JA
Dominik Spitzer, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag
Die Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag hat sich vergangene Woche gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Die Begründung: Die Omikron-Variante des Coronavirus verläuft in der Regel deutlich milder als alle bisherigen Mutationen, sodass unser Gesundheitssystem damit nicht überlastet wird. Zudem können sich nach aktuellem Stand der Wissenschaft auch Geimpfte infizieren und das Virus weitergeben. Unter diesen Voraussetzungen lässt sich eine Pflicht zur Impfung – egal für welches Alter – nicht rechtfertigen.
Das Aus der allgemeinen Impfpflicht wirft nun die Frage auf, ob sich die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch rechtfertigen lässt. Beschlossen wurde diese, um die besonders vulnerablen Gruppen in den Pflege- und Gesundheitseinrichtungen vor Infektionen zu schützen. Dieses Argument hat sich aber mit der Omikron-Variante überlebt.
Zudem ließ die einrichtungsbezogene Impfpflicht von Beginn an einige Fragen offen. So betrifft das Gesetz zwar das Personal, jedoch nicht die Bewohnerinnen und Bewohner, Patientinnen oder Patienten oder Besucherinnen und Besucher – was nur konsequent gewesen wäre.
In Deutschland sind rund 10 Prozent der Pflegekräfte noch nicht geimpft. Daher stellt uns der zu erwartende Wegfall von ungeimpftem Pflegepersonal oder Ärzten vor große Herausforderungen. Gerade ländliche Regionen hatten schon vor Corona mit extremem Fachkräftemangel zu kämpfen. Da dort die Impfquoten besonders niedrig sind, kann durch das Aussprechen von Berufsverboten punktuell die Versorgungssicherheit gefährdet sein.
Zudem würde der Wegfall an Bürokratie die Gesundheitsämter enorm entlasten.
Da der Bundestag gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gestimmt hat, wäre es nur folgerichtig, auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht ad acta zu legen. Dies würde auch das Vertrauen der Menschen in die Verhältnismäßigkeit der Corona-Politik wiederherstellen.
NEIN
Sabine Dittmar (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium
Bis zuletzt habe ich auf eine Mehrheit im Bundestag für die Einführung der allgemeinen Impfpflicht gehofft. Als Medizinerin bin ich fest davon überzeugt, dass wir einen umfassenden Impfschutz benötigen, um gut vorbereitet in den nächsten Herbst zu gehen. Dass der Schutz der Bevölkerung letztendlich zum Spielball parteipolitischer Überlegungen wurde, hätte ich nicht erwartet. Daher bin ich froh, dass wir uns vorab auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht verständigen konnten, um besonders vulnerable Personengruppen vor einer Infektion zu schützen.
Covid-19 gehört zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten. Während für die meisten Menschen die Erkrankung mit der Omikron-Variante mild verläuft, besteht für bestimmte Personengruppen ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf. Gerade in Pflegeeinrichtungen besteht ein besonders hohes Risiko für Covid-19-Ausbrüche. In diesem Setting sind bereits viele dieser Ausbrüche aufgetreten mit teils fatalen Folgen. Dieses Risiko gilt es durch einen umfassenden Impfschutz zu minimieren.
Erfreulicherweise ist die Impfquote bei pflegerischem und medizinischem Personal sehr hoch – höher als im Bundesdurchschnitt. Dennoch gibt es Impflücken. Für Beschäftigte in diesen besonderen Settings – also für alle, die engen Kontakt haben – sollte es eine Selbstverständlichkeit sein und zum Berufsethos gehören, die anvertrauten Pflegebedürftigen, Patienten und Bewohner gut zu versorgen, ohne sie zu gefährden – und sich selbst zu schützen. Trotz der Informationskampagnen und der niedrigschwelligen Impfangebote haben wir die Impflücken aber nicht schließen können.
Die AHA+L-Maßnahmen und umfangreiches Testen sind wichtig, reichen aber oft nicht aus. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist daher notwendig, um die Impfquote bei den in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätigen Personen zu steigern und damit im Ergebnis den größtmöglichen Schutz vulnerabler Personengruppen zu bieten.
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