Politik

21.03.2019

Streit um Upload-Filter: Soll die EU-Urheberrechtsreform kommen?

Die Gesetzesnovelle bringt mehr Gerechtigkeit, meint Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht. Ein Angriff auf das freie Internet, sagt hingegen Daniel Mönch, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei

JA

Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht:

Plattformen müssen heute nur dann Rechte klären, wenn sie selbst die Verbreitung von Werken veranlasst haben. Für Werkverbreitungen durch Uploadende sind diese selbst verantwortlich. Rechtsinhaber können aber von den Plattformen verlangen, nicht genehmigte Verbreitungen zu unterbinden. Plattformen wenden schon heute Filter an, um wiederholte rechtswidrige Verbreitungen populärer Werke zu unterbinden.

Die Richtlinie verändert das System grundlegend: Zukünftig werden Plattformen für die Klärung des Rechtserwerbs für alle von ihnen verbreiteten Werke verantwortlich. Die Rechteklärung erfolgt durch den Abschluss von Nutzungsverträgen mit den Verwertungsgesellschaften beziehungsweise einzelnen Inhabern der Rechte an komplexen Werken. Kleine Plattformen werden dabei privilegiert, um ihren Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Wenn es den Plattformen trotz Bemühens nicht gelingt, die Rechtsinhaber aufzufinden beziehungsweise Verträge abzuschließen, werden sie aus der Haftung entlassen. Nach wie vor müssen sie aber Werke auf Aufforderung von Rechtsinhabern entfernen, wenn die Nutzung von deren Werken nicht von Lizenzverträgen umfasst ist.

Ob sie in diesen Fällen Filter einsetzen, um wiederholtes illegales Hochladen zu verhindern oder nicht, bleibt ihnen – wie bisher – selbst überlassen. Die Richtlinie verlangt ausdrücklich, dass dies nicht zu einer generellen Überwachung der hochgeladenen Inhalte führen darf. Werknutzungen wie Zitate oder Satire , die vom Gesetz freigestellt sind, werden von den Regelungen nicht erfasst; bei der Kalkulation von Gesamtverträgen werden sie berücksichtigt, das heißt, für ihre Nutzung fällt keine Vergütung an. Werden solche Werke irrtümlich von der Plattform gefiltert, haben die Rechtsinhaber das Recht, die Wiedereinstellung zu verlangen.

Im Ergebnis entsteht eine Win - Win - Situation: Die Urheber und Rechtsinhaber werden an den Erlösen der Plattformen beteiligt, private Nutzer werden von jeglicher Haftung für den Rechtserwerb freigestellt.


NEIN

Daniel Mönch, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei:

Bei der geplanten Reform des EU-Urheberrechts geht es um mehr als ein paar bunte Bilder im Internet. Dass die sogenannten Memes, kurze Ausschnitte von Bildern und Videos, die von Nutzern bearbeitet wurden, durch Artikel 13 bedroht sind, ist nur ein Aspekt in der Debatte um die Reform des europäischen Digitalmarktes.

Tatsächlich handelt es sich um gravierende Veränderungen der Rechtsgrundlage für die gesamte Digitalwirtschaft in Europa mit potenziell globalen Folgen. Das Internet hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor entwickelt. So wären von der Reform nicht nur ein paar junge Menschen betroffen, die sich eine Existenz auf Plattformen wie Twitch oder Youtube aufgebaut haben, sondern auch zehntausende Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt mit urheberrechtlich geschütztem Material arbeiten.

Auch in Bayern haben sich in den letzten Jahren viele Unternehmen in der Digitalwirtschaft gegründet. Die Beschäftigten dort machen sich nun Sorgen um ihre Zukunft. Im Gegensatz zur CDU/CSU haben sie sich mit Artikel 11 und Artikel 13 beschäftigt. Es sind eben nicht nur die großen amerikanischen Unternehmen, die diese neuen Gesetze treffen würden.

Gerade kleine und mittelgroße Unternehmen können sich damit verbundene rechtliche Risiken nicht leisten oder ihnen wird durch Artikel 11 oder 13 die Geschäftsgrundlage entzogen. Sie verfügen nicht über die Ressourcen, die ihnen neu auferlegten Pflichten zu erfüllen. Selbst die Handvoll Unternehmen und nicht kommerziellen Angebote wie Ebay oder Wikipedia, die ausgenommen sind, protestieren gegen diese Pläne.

Falls die CDU/CSU trotz aller Warnungen diesen Angriff auf das freie Internet durchzieht, wird das fatale Folgen haben. Viele befürchten einen Kahlschlag auf den langsam aufblühenden Digitalmärkten in Europa, der besonders die Kleinen treffen wird.

Kommentare (1)

  1. Miiich am 23.03.2019
    Was droht dabei rauszukommen:

    * eine zusätliche Goldader für die unersättliche Zunft der Abmahnanwälte, deren Schatten bereits über
    der Richtlinienvorlage kreisen
    * eine zusätzliche legale Zensurmöglichkeit, um politisch nicht ins Konzept passende Meinungen
    (insbesondere vor Wahlen oder bedeutenden Entscheidungen) maschinell herausfiltern zu können,
    um sie erst gar nicht erscheinen zu lassen oder "förderliche" Meinungen entsprechend hervorheben
    und positionieren zu können.

    Warum ich so schwarz sehe? Was möglich ist und Geld oder Macht bringt wird letzendlich durchgezogen. Wer in dieser neoliberalen Medienwelt noch nach ethischen Grundsätzen neutral handelt, der wird eben von der Konkurrenz aufgefressen. Wirtschaftlich gehts in die selbe Richtung, wie man an den TTIP-Plänen mit den "geheimen Privatgerichten" gesehen hat.
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