Politik

11.04.2019

Soll für Kinder eine Impfpflicht eingeführt werden?

34 Masernfälle gab es seit Jahresbeginn in Bayern - die Diskussion um eine Impfpflicht ist wieder voll entbrannt. Der Arzt und FDP-Mann Dominik Spitzer nennt sie die "logische Konsequenz". Der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe dagegen sagt: "nicht nötig und nicht wirksam"

JA

Dominik Spitzer, Allgemeinarzt aus Kempten und FDP-Landtagsabgeordneter

In der Debatte um eine Impfpflicht steht für mich als Liberaler der Begriff der Verantwortung im Vordergrund. Es geht um eine gesellschaftliche Fürsorgepflicht, die wir gegenüber denjenigen haben, die Infektionskrankheiten ausgeliefert sind, weil sie (noch) keinen Impfschutz besitzen. Dazu gehören besonders schutzbedürftige Gruppen wie zum Beispiel Schwangere, Säuglinge sowie Menschen, die sich aufgrund einer Krankheit nicht immunisieren lassen können.

Kinder sind in besonderem Maße davon abhängig, wie ihre Eltern zur Impfung stehen. Wollen Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen, profitiert der Nachwuchs davon, dass die große Mehrheit immunisiert ist. Wer seine Kinder also nicht impfen lässt, verhält sich verantwortungslos. Schwere Infektionskrankheiten wie Pocken und Polio (Kinderlähmung) sind in Deutschland durch intensive Impfbemühungen ausgerottet worden. Heute muss zum Glück kaum eine Mutter oder ein Vater den Verlauf einer Keuchhusten- oder Masernerkrankung miterleben, was zuletzt jedoch durch eine zunehmende Impfmüdigkeit gefährdet wird.

Eine Impfquote von mindestens 95 Prozent etwa bei der zweiten Masernimpfung, mit der ein sogenannter Herdenschutz und damit eine Ausrottung dieser Krankheiten möglich wäre, ist noch immer nicht erreicht. Dem Robert-Koch-Institut zufolge liegt sie trotz deutlicher Anstiege weit unter diesem Wert. Das sagt mir, dass alle Bemühungen der vergangenen Jahre, durch Aufklärung eine genügende Durchimpfungsrate zu erzielen, nicht zum erwarteten Erfolg geführt haben. 2015 wurden sogar ärztliche Impfberatungsgespräche vor dem ersten Kita-Besuch Pflicht.

Um künftige Epidemien zu verhindern und damit womöglich Menschenleben zu retten, ist eine Impfpflicht für Kinder die letzte, jedoch logische Konsequenz. Eine Lösung ohne Zwang wäre mir allerdings lieber, deshalb mein Appell als Politiker und Hausarzt: Lassen Sie sich und Ihre Kinder impfen!

NEIN

Steffen Rabe, Kinderarzt und Homöopath in München

Die Zahlen sind eindeutig: 97 Prozent der Eltern in Deutschland lassen ihre Kinder freiwillig mindestens einmal gegen Masern impfen. Diese Zahl ist seit Jahren konstant und widerlegt jede Behauptung von Impfmüdigkeit oder sinkender Impfbereitschaft. Mehr noch: Damit liegt die Durchimpfungsrate für Masern in Deutschland deutlich und seit Jahren über der in anderen Ländern Europas, die eine Masernimpfpflicht schon seit vielen Jahren eingeführt haben. Die Effektivität einer Impfpflicht ist damit mehr als fraglich.

Auch ihre Notwendigkeit steht infrage: Die viel behauptete „Zunahme der Masern“ ist nach den Zahlen des Robert Koch-Instituts in Deutschland definitiv „fake news“.

Impfungen verletzen immer das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Menschen. Diese ist, neben dem elterlichen Pflegeauftrag für die eigenen Kinder, durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als Grundrecht geschützt. Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sieht keine rechtliche Grundlage für eine generelle Masernimpfpflicht in Deutschland, ausdrücklich wegen ihres viel geringeren Komplikationsrisikos verglichen etwa mit den Pocken. Die Rechtmäßigkeit einer Impfpflicht ist daher ebenfalls mehr als zweifelhaft.

Eine Impfpflicht könnte den Widerstand gegen Schutzimpfungen erhöhen. Diese Einschätzung untermauern wissenschaftliche Studien, und sie wird von allen wirklichen Fachleuten zu diesem Thema geteilt, unter anderem vom derzeitigen Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission, Prof. Dr. Thomas Mertens, seinem Vorgänger, Dr. Jan Leidel sowie dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Prof. Dr. Lothar Wieler. Damit könnte eine Impfpflicht die Impfquoten in Deutschland letztendlich sogar verschlechtern.

Damit wäre eine Masernimpfpflicht: nicht nötig, nicht wirksam, sie wäre rechtlich fragwürdig und vielleicht sogar kontraproduktiv – keine überzeugende Bilanz für einen so tiefen Eingriff in zentrale Grundrechte...

Kommentare (8)

  1. Anna Krause am 08.05.2019
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die Debatte um die Impfpflicht macht auch vor meiner Tür nicht halt. Was ich unter anderem als problematisch erachte, ist vor allem der Umstand, dass die Masernimpfung momentan in Europa für Kinder nur als Kombinationsimpfung Masern-Mumps -Röteln auf dem Markt ist. Ich selbst arbeite in der Biochemie, und es steht außer Frage, dass eine Mischung, wenn auch abgeschwächter Viren, durch möglichen Austausch von genetischem Material ein hohes Risiko für Veränderungen in den Viruseigenschaften aufweist. Da es sich beim MMR Impfstoff um Lebendviren handelt, kann es zu neuen Erkrankungen kommen, die uns gänzlich unbekannt sind. Aus diesem Grund halte ich eine Mischung von Lebendviren in einer Impfung für Kinder höchst verantwortungslos. Die Kinder werden einem Cocktail ausgesetzt, der in seiner Reaktionsfreude nicht zu steuern ist. Wird etwa durch eines der Impfviren eine Immunsuppression erzeugt, kann es durch die andren Impfviren zu einer schleichenden Infektion kommen. Bei Enzephalitiskranken fand sich das Impfvirus noch monatelang nach der Impfung in einer Gewebeprobe des Gehirns. Bei autistischen Kindern gelang der Nachweis von Masernimpfviren in weißen Blutkörperchen, in der Darmschleimhaut und im Gehirnwasser. Die Nebenwirkungen, die durch diese Impfung gegeben sind, stehen meiner Ansicht nach in keiner Relation zur Erkrankung selbst. Nach durchgemachten Masern hat jeder Mensch einen lebenslangen Immunschutz, dem ihm keiner mehr nehmen kann. Was zudem außer Frage steht, ist natürlich das hohe Infektionsrisiko der weltweiten Impfprogramme durch unsterile Injektionen, was natürlich in diesen vor allem armen Ländern ein hohes Risiko von Krankheitsübertragung birgt. Dieses Problem besteht natürlich in Europa nicht. Ich möchte damit nur sagen, bevor hier bei uns über eine Impfpflicht gestritten wird, obwohl 90 Prozent der Kinder ohnehin geimpft werden, wäre es klüger, in vielen Teilen der Welt die hygienischen Zustände und die Ernährungslage zu verbessern. Hierfür sollte Geld ausgegeben werden. Ich kann nur eines raten: Lassen Sie sich vor der Impfung den Beipackzettel mitgeben und studieren Sie ihn zu Hause. Ein Impfzwang ist aus meiner Sicht höchst unverantwortlich!
  2. Tissot am 06.05.2019
    Impfpflicht verletzt den Artikel 2 des Grundgesetzes auf körperliche Unversehrtheit. In all meinen Jahren in der Immunologie und im Unfallkrankenhaus kann ich gesichert behaupten, dass die schwerwiegendsten und häufigsten Enzephalitiden die ich zu Gesicht bekam die des Herpes simplex Virus 1 (Lippenbläschenerreger) waren - nicht die der Masern, da lässt sich kein Fall erinnern. Es gibt Millionen von Erregern gegen die es keinen Impfstoff gibt. Menschen mit schwachem Immunsystem bekommen statt der Masernenzephalitis dann eben die von Herpes verursachte. Impfschäden gibt es deshalb so wenige, weil nur das was sich direkt nach der Impfung zeigt in langjährigen Verfahren anerkannt wird. ADHS und ADS sind aber im unmittelbaren Verdacht durch Schwermetalle, wie sie auch in den Impfstoffen zur Aktivierung mit verimpft werden, ausgelöst zu werden. Interessanterweise sind Impfkritiker gerade in der akademischen, aufgeklärten Bevölkerungsgruppe zu finden, also denjenigen, welche sich tatsächlich tiefer mit der Materie befassen. Die erforderliche Quote zu erreichen damit die Masern ausgerottet werden ist allein dadurch möglich, dass die Befürworter der Impfung auch konsequent bis zur bestehenden Immunisierung geimpft werden. Dies ist mit dem Modell der Widerspruchslösung möglich und lässt damit diejenigen außen vor welche sich wirklich mit der Materie befasst haben und zu dem Entschluss des "nicht impfens" gekommen sind. Zudem wird der Rest der Bevölkerung durch die erhöhte Impfquote geschützt und das Durchimpfungsziel erreicht. Grundsätzlich tragen die Folgen immer die Eltern mit den Kindern gemeinsam: sei es die eventuell eintretenden Folgen einer Masernerkrankung, seien es die eventuell eintretenden Impfschäden. Daher sollte die Entscheidung auch den Eltern überlassen bleiben!
  3. Linda am 13.04.2019
    Selbstverständlich braucht Bayern die Impfpflicht. Wenn individuelle Entscheidungen schwerwiegende Folgen für andere haben können, muss der Staat eingreifen. Der Herr Rabe bekommt sehr viel Platz in der Impfdebatte, was typisch für die Gruppe Impfgegner ist. Sie sind extrem laut und nutzen das Internet, um Angst zu verbreiten. Warum redet Herr Rabe über 97 Prozent als eine tolle Zahl wenn jeder weiß, dass heute zwei Spritzen gehen Masern notwendig sind? Um die 3 Prozent der Deutschen haben wohl kein Problem damit, dass ihre Kinder an Masern erkranken. Aber sie nehmen in Kauf, dass sie damit Babys ohne ausreichendem Impfschutz in Gefahr bringen. Das dürfen sie einfach nicht. Diese kleine, radikale Minderheit muss durch eine Impfpflicht aufgefangen werden - am besten nicht nur Masern, sondern die gesamte Palette an Impfungen, die heute nur empfohlen ist. Und bitte keine Schlupflöcher für private Einrichtungen. Dann sammeln sich die Impfgegner noch stärker in Waldorf- oder Waldkindergärten, was sehr gefährlich werden könnte.
  4. Eviathan am 12.04.2019
    @Urmilsch:

    1. Es geht gar nicht um die geimpften Kinder, sondern um die (noch) ungeimpften. Wenn ein Kind unter 9 Monaten (erst dann kann man gegen die Masern impfen) an den Masern erkrankt, verstirbt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:600 an SSPE. Darum geht's. Diese Kinder haben neben dem ggf. vorhandenen Nestschutz, der aber auch nicht ewig hält, nur einen Schutz: Ein geimpftes Umfeld.

    2. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Schweinegrippeimpfung und diesen Narkolepsiefällen konnte nicht hergestellt werden. Kausalität und Koinzidenz sind eben zwei paar Schuhe.

    "Ich kenne wenig Eltern die Ihre Kinder bewusst Gefahren aussetzen!"

    Ich auch nicht. Deswegen befürwortet die Bevölkerungsmehrheit eine Impfpflicht ja auch.
  5. Eviathan am 12.04.2019
    Herrn Rabe ist zu widersprechen.

    Dass die Impfquoten für die erste Masernimpfung bei ca. 97 % (Schulanfänger, 2016) liegen ist richtig. Nur bietet eine einzige Impfung eben nur mit einer Wahrscheinlichkeit von durchschnittlich 91% einen zuverlässigen Schutz vor Masern. Das ist eben zu wenig, um die Masern auszurotten, selbst wenn 100% der Bevölkerung die erste Impfung erhalten würden.

    Erst die zweite Impfung bietet mit einer Wahrscheinlichkeit von 92-99% Schutz. Darauf kommt es an, nicht auf die hier zitierte Impfquote für die erste Impfung.

    Eine Impfpflicht würde durchaus Sinn machen. Denn die meisten Menschen, die ihre Kinder nicht impfen lassen, tun dies aus Nachlässigkeit, nicht aus Ablehnung und könnten so erreicht werden. Die eigentlichen Impfgegner wird man auch mit einer Pflicht nicht erreichen können, aber auf die paar Prozent der Bevölkerung kommt es gar nicht an, sollen diese doch gerne weiter ihre Ersatzreligion pflegen, irgendwie werden sie es schon schaffen, sich der Pflicht zu entziehen, von mir aus. Sobald wir eine Impfquote von über 95% erreicht haben, kann man die Masern ausrotten und dann muss man ohnehin nicht mehr dagegen impfen. Problem erledigt, alle zufrieden.

    Zu allem anderen: Masern töten Menschen. Impfungen nicht. Mit Impfungen kann man die Masern ausrotten, sodass daran keiner mehr daran stirbt. Wie kann man da etwas gegen das Impfen haben und auch gegen eine Impfpflicht, die faktisch ja lediglich darauf abzielt, die Nachlässigen zu erreichen, die gar nichts gegen das Impfen haben, es einfach nur fahrlässigerweise und nicht vorsätzlich unterlassen?
  6. Guggsdu am 12.04.2019
    Nur zur Info:

    Anders als bei Erwachsenen ist für Kinder eine Impfung in zwei Schritten empfohlen. Die erste Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln sollte im Alter von 11-14 Monaten und die 2. Masern-Mumps-Röteln-Impfung im 2. Lebensjahr im Alter von 15-23 Monaten durchgeführt werden.

    Das bedeutet, dass Säuglinge keinen Schutz vor Masern haben, sollte die Mutter nicht stillen bzw. die stillende Mutter nicht selbst geimpft sein. Hier hat eine Übertragung der Krankheit durch nicht geimpfte Personen fatale Folgen. Und da spielt es keine Rolle, ob die Eltern sich der Gefahr bewusst sind oder nicht. Dass ist eine Katastrophe, die es zu verhindern gilt, durch Aufklärung, notfalls durch staatliche Anordnung.

    Sehr wohl sollte es Mittel zum Zweck sein, solch militanten Impfverweigerern, Einschränkungen bei der Nutzung öffentlicher Einrichtungen zur Teil werden zu lassen, um das Gefährdungspotenial für Andere zu minimieren.
  7. Natürlich am 12.04.2019
    Ja, vor allem für die neu Zugezogenen, auch Erwachsene. Es stößt auf einigermaßen Unverständnis, dass wenn ich diverse Länder bereisen möchte, erstmal Nachweise über vollzogene Impfungen erbringen muss. Jedoch Menschen aus unterschiedlichsten Krisengebieten eine Vielzahl von Infektionskrankheiten bei uns einschleppen dürfen.
  8. Urmilsch am 12.04.2019
    Ich verstehe nicht weshalb solch ein Hype um das Thema Impfen gemacht wird und aus welchen nicht erfindlichen Gründen Impfskeptiker von der Gesellschaft stigmatisiert werden. Die Eltern deren Kinder geimpft sind, haben doch gar nichts zu befürchten, wenn die Impfung Ihrer Kinder wirksam ist. Sie können Ihre Kinder doch nach wie vor ganz ohne Angst in den Kindergarten lassen, zusammen mit ungeimpften Kindern. Wenn geimpfte Kinder erkranken, dann würde ich mir eher Gedanken über die Wirksamkeit und somit auch Sinnhaftigkeit einer Impfung machen.

    Das eine Impfung nicht immer nur gesundheitliche Vorteile mit sich bringt und durchaus auch Nebenwirkungen haben kann, konnten einige Menschen der Schweinegrippeimpfung am eigenen Leib erfahren (Stichwort: Nakolepsie). Man könnte also genauso gut argumentieren, dass hier Eltern Ihre Kinder unnötigerweise einem Risiko ausgesetzt haben, an einer unerwünschten Nebenwirkung der Impfung zu erkranken. Die Eltern deren Kinder jetzt an Nakolepsie erkrankt sindwerden doch auch nicht stigmatisiert, nur weil Ihre Kinder nun erkrankten.

    Leben und leben lassen. Den einzelnen Menschen vorzuschreiben, was er mit sich und seinem Körper zu tun hat, gehört meines Erachtens ins Reich des Film und Fernsehers. Sind wir nicht schon genügend bevormundet von der Gesellschaft?

    Ich kenne wenig Eltern die Ihre Kinder bewusst Gefahren aussetzen!
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