Politik

Der Sänger Marc Marshall gibt Live-Konzert, die via Smartphone gratis bei Facebook übertragen werden. (Foto: Uli Deck/dpa)

03.04.2020

Streamen muss unbürokratischer werden

Viele Künstler übertragen Echtzeit-Events ins Netz – dafür bräuchten sie eigentlich eine Genehmigung

Popkonzerte, Klassikevents, DJ-Sets, Lesungen oder Kabarett: Immer mehr Künstler streamen während der Corona-Auftrittsverbote ihre Darbietungen in die heimischen Wohnzimmer. Viele verbinden das mit Spendenaufrufen, beispielsweise die „Kulturretter“ oder das Münchner Kulturhaus Pelkovenschlössl. So sollen lokale Künstler, Buchhändler oder Gastronomen unterstützt werden. Eine gute Sache also. Was viele nur nicht wissen: Wer Live-Streams ins Internet sendet, benötigt dafür eine Rundfunklizenz. Andernfalls drohen Geldstrafen bis zu einer halben Million Euro.

Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt eine Lizenz vor, wenn potenziell mehr als 500 Menschen erreicht werden können und eine „journalistisch-redaktionelle Gestaltung“ vorliegt, beispielsweise Anmoderation oder Interviews. Die Definition ist in einer zunehmend digitalen Welt extrem schwammig – selbst Gerichte sind sich oft nicht einig. Eine Lizenz kostet je nach Reichweite zwischen 100 und 10 000 Euro. Zwar erteilen die Landesmedienanstalten während der Corona-Krise bis mindestens 19. April kostenlos Genehmigungen – über das Angebot informiert werden müssen sie aber offiziell trotzdem.

Grundsätzlich ist eine Rundfunklizenz eine sinnvolle Sache. Die Landesmedienanstalten prüfen vor der Vergabe die Seriosität der Antragsteller, um Qualität, Meinungsvielfalt und die Einhaltung des Jugendschutzes zu gewährleisten. Sonst könnte zum Beispiel mit einer einseitigen Dokumentation Geschichtsverfälschung betrieben werden. Allerdings wirkt die Lizenzvergabe im Internetzeitalter aus der Zeit gefallen. Tatsächlich stammen die Regelungen aus der Anfangszeit des privaten Rundfunks. Heute kann jeder Bürger selbst gedrehte Handyclips ins Netz laden – allein das Youtube-Video des Influencers Rezo wurde 17 Millionen Mal aufgerufen. Von solchen Reichweiten können manche Fernsehsender nur träumen. Nicht live-gestreamte Videos benötigen aber keine Lizenz.

Nicht live-gestreamte Videos benötigen keine Lizenz

Immerhin planen die Medienanstalten beim Live-Streaming eine kleine Reform. Im neuen Medienstaatsvertrag, der den Rundfunkstaatsvertrag im September 2020 ersetzen soll, wird erst eine Lizenz benötigt, wenn durchschnittlich mehr als 20 000 Nutzer erreicht werden. Den Grünen ist aber auch das zu wenig. Deren Landtagsabgeordneter Maximilian Deisenhofer fordert, die Auflagen für staatliche Schulen oder Kultureinrichtungen ganz zu streichen. „Streaming-Angebote von Schulen, Theatern oder Opernhäusern stellen keine Gefahr für die Meinungsbildung dar – egal wie viele Menschen sie erreichen.“

Bevor die Landesregierungen den Medienstaatsvertrag in den kommenden Monaten absegnen, sollten sie über weitere Vereinfachungen für Laienproduzenten nachdenken und stattdessen lieber die Plattformbetreiber bei der Inhaltskontrolle stärker in die Pflicht nehmen. Bei Künstlern besteht kein Zweifel, dass die Nachfrage in Zukunft massiv steigen wird. Die Live-Streams der Bayerischen Staatsoper sahen schon vor der Corona-Krise rund 50 000 Menschen – seit der Ausgangsbeschränkung haben sich die Besucherzahlen auf staatsoper.tv verdoppelt.

Auch das Pelkovenschlössl kann sich vorstellen, künftig weiter Live-Streams anzubieten, ebenso die dort auftretenden Künstler wie der Autor Pierre Jarawan – auch wenn die Online-Lesungen für ihn auch in Zukunft kein Ersatz, sondern höchstens eine Ergänzung seien. 

Die Kirchen in Bayern sind sich ebenfalls sicher, dass sich Live-Gottesdienste etablieren werden. So könne gezielt nach Predigern, besonderer Musik oder einem ungewöhnlichen Gottesdienstformat gesucht werden. Eine Lizenz haben viele bisher nicht. „Wir gehen davon aus, dass für die Gottesdienst-Streams Lizenzen überhaupt nicht notwendig sind“, sagt ein Kirchensprecher. Falsch gedacht. Wenn der Live-Stream journalistisch-redaktionell gestaltet ist, brauchen auch Kirchen eine Lizenz. (David Lohmann)

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