Politik

In der Heimat ein neues Leben aufbauen: Für viele ist der drohende Gesichtsverlust, wenn sie mit leeren Händen zurückkehren, das größte Hindernis. (Foto: dpa)

21.04.2017

Soziale Perspektiven schaffen

Freiwillige Rückkehr statt Abschiebung: Zahlreiche Programme unterstützen Flüchtlinge, die in ihre Heimat zurückgehen – doch Geld ist dabei längst nicht alles

Kehren Flüchtlinge freiwillig aus Bayern in ihre Heimat zurück, können sie auf die Erstattung der Reisekosten und eine Starthilfe für den Neuanfang hoffen. Das hat Erfolg: 2016 sind weit mehr Menschen freiwillig ausgereist als abgeschoben wurden. Doch die Hilfe könnte effizienter sein, sagt die Leiterin der zentralen Rückkehr-Beratung in München. Nicht indem man den Menschen noch mehr Geld gibt, sondern für eine bessere Unterstützung vor Ort sorgt. Methak B. war 2012 mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn nach Deutschland geflohen – in der großen Hoffnung auf ein besseres Leben und eine sicherere Zukunft. In München kam die irakische Familie in einer Unterkunft für Asylbewerber unter. Angekommen ist sie aber nicht. Die neue Sprache und die neue Kultur blieben ihr fremd. Als das Heimweh zu groß wurde, entschloss sich die Familie zur Rückkehr in den Nordirak – mit Hilfe eines Projektes der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für freiwillige Rückkehrer in die Region Kurdistan. Mit einer Starthilfe –  Papier und Drucker im Wert von 5000 Euro – eröffnete Methak in seiner Heimatstadt Erbil erfolgreich ein Geschäft. Ein zweites soll bald hinzukommen.

Bayern zahlt 1,6 Millionen Euro für Rückkehr-Beratung

Allerdings: Das Projekt, das mit Mitteln des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Asylfonds der EU gefördert wird, läuft zum Juni aus – wenn nicht neue Fördergelder fließen. Dabei passt das drohende Aus so gar nicht in die aktuelle politische Debatte. „Es muss mehr für Rückkehrer getan werden“, fordert etwa Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. „Mir kommt es darauf an, die Möglichkeiten zur freiwilligen Rückkehr von Ausreisepflichtigen weiter zu verbessern und die 2016 erreichte Zahl weiter zu erhöhen“, sagt auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

2016 sind mit Unterstützung des deutschen Staats rund 54 000 Menschen in ihre Heimat zurückgekehrt, das sind knapp 20 000 mehr als im Jahr zuvor. Die Mehrheit der Rückkehrer stammte aus Albanien, Serbien, dem Irak und dem Kosovo. Nach Angabe des BAMF hatten die meisten keine Aussicht auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung.

In Bayern ist die Zahl der freiwilligen Rückkehrer leicht zurückgegangen, von rund 14 000 im Jahr 2015 auf 12 600 im Jahr 2016. Abgeschoben wurden im selben Zeitraum 4195 (2015) beziehungsweise 3310 Personen (2016). Eine Erklärung für den Rückgang könnte sein, sagt die Leiterin des Münchner Rückkehrer-Projekts Coming Home, Marion Lich, dass 2015 in Bayern vor allem Menschen aus dem Westbalkan freiwillig ausgereist sind. „Hier funktioniert die Rückkehr relativ unkompliziert.“ 2016 dagegen hätten sich mehr Afghanen und Iraker zur Ausreise entschlossen. Dort seien die Prozesse langwieriger und auch die Beratung schwieriger.

In Bayern kümmern sich vier zentrale Stellen um Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, in ihr Heimatland zurückzukehren. Der Freistaat hat hierfür die Mittel erst im vergangenen Jahr auf 1,6 Millionen Euro aufgestockt. „In Sachen Rückkehr-Beratung ist Bayern sehr gut aufgestellt“, sagt Lich. Die Berater helfen bei Problemen mit den Behörden, beim Erstellen von Businessplänen und den Anträgen für Förderprogramme. Ein Gedanke dabei ist auch, dass die Gescheiterten nicht mit leeren Händen zurückkommen sollen. „Der drohende Gesichtsverlust ist oft das größte Hindernis für eine Rückkehr“, sagt Lich.

Die Münchnerin hat 1996 das Büro für Rückkehrhilfen gegründet, als 21 000 bosnische Flüchtlinge in der Stadt lebten. Rund 2000 Menschen haben sie und ihre Mitarbeiter allein in den beiden vergangenen Jahren beraten. Davon tatsächlich ausgereist sind gut 1300. Die Belastung für die Berater aber ist gerade im vergangenen Jahr stark gestiegen – seit vermehrt Afghanen, Iraker und Pakistaner die Stelle aufsuchen. „Jeden Tag fließen Tränen, jeden Tag müssen wir uns mit schlimmen Schicksalen auseinandersetzen“, sagt Lich. „Dazu kommt, dass sich die Beratungen dieser Menschen teils über viele Wochen hinziehen, weil die Sachlagen kompliziert sind.“

Wer wieder kommt, muss das Geld zurückzahlen

Die Leiterin erzählt von dem Fall eines alten afghanischen Ehepaares. Er hatte einen Schlaganfall, sie war dement. Ihre letzten Lebensjahre wollten sie in der Heimat verbringen. Neun Monate zog sich die Beratung hin. Das Team kümmerte sich darum, dass das Paar bei Verwandten in Afghanistan unterkam, dass dort im Haus für die beiden ein zusätzliches Zimmer gebaut und eine Toilette nach europäischem Standard installiert wurde. Die in Afghanistan übliche Stehtoilette hätte der Mann aufgrund seines Schlaganfalls nicht benutzen können. Als für die beiden endlich der Tag der Abreise kam, seien sie unendlich glücklich gewesen, sagt Lich.

Die Münchner Stelle wird über Mittel der Stadt, des bayerischen Sozialministeriums und der EU finanziert. Im gewissen Rahmen können die Berater flexibel über eine Unterstützung der Rückkehrer entscheiden, etwa bei einer Existenzgründung. Der Höchstsatz liegt bei 3000 Euro und damit weit über dem, was das REAG/GARP-Programm, das Standardprogramm des Bundes, vorsieht. Mittellose Rückkehrer bekommen bei Letzterem Reisekosten, Reisetaschengeld und je nach Herkunftsland eine Starthilfe zwischen 300 und 500 Euro. Ausgenommen von der Starthilfe sind Rückkehrer aus europäischen Drittstaaten wie etwa Albanien.

Daneben gibt es diverse weitere Programme von EU, Bund, Ländern und Kommunen, die über REAG/GARP hinaus zusätzliche Starthilfen in Aussicht stellen. Im Februar dieses Jahres ist ein weiteres Programm dazugekommen. Mit „Starthilfe plus“ will die Regierung einen zusätzlichen Anreiz für die freiwillige Rückkehr schaffen. Das Prinzip ist: Wer früher geht, bekommt mehr Geld. Migranten, die noch vor Entscheid ihres Asylantrags ausreisen, erhalten die Maximalsumme von 1200 Euro. Die eine Hälfte wird in Deutschland ausgezahlt, die andere ein halbes Jahr nach der Rückkehr. Wie bei allen Hilfen gilt auch hier: Die Menschen müssen unterschreiben, dass sie Deutschland dauerhaft verlassen. Wer dennoch wiederkommt, muss die erhaltenen Gelder zurückzahlen.

Ein Problem: Das Geld sicher über die Grenze zu bringen

„Unnötig“ findet Marion Lich die „Starthilfe plus“. „Deutschland zeigt sich gegenüber Rückkehrern ohnehin schon großzügig“, sagt sie. Es sei der falsche Weg, immer noch mehr finanzielle Anreize zur Ausreise zu schaffen. Hier gelte es einen Pull-Effekt zu vermeiden. Sprich, die Hilfen dürfen nicht so hoch werden, dass allein dadurch weitere Migranten angelockt werden. Und dann ist da noch die Frage, ob die Rückkehrer in ihrer Heimat das Bargeld sicher über die Grenze bringen. Die Gefahr, dass korrupte Zollbeamte bei der Einreise die Hand aufhalten, ist in einigen Ländern durchaus gegeben. „Es spricht sich schnell herum, mit wie viel Geld die Menschen aus Deutschland zurückkommen“, sagt Lich.
Statt mehr Geld fordert die Expertin eine Neuausrichtung der Rückkehrhilfen. „Was wir brauchen“, sagt Lich, „ist die langfristige Betreuung vor Ort.“ Die Rückkehrer müssten in der Heimat Menschen haben, an die sie sich wenden könnten, Berater, die sie bei Problemen direkt unterstützen könnten. „Das wäre echte und nachhaltige Hilfe.“ (Beatrice Oßberger)

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