Politik

01.06.2023

Sollen Bayerns öffentliche Bibliotheken auch sonntags geöffnet sein?

Der Deutsche Bibliotheksverband hat erst vor Kurzem wieder die Bundesregierung dazu aufgerufen, den Weg für eine Sonntagsöffnung von Bibliotheken freizumachen. Sabine Guhl vom Bayerischen Bibliotheksverbands unterstützt diesen Vorstoß, während Luise Klemens von Verdi Bayern dagegen ist

JA

Sabine Guhl, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Bibliotheksverbands

Sonntags ihre Türen öffnen? Was in vielen europäischen Ländern Standard ist, bleibt deutschen öffentlichen Bibliotheken verwehrt. Die Diskussion um die Sonntagsöffnung in Bibliotheken dreht sich schon seit vielen Jahren vergeblich im Kreis. Dabei ist es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2021 schwarz auf weiß verortet.

Es ist schon grotesk: Seit Jahren boomen Bibliotheken als Dritte Orte in der Gesellschaft. Als konsumfreier Ort der Begegnung, als Lern- und Arbeitsort. Nirgendwo sonst treffen jeden Tag so viele Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener gesellschaftlicher Gruppen aufeinander wie in Bibliotheken. Und genau dann, wenn die Gesellschaft Zeit dafür hätte, müssen öffentliche Bibliotheken geschlossen bleiben. Weil das Arbeitszeitgesetz es so vorschreibt.

Kommunale Bibliotheken schaffen im öffentlichen Auftrag ungehindert Zugang zu Bildung, Information und Kultur. Als niedrigschwellig zugängliche Kultur- und Begegnungsorte, als Orte der Bildung und als Multiplikatoren der Nachhaltigkeit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit. Für viele Familien und Berufstätige würde die Sonntagsöffnung überhaupt erst die Möglichkeit eröffnen, von den vielfältigen Angeboten in ihrer Bibliothek Gebrauch zu machen.

Es geht doch! Viele Bibliotheken hebeln den Paragrafen 10 des Bundes-Arbeitszeitgesetzes schon heute zu ihren Gunsten aus mit einem sonntäglichen Veranstaltungsprogramm, kameraüberwacht als sogenannte Open Library ohne Personal oder mit externem Aufsichtspersonal.

All diese Initiativen verzeichnen große Erfolge, sind sehr gut besucht. Darum ist es wichtig, Öffentliche Bibliotheken im Arbeitszeitgesetz Museen, Theatern und Schwimmbädern gleichzustellen und den Weg freimachen für eine Sonntagsöffnung mit allen Bildungsangeboten und Fachpersonal! Übrigens… zahlreiche Pfarrbüchereien in Bayern haben sonntags geöffnet.
 

NEIN

Luise Klemens, Landesbezirksleiterin von Verdi Bayern

Vielen öffentlichen Bibliotheken fehlt es hinten und vorne an Geld, überall ist Personal knapp – und jetzt sollen die Einrichtungen auch am Sonntag öffnen? Die Debatte geht an der Realität komplett vorbei und erscheint regelrecht absurd. Stattdessen wird, ausgehend vom Koalitionsvertrag der Bundesregierung, eine Debatte über Sonntagsöffnung angeheizt.

Viele kleine Bibliotheken sind aber längst nicht mehr in der Lage, wenigstens montags bis samstags ihren Auftrag zu erfüllen. Deshalb sollten wir eher darüber diskutieren: Wie lassen sich die Bibliotheken finanziell so ausstatten, dass sie ihrem Bildungsanspruch flächendeckend gerecht werden können? Wir sprechen ja nicht nur über Leuchtturmbibliotheken in Großstädten, sondern auch über all die Büchereien in kleineren Städten und auf dem Land. Ihre Zahl sinkt seit Jahren kontinuierlich. Viele kleinere Büchereien bangen akut um ihre Zukunft. Sie wissen: Wo kürzen Kommunen in der Regel zuerst, wenn die Kassen leer sind? Bei Schwimmbädern. Bei Musikschulen. Und bei Bibliotheken. In kleinen Orten bleibt die Ausleihe kurzerhand geschlossen. Und jetzt redet man über Sonntagsöffnungen? Und über Bibliotheken als „Dritter Ort“, gleichgestellt mit Theatern, Jugendzentren oder Kulturtreffs – Einrichtungen, für die auch längst kein Geld mehr da ist.

Bereits seit Jahren klagen die Angestellten über zu viel Arbeit und immer neue Aufgaben. Zumal die Bibliotheken in der Regel auch samstags lange geöffnet haben und Zeit mit der Familie am Wochenende ohnehin knapp bemessen ist. Keine Frage: Eine Sonntagsöffnung macht den Beruf noch unattraktiver. Das kann niemand wollen. Unsere wichtigste Forderung lautet: Mehr Geld für Bibliotheken, damit sie zuallererst ihren Bildungsauftrag unter der Woche erfüllen können. Denn wer sich schon den Alltag nicht leisten kann, braucht über den Luxus der Sonntagsöffnung gar nicht erst zu sprechen. 
 

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