unbeantwortet bleibt die Frage nach der Folge: Was, wenn mein Kind zu wenig Deutsch spricht? Was, wenn mein Kind aus Prüfungsangst im Sprachtest versagt? Schluss mit Schule? Auch wenn der Innenminister noch Details zu klären hat: Sinn und Zweck der Sprachtestpflicht im Kindergarten bleiben fraglich.

Sind es nicht vielmehr unsere Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen, die die Sprachkompetenz unserer Kinder erleben und einschätzen können? Macht es nicht Sinn, wie bisher schon, den Einzelfall zu betrachten – vielleicht intensiver als früher? Macht es nicht Sinn, den Kindergarten grundsätzlich noch mehr als Ort der spielerischen Bildung in die Bildungs-Vita unserer Kinder einzubauen, an die Schule zu binden?

Ich bin überzeugt: Wir müssen Sprechen, Lesen, Rechnen und Schreiben als Schlüsselkompetenzen noch konsequenter in Vor- und Grundschule vermitteln. Wir müssen und können unsere Kinder dabei fordern – wenn wir sie fördern. Genau das will ich in den kommenden Monaten, gern auch nach der Wahl, fachlich tief und ehrlich ruhig diskutieren. Dann werden Eltern, Lehrkräfte und Kinder das politische Anliegen dahinter auch besser verstehen.
 

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