Politik

04.01.2024

Soll man neue Kernkraftwerke bauen?

Bei einer Regierungsbeteiligung der Union nach der nächsten Bundestagswahl will CSU-Chef Markus Söder die Kernenergie in Deutschland wieder ausbauen. Martin Huber, Generalsekretär der CSU, heißt diesen Vorstoß gut. Agnes Becker, die Landesvorsitzende der ÖDP, ist strikt dagegen – und kündigt schon einmal Widerstand an

JA

Martin Huber, Generalsekretär der CSU


Der Kernkraftausstieg zur jetzigen Zeit ist einer der größten Fehler der Ampel-Regierung. Deutschland benötigt dringend die Kernenergie, um selbst grundlastfähigen, günstigen und CO2-neutralen Strom zu produzieren. Es braucht Technologieoffenheit statt blinder Ideologiepolitik: Kleinere und moderne Kernkraftwerke, die anfallenden Atommüll verarbeiten können, sind wichtige Bausteine einer klimaneutralen Zukunft. 

Als 2011 der Atomausstieg beschlossen wurde, war die Lage grundlegend anders: Russland führte keinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Gas wurde parteiübergreifend als Übergangstechnologie angesehen, der Bau neuer Gaskraftwerke sogar im Ampel-Koalitionsvertrag festgehalten. Doch anstatt nach dem Ausstieg aus dem russischen Gas moderne und sichere Atomkraftwerke wie Isar 2 noch einige Jahre länger laufen zu lassen, verstromt die Bundesregierung lieber dreckige Kohle. Deshalb ist der deutsche Strom heute der zweitdreckigste der ganzen Europäischen Union! Gleichzeitig müssen wir bei Windstille oder bewölktem Himmel grundlastfähigen Atomstrom teuer aus Nachbarländern importieren, um für genügend Energie zu sorgen.

Dieser Wahnsinn stößt weltweit auf Unverständnis. Viele führende globale Industrienationen wollen für Klimaschutz und Versorgungssicherheit bis 2050 die Kernkraft sogar verdreifachen. Die Entwicklung von Kernkraftwerken der vierten Generation ist heute weit fortgeschritten. Sie machen Atomstrom nochmals sicherer, effizienter und sauberer und erzeugen günstigen und CO2-neutralen Strom.

Wir wollen in Bayern Vorreiter bei der Forschung von zukünftigen Energiequellen sein! Etwa bei der Kernfusion, die vom Zugang zu Rohstoffen weitgehend unabhängig ist und ohne hochradioaktive Abfälle auskommt. Bald soll in Bayern das erste Demonstrationskraftwerk Deutschlands stehen. Während die Ampel sich im energiepolitischen Blindflug befindet, haben wir ein klares Ziel vor Augen: Bayern zum Pionier bei der Energieversorgung der Zukunft zu machen! 

NEIN

Agnes Becker, Landesvorsitzende der ÖDP

Die ÖDP steht augenblicklich mit einem Volksbegehren am Start, sollte Markus Söder seiner Forderung nach Neubau von Atomkraftwerken tatsächlich Taten folgen lassen. Die CSU/FW-Landtagsmehrheit könnte mit begeisterter AfD-Schützenhilfe versuchen, neue Atomkraftwerkstandorte im Landesentwicklungsprogramm zu verankern. Dagegen und gegen weitere mögliche Planungen wird sich die ÖDP mit allen Mitteln der direkten Demokratie zur Wehr setzen.

Bis zum Jahr 2000 waren in Bayern fünf zusätzliche Standorte für ein AKW reserviert: Grafenrheinfeld für ein zusätzliches, außerdem Viereth bei Bamberg, Pleinting bei Vilshofen, Pfaffenhofen an der Zusam und Marienberg bei Rosenheim. Jahrzehntelang waren die Bemühungen um Standortstreichungen erfolglos. Dann startete die ÖDP das Volksbegehren „Kein neues Atomkraftwerk in Bayern“. Die Unterschriften waren in Rekordzeit gesammelt und die CSU bekam Angst. Gerade hatte man den Volksentscheid zur Abschaffung des bayerischen Senats gegen die ÖDP verloren. Der damalige Ministerpräsident Stoiber ließ noch vor einem möglichen Volksentscheid im Frühjahr 2000 die reservierten Standorte streichen. Die Blaupause für dieses Volksbegehren haben wir in der Schublade. Und die ÖDP kann jederzeit loslegen, wenn Söder das Atomrisiko in Bayern wieder anfacht.

Fakt ist: Die Nutzung der Atomkraft ist die risikoreichste und teuerste Art, Energie zu erzeugen. Fakt ist auch, dass der Ruf nach einem Wiedereinstieg ein Offenbarungseid des energiepolitischen Versagens ist. Wo wäre Bayern heute, hätte man vor 30 Jahren mit Volldampf auf den Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt anstatt sie zu blockieren? Wo wäre Bayern heute, hätte man auf Energieeinsparung gesetzt und nicht auf die Abhängigkeit von billigem russischem Gas? Jetzt als Lösung für die selbst verschuldeten Probleme nach der Atomkraft zu schreien, ist ideologisch verbohrter Wahnsinn. Und diesen Wahnsinn wird die ÖDP verhindern. 
 

Kommentare (2)

  1. Uwe Mielke am 20.04.2024
    Ich sage JA zu Atoms4NetZero! Kernenergie ist genauso ein Teil zur Lösung der Klimakrise wie auch "Erneuerbare" Energien (Wind & Solar, u.s.w). Eine absolute Wahrheit gibt es nicht, desshalb führt der Alleinvertretungsanspruch der ach so sanften und natürlichen "Erneuerbaren" in eine ökonomisch sehr teure und unweltpolitisch fragwürdige Sackgasse. Internationale Studien zeigen: ein Energiesystem ohne 30-50% CO2-freie Grundlast wird unbezahlbar, die reinen Stromerzeugungskosten erhöhen sich bei einem Wind & Solar Anteil von 40% um ca. 5 Cent/kWh, ab 60% um 7,5...10 Cent/kWh und ab 80% um 150+ Cent/kWh (https://www.youtube.com/watch?v=zv1iz7BWVdw). Verursacht wird das durch die notwendigen Doppel-Strukturen zur Bereitstellung gesicherter Leistung ... wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint ... also: (heute in Deutschland) fossile & Erdgaskraftwerke, (zukünftig vielleicht H2-)Langzeit-Speicher & Batterien für die Solarmittagsspitze. Darüberhinaus: optimal ist Solar in Bayern und Windkraft an Küstenstandorten, aber eben nicht wirtschaftlich wenn umgekehrt. Wird allein der Materialbedarf (Stahl, Zement, Kupfer, seltene Erden ...) je erzeugter kWh (nur ungesicherte Leistung, bis zur Einspeisestelle) betrachtet, so verschwenden "Erneuerbare" ca. 5-10x mehr Material als konventionelle Kraftwerke. Die Laufzeit eines KKW ist mit 60-80 Jahren ca. 3-4x länger als die von Solarmodulen oder Windkraftanlagen, welche ca. alle 20 Jahre ersetzt werden müssen ... d.h. eine keinesfalls ökologische Materialschlacht (Bergbau & Tailings)! Schuld daran ist die geringe Energiedichte der "Erneuerbaren", denn die meiste Zeit stehen diese nur sinnlos herum und warten auf ausreichend Sonne oder Wind. Dafür ist die Bauzeit von "Erneuerbaren" deutlich schneller (einziger Vorteil!) als die konventioneller Kraftwerke, z.B. für ein 1,6 GWe KKW ca. 6-10 Jahre. Somit wären für einen Kompromiss bei der Energiewende die Kernkraftwerke (für Grundlast und Lastfolge) die ideale Ergänzung zu "Erneuerbaren". Kernkraft ist eine der innovativsten Technologien unserer Gegenwart ... und wird leider seit Jahrzehnten durch falsch verstandene Politik und öko-romantische Ideologie gebremst. Die Panik-Angst vor Atommüll und Endlager ist unbegründet. Atommüll ist Wertstoff, die heutigen Vorräte sind ausreichend um Deutschland für Jahrhunderte mit Strom aus den neuen, phyikalisch eigensichere Reaktoren der Generation-4 zu versorgen. Deren Spaltprodukte-Abfall muss nur noch ca. 300 Jahre (Abklingzeit bis auf das Niveau natürlicher Radioaktivität) gelagert werden. Mit dieser positiven Perspektive sollte man sich inhaltlich beschäftigen anstelle das Atom zu verteufeln!
  2. Susanne am 05.01.2024
    Ich stimme mit "Nein". Die Gefahren der Kernkraft wurden offenbar schnell vergessen: Die Endlagerung ist nicht gelöst. Kernenergie ist die teuerste Form der Energieerzeugung.https://www.energiezukunft.eu/wirtschaft/1000000000000-euro/
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