Politik

Über diese Kampagnge ärgert sich die CSU noch heute. (Foto: dpa)

01.10.2018

Strauß und die roten Ratten

Er gilt als Architekt des modernen Bayern. Und doch ist die Vita des CSU-"Übervaters" Franz Josef Strauß von Skandalen durchwebt. Und sein Credo "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben" wird 30 Jahre nach Strauß' Tod von der AfD erschüttert

Es ist Wahlkampf in Bayern, die CSU muss mit einem historisch schlechten Ergebnis rechnen - und plötzlich tritt der längst gestorbene CSU-"Übervater" Franz Josef Strauß wieder in Erscheinung. "Franz Josef Strauß würde AfD wählen", ließ der AfD-nahe "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten" plakatieren. "Franz Josef Strauß würde diese AfD bekämpfen", konterte Ministerpräsident Markus Söder beim CSU-Parteitag Mitte September. Der christsoziale Patriarch von damals muss im Kampf um Wählerstimmen im rechtskonservativen Lager herhalten. Am kommenden Mittwoch jährt sich der Todestag von "FJS", wie der langjährige Parteichef und Ministerpräsident auch genannt wurde, zum 30. Mal.

"Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben", sagte Strauß 1986. Der Satz zielte auf die damals erstarkenden Republikaner, die später vom Verfassungsschutz beobachtet wurden. 32 Jahre danach ist die AfD Oppositionsführerin im Deutschen Bundestag und nach dem erwarteten Einzug in den Bayerischen Landtag künftig in 15 der 16 Länderparlamente vertreten.

Die Münchner Politik-Professorin Ursula Münch ist skeptisch, ob Strauß die AfD hätte klein halten können: "Ich wage zu bezweifeln, dass FJS das gelungen wäre." Und dennoch glaubt die Chefin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, dass Strauß "mehr Kampfesmut fordern und selbst für eine noch größere rhetorische Zuspitzung in der Auseinandersetzung mit der AfD eintreten würde".

Feierstunde und Gottesdienst

Außerhalb der CSU und auch an der Parteibasis spielt das Erbe von Strauß heute freilich keine große Rolle mehr. Nur Polit-Rentner wie die einstigen CSU-Vorsitzenden Theo Waigel und Edmund Stoiber haben noch mit ihm zusammengearbeitet. Beiden ist es auch vorbehalten, Strauß bei einer Feierstunde der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung am 3. Oktober im oberbayerischen Mittenwald zu würdigen. Strauß-Tochter Monika Hohlmeier, die für die CSU im Europaparlament sitzt, wird ebenfalls sprechen.

Die Partei selbst ehrt ihren einstigen Vordenker am selben Tag mit einem Gottesdienst in der katholischen Pfarrkirche von Rott am Inn nahe Rosenheim und einer Kranzniederlegung an der Familiengrabstätte. Dabei wollen Parteichef Horst Seehofer und Söder Strauß als Schöpfer des modernen Bayern und Visionär für die Zusammenarbeit in Europa würdigen. An die Skandale, die den politischen Lebensweg des am 6. September 1915 in München geborenen Metzgersohns durchweben, werden sie kaum erinnern.

So musste Strauß 1962 im Zuge der sogenannten "Spiegel"-Affäre als Verteidigungsminister zurücktreten. Nach der Titelstory "Bedingt abwehrbereit" des Nachrichtenmagazins über geheime Pläne der Bundeswehr hatte er die Festnahme des Autors Conrad Ahlers betrieben, belog den Bundestag im Bezug auf seine Beteiligung an der Aktion aber. Doch nur vier Jahre später kehrte er auf die politische Bühne in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn zurück.

In der Großen Koalition von Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) wurde Strauß 1966 Finanzminister. Während der 1969 gebildeten sozialliberalen Koalition von Kanzler Willy Brandt (SPD) und Außenminister Walter Scheel (FDP) bekämpfte er aus der Opposition heraus deren Ostpolitik. Im Bundestagswahlkampf 1976 attackierte der studierte Altphilologe die SPD mit Sätzen wie "Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören - in ihre Löcher".

1976 kündigte Strauß überraschend die Fraktionsgemeinschaft von CSU und CDU im Bundestag auf. Als Parteichef Helmut Kohl mit der Gründung eines eigenen CDU-Landesverbandes in Bayern drohte, knickte Strauß ein. 1978 wurde er Ministerpräsident im Freistaat. Der begeisterte Hobbypilot holte zuhauf Firmen der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie der Rüstungsbranche nach Bayern.

1983 handelte Strauß mit dem DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski einen Milliardenkredit für die vor der Staatspleite stehende DDR aus. Innerparteilich geriet er dadurch massiv unter Druck. In seinen letzten Lebensjahren brachte er die Anti-Atom-Bewegung gegen sich auf. Im oberpfälzischen Wackersdorf wollte er eine atomare Wiederaufarbeitungsanlage errichten. Vor dem Bauzaun kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen von Demonstranten und Polizei. Strauß ließ Hubschrauber im Tiefflug über den Köpfen der Protestierer kreisen.

Begonnen hatte Strauß seine politische Karriere 1946 als Landrat von Schongau. 1949 wurde er in den ersten Deutschen Bundestag gewählt. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) machte ihn 1953 zum Bundesminister für Sonderaufgaben. Zwei Jahre später wurde er Atomminister, 1956 Chef im noch jungen Verteidigungsressort. Strauß schaffte den technisch unausgereiften Starfighter an, der als "fliegender Sarg" traurige Berühmtheit erlangte. Zahlreiche Piloten verloren bei Abstürzen des Kampfjets ihr Leben. Zudem geriet Strauß in Verdacht, vom Hersteller Lockheed bestochen worden zu sein. Bewiesen wurde freilich nichts.
(Paul Winterer, dpa)

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