Politik

01.07.2021

Sollen Minijobs abgeschafft werden?

Minijobs haben ausgedient, die Corona-Pandemie habe den letzten Beweis geliefert, erklärt DGB-Vize Verena Di Pasquale. Julika Sandt, Vize der FDP-Fraktion, hingegen fordert: Beibehalten und Verdiensthöchstgrenze erhöhen

JA

Verena Di Pasquale, stellvertretende Vorsitzende des DGB Bayern

Minijobs haben ausgedient. Sollte jemand hierfür noch einen letzten Beweis benötigen – die Corona-Pandemie hat ihn geliefert. Beschäftigte in Minijobs waren die ersten, die während der Krise ihre Arbeit verloren haben. Seit Ausbruch der Pandemie im März 2020 wurden binnen eines Jahres knapp 160 000 Minijobber*innen in Bayern arbeitslos. Soziale Absicherung? Fehlanzeige. Denn während durch Kurzarbeit viele Arbeitsplätze gesichert werden konnten, haben Minijobber*innen weder Anspruch auf Arbeitslosengeld noch auf Kurzarbeitergeld. Sie waren von einem Tag auf den anderen ohne jedes Einkommen.

Aber auch abseits von Corona ist es ein Irrglaube, dass Minijobs als Sprungbrett in reguläre Beschäftigung dienen, wie es CDU/CSU und FDP gerne behaupten. Vielmehr führen sie in eine arbeitsmarktpolitische Sackgasse mit geringer Entlohnung und fehlenden Perspektiven. Frauen sind davon besonders betroffen. Zum einen sind Minijobs gerade in jenen Branchen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, weit verbreitet. Zum anderen werden Frauen, die trotz Familienaufgaben erwerbstätig sein wollen, häufig in diese geringfügigen, schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnisse gedrängt. Und dort stecken sie dann in einer „Niedriglohnfalle“ fest. Denn in Bayern arbeiten sieben von zehn Beschäftigten in Minijobs für einen Niedriglohn von weniger als 11,21 Euro pro Stunde. Niedrige Renten und somit Armut im Alter sind hier die traurige, wenn auch logische Konsequenz.

Daher ist die immer wieder aufflammende Diskussion um die Anhebung der Verdienstobergrenze für Minijobs – wie etwa aktuell im Wahlprogramm der Union – der vollkommen falsche Weg. Das würde diese prekäre Form der Beschäftigung nur weiter zementieren. Spätestens jetzt müssen die richtigen Lehren aus der Corona-Krise gezogen werden. Und dazu gehört, das Minijob-System konsequent umzubauen und in das System der sozialen Absicherung zu integrieren. Das schafft Sicherheit und Perspektive für die Beschäftigten.


NEIN

Julika Sandt, Vizevorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Landtag

Für Studierende, Schülerinnen und Schüler, Rentnerinnen und Rentner oder auch Menschen, die neben ihrem Hauptjob etwas dazuverdienen wollen, bietet der Minijob eine bürokratiearme Beschäftigungsform, bei der das Netto dem Brutto entspricht. Aber auch als Einstieg nach einer längeren Phase ohne Beschäftigung eignet sich der Minijob. Als langfristige Hauptbeschäftigung war er nie gedacht.

Deshalb sollte auch der bürokratische Aufwand für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis niedrig bleiben. Sonst zieht die Berechnung und Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern einen zu hohen bürokratischen Aufwand nach sich – für die Betriebe, die Sozialversicherungen, aber auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Manch einer würde sich dann wohl überlegen, ob er beispielsweise die Wohnung gleich selber putzt und auf die Reinigungskraft verzichtet. Da bei einem Minijob Beiträge und Leistungen der Sozialversicherung ohnehin nicht zu nennenswerten Ansprüchen führen würden, ist eine Bagatellgrenze angemessen.

Leider sind die Höchstgrenzen für Minijobs seit der letzten Anpassung 2013 unverändert bei 450 Euro geblieben. Somit dürfen Menschen, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, mit jeder Anpassung weniger Stunden arbeiten und profitieren nicht von den Erhöhungen des allgemeinen Mindestlohns oder der Lohnentwicklung. Daher fordern wir als FDP-Fraktion, dass die bisher starr ausgestaltete Verdienstgrenze dynamisiert wird und fortan beim 60-Fachen des Mindestlohns liegt. Entsprechend sollte auch die Verdienstgrenze für die Beschäftigung in der Gleitzone, die sogenannten Midijobs, dynamisiert werden.

Sicher würde eine Abschaffung der Minijobs nicht zu einem Wachstum von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs führen. Statt der Abschaffung von Minijobs sollten wir daher den Fokus auf die Schaffung von Alternativen für Menschen, die mehr als einen Minijob ausüben wollen, legen.

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