Politik

Es qualmt mächtig aus dem Auspuff – vor allem Dieselfahrzeuge sind für die Luftverschmutzung verantwortlich. (Foto: dpa)

03.02.2017

Stinker-Alarm in Bayerns Städten

Dieselautos verpesten die Luft – das hochgiftige Stickstoffdioxid gefährdet die Gesundheit: Kommt jetzt ein Fahrverbot?

Es herrscht dicke Luft in Bayerns Städten. Und der Hauptschuldige ist seit Langem bekannt: der immer dichter werdende Autoverkehr. Hochgiftige Abgase verpesten die Atemluft – mit fatalen Folgen für die Gesundheit. Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen zu. Das Risiko von Schlaganfällen steigt.

Nummer eins der gefährlichen Luftschadstoffe ist das Stickstoffdioxid (NO2). Studien belegen: Ist die Konzentration des aggressiven Gases zu hoch, steigt die Sterblichkeit. Und zu hoch ist sie in allen großen Städten Bayerns. An der Landshuter Allee in München war die Belastung 2016 am eklatantesten, sie lag im Jahresmittelwert bei 80 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) – und übertraf damit den erlaubten Grenzwert von 40 µg/m³ um das Doppelte. 13 Mal wurden gar Spitzenwerte von mehr als 200 µg/m³ erreicht. Am Münchner Stachus (56 µg/m³), in der Augsburger Karlstraße (46), der Von-der-Tann-Straße in Nürnberg (46), am Regensburger Rathaus (42) und am Stadtring in Würzburg (42) wurde der Jahresmittelgrenzwert ebenfalls überschritten. Alle Versuche, den NO2-Gehalt zu begrenzen, scheiterten bislang.

Kein Wunder, meint Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Das bekommt man nur hin, wenn man den Dieselverkehr einschränkt“, sagt er der BSZ. Auch Maria Kautzenberg, Präsidentin des Umweltbundesamts (UBA), gibt vor allem alten Dieselautos die Schuld. Und auch sie fordert, solche Fahrzeuge aus den stark belasteten Innenstädten zu verbannen.
Doch Fahrverbote sind unpopulär. Die Einführung der blauen Plakette für schadstoffarme Diesel-Fahrzeuge liegt auf Eis. Das Bundesumweltministerium wollte damit Kommunen ein Fahrverbot für Fahrzeuge, die die Schadstoffnorm Euro 6 nicht erfüllen, ermöglichen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aber blockierte. Fahrverbote, meint auch Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU), seien „rückwärtsgewandt“ und würden die Mobilität unverhältnismäßig einschränken. Bayerns Umweltministerium erklärt: „Die Fahrzeugflotte muss insgesamt schadstoffarmer werden.“ Der CSU-Landtagsabgeordnete Otto Hünnerkopf betont ebenfalls: Man solle auf eine weitere Verbesserung der Technik und alternative Antriebe setzen. „Eine große Rolle spielt für uns dabei der öffentliche Nahverkehr.“

Mitte Februar wird es spannend:
Gericht entscheidet über Fahrverbote in München

Allerdings: Das gehört zu den Maßnahmen, auf die die Städte seit Jahren setzen. Einen signifikanten Einfluss auf die Stickstoffdioxidbelastung hatte das aber nicht. In München öffnet sich deshalb sogar die Rathaus-CSU für Fahrverbote – zeitlich begrenzt auf Tage mit besonders hoher Belastung. „Und wenn man den Wirtschaftsverkehr herausnimmt“, erklärt der Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl der BSZ. Umweltreferentin Stephanie Jacobs (parteilos) wünscht sich wie auch Augsburgs Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) ohnehin die blaue Plakette. Denn wie auch die Verantwortlichen in Regensburg sehen sie ohne diese keine Rechtsgrundlage für den Ausschluss von Diesel-Stinkern am innerstädtischen Verkehr. In Nürnberg hält man von Fahrverboten hingehen nichts. „Eine Verschiebung zu den Kommunen verschleiert nur die Verantwortung“, meint Umweltreferent Peter Pluschke (Grüne). Man müsse die Automobilindustrie auf die gesetzten Normen verpflichten und Fahrzeuge, die diesen nicht entsprechen, nicht mehr zuzulassen.

Die umweltpolitischen Sprecher der Landtags-Opposition dagegen unterstützen die Forderung nach der blauen Plakette. „Denn dass es so nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand“, sagt der Grüne Christian Magerl. Wichtige Voraussetzung aber sei ein gut ausgebauter und bezahlbarer öffentlicher Verkehr, betont Florian von Brunn (SPD). „Ohne die Schaffung von Alternativen sind am Ende diejenigen die Dummen, die sich kein schadstoffarmes Auto leisten können.“ Benno Zierer (Freie Wähler) glaubt das nicht: „Mein Bruder, der eine Autowerkstatt hat, erzählt immer wieder, dass es vor allem Gutsituierte sind, die mit den größten Dreckschleudern vorfahren.“ Professoren zum Beispiel, die sich nicht vom alten VW-Bus trennen könnten. Er fordert ein Komplett-Verbot für Diesel, die älter als zwölf Jahre sind.

Tatsächlich könnten die Tage von Diesel-Fahrzeugen in der Münchner Innenstadt gezählt sein – ganz ohne blaue Plakette. Denn am 16. Februar entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof über einen Antrag, dem Freistaat wegen anhaltender Überschreitung der NO2-Grenzwerte in München ein Zwangsgeld aufzubrummen – bis zu 10 000 Euro pro Tag stehen im Raum. „Bei der Verhandlung wird es entscheidend auch darum gehen, ob Fahrverbote in München kurzfristig rechtlich realisiert werden können“, erklärt Resch, Geschäftsführer der DUH, die den Antrag gestellt hat. Auch Florian Roth, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Münchner Stadtrat, glaubt: „Für ein Fahrverbot braucht es die blaue Plakette nicht.“ Er hält das Argument für vorgeschoben. Und was hätte schon passieren können, fragt er. „Vielleicht wären wir wegen eines Fahrverbots vor Gericht gelandet und hätten verloren“, meint er. Immerhin aber hätte man etwas für die Gesundheit der Bürger gemacht. „Jetzt haben wir nichts gemacht – und verlieren auch vor Gericht.“ (Angelika Kahl)

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