Politik

12.10.2023

Sollen Asylbewerber*innen statt Geld Bezahlkarten erhalten?

In mehreren Bundesländern werden Alternativen zur Barauszahlung des Taschengelds für Asylbewerber*innen geplant – auch in Bayern. Entsprechend argumentiert Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) für die Einführung von Bezahlkarten. Dagegen spricht sich Andrea Kothen von Pro Asyl aus

JA

Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister

Die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in Deutschland und Bayern stellen unsere Verwaltung und insbesondere die Kommunen und die Bevölkerung vor große Herausforderungen. Wir müssen verhindern, dass diese Herausforderungen zu einer Überforderung der Kommunen führen, und endlich die Zahl der ankommenden Asylbewerber begrenzen. Die Vermeidung von Fluchtanreizen spielt für die Steuerung des Zugangs von Asylbewerbern nach Europa eine entscheidende Rolle.

Zu diesen Anreizen gehören die in Deutschland gewährten Sozialleistungen für Asylbewerber, insbesondere die Geldmittel, die derzeit noch in bar ausbezahlt werden. Die Einführung einer Bezahlkarte hat den Vorteil, dass keine Gelder mehr ins Ausland überwiesen werden. Durch die verringerte Auszahlung von Bargeld kann darüber hinaus die Weiterleitung des Geldes an Schlepper reduziert werden und somit auch Schlepperkriminalität bekämpft werden.

Wir arbeiten daher derzeit mit Hochdruck an der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber in Bayern und haben die Rechtsgrundlagen hierfür bereits gelegt. Ähnlich einer Prepaid-Karte soll diese Bezahlkarte in Geschäften, bei Dienstleistern und anderen Leistungserbringern wie zum Beispiel Kultureinrichtungen eingesetzt werden. Da nicht überall eine bargeldlose Zahlung möglich ist, etwa beim Pausenverkauf in der Schule, soll ein geringer Betrag auch abgehoben werden können.

Klar ist auch: Die Einführung einer Bezahlkarte wird zunächst zu einem Mehraufwand führen. Sie ist aber für die Begrenzung des Zugangs von Asylbewerbern nach Europa ein nicht unwesentlicher Faktor, den wir als Bundesland selbst in der Hand haben. Daher sind wir bereit, diesen Mehraufwand in Kauf zu nehmen, um mittel- und langfristig unsere Kommunen zu entlasten. Denn angesichts der dramatischen Zahlen müssen wir uns den Herausforderungen stellen und nicht immer nur nach Ausreden suchen, warum etwas nicht geht.

NEIN

Andrea Kothen, Referentin bei Pro Asyl

Bargeld entziehen, Sozialleistungen kürzen: Das soll Härte gegen Geflüchtete demonstrieren in einer Zeit, in der die Migrationsdebatte wieder einmal hochkocht. Dafür gibt es aber keine sachliche Rechtfertigung. Nicht nur, dass eine Bezahlkarte Kosten und Verwaltungsaufwand verursacht. Ein Bargeldentzug ist diskriminierend, verfassungsrechtlich fragwürdig und im Hinblick auf die Entwicklung der Asylzahlen völlig sinnlos.

Die CSU will Geflüchtete offenbar möglichst mies behandeln. Diese mit sozialrechtlichen Mitteln abschrecken zu wollen, bricht aber laut Bundesverfassungsgericht mit Artikel 1 des Grundgesetzes: der Würde des Menschen. Wer schon einmal eine kostenpflichtige Toilette besuchen musste, den Euro dafür aber nicht in der Tasche hatte, kann sich die Zwangslage vielleicht vorstellen.

Sich an der Supermarktkasse belehren zu lassen, dass die Flasche Weißbier mit der Bezahlkarte nicht erstanden werden darf, ist demütigend. Beim Gemeindefest oder in der Schulcaféteria kann man damit nichts kaufen. Dinge vom Kauf auszuschließen, ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit, die dem Staat nicht zusteht. 

Die Behauptung, mehr Sachleistungen würden zu weniger Asylsuchenden führen, ist falsch. Bereits heute erhalten Geflüchtete reduzierte Geldbeträge. Kein syrischer Kriegsflüchtling gibt die Flucht auf, weil ihn in Bayern Bezahlkarten statt Bargeld erwarten. Allein die Idee, von den geringen Asylbewerberleistungen könnte noch Geld in die Herkunftsländer geschickt werden, ist völlig realitätsfern. 

Die Debatte über Sachleistungen ist Blendwerk. Sie folgt parteipolitischem Kalkül, indem sie Ängste und Aggressionen gegen geflüchtete Menschen bedient. Sachlich betrachtet, ist die beste Bezahlkarte für Geflüchtete die für das Girokonto. Sie ist diskriminierungsfrei, verfassungskonform und letztlich auch für die Verwaltungen die einfachste und günstigste Lösung. 
 

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