Um die Corona-Pandemie einzudämmen, wollen Bund und Länder mehr Homeoffice durchsetzen. Das jedoch ist nicht für alle Unternehmen und Beschäftigten so einfach möglich. Wo läuft es gut, wo hakt es? Eine Bestandsaufnahme.
Für die beiden Münchner Konzerne Allianz und BMW sowie für viele andere Großunternehmen ist mobiles Arbeiten seit Jahren Realität. In der Pandemie natürlich umso mehr. So arbeiten bei der Allianz laut einer Sprecherin derzeit „etwa 85 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice“. BMW erhebt die Forderung nach zusätzlicher Unterstützung für die Unternehmen, „die Mobilarbeit gerade erst aufbauen“.
Am häufigsten kommt Homeoffice zum Einsatz bei Banken, Versicherungen, IT-Firmen, Beratungsunternehmen, in der Marktforschung, bei Marketingfirmen, in der Medienbranche, bei Telekommunikationsunternehmen, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, Anwaltskanzleien sowie in Forschung und Entwicklung. Am schwersten realisierbar ist Arbeiten von zu Hause aus in der Gesundheitsbranche, im Handwerk, der Transport- und Textilbranche.
In der Verwaltung, sowohl auf staatlicher als auch auf kommunaler Ebene, schreitet das Arbeiten von zu Hause voran. So sind etwa bei der Stadt Nürnberg mit ihren rund 12 000 Arbeitsplätzen circa 7000 homeoffice-fähig, weil es keine Vor-Ort-Tätigkeiten wie Müllabfuhr oder Winterdienst sind. „Innerhalb von zehn Monaten haben wir von 230 Homeoffice-Zugängen auf 4382 Zugänge aufgestockt“, erklärt Nürnbergs Finanz-, Personal- und IT-Referent Harald Riedel. Bei der Stadt Augsburg sind laut Personalreferent Frank Pintsch mit rund 2200 Beschäftigten über die Hälfte der Personen mit PC-Arbeitsplatz im Homeoffice.
Auch die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) verzeichnet über ihre Tochtergesellschaft Living Data bei den Kommunalverwaltungen einen erhöhten Bedarf an Homeoffice-Equipment. Das Thema Datenschutz stellt jedoch eine Hürde dar. „In den Kommunen herrscht große Verunsicherung darüber, ob und wie eine Cloud-Plattform genutzt werden darf“, so AKDB-Sprecher Andreas Huber. Letztendlich kann jede Kommune selbst entscheiden, was sie unter welchen Voraussetzungen anbietet.
Homeoffice mit Kindern in der Kleinwohnung? Schwierig!
Allerdings können sich Kommunen – unverbindlich – beraten lassen: von den Kommunalen Spitzenverbänden oder dem Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI). Letzteres ist im bayerischen Behördennetz zuständig für Cybersicherheit. An dieses Netz sind auch die Landratsämter angebunden. Laut LSI-Präsident Daniel Kleffel gab es zuletzt verstärkt Hackerangriffe, um Remote-Arbeit zu stören. Hacker wollen Kasse machen, indem sie Internetverbindungen lahmlegen und die verzweifelten Nutzer dazu verleiten, auf sogenannte Schadcodelinks zu klicken. Damit können dann sensible Firmendaten gestohlen werden. Eine andere Gefahr: Kriminelle verschlüsseln Festplatten, um anschließend Geld für deren Freigabe zu erpressen.
Doch selbst wenn die IT-Sicherheit gewährleistet ist, hapert es oft am technischen Equipment. „Ein großer Teil der Beschäftigten ist zwar im Homeoffice tätig, ermöglicht dies aber mit privaten Geräten“, sagt Anette Egle, Geschäftsführerin des Bayerischen Beamtenbunds. Sie rechnet damit, dass es bei den notwendigen europaweiten Ausschreibungen noch bis Ende des Jahres dauert, bis dem Personal die nötige Hardware zur Verfügung gestellt werden kann.
Und dann gibt es natürlich auch regelrechte Homeoffice-Bremser oder gar -Verweigerer unter den Betrieben. „Diese sind in der Regel nicht bestimmte Branchen oder Unternehmen, sondern Führungskräfte von gestern, die ohne Not in der Pandemie auf eine Unkultur der Präsenz setzen“, wettert Verdi-Bayern-Sprecher Hans Sterr. Auch ein Landratsamt aus Oberbayern ist hier bereits negativ aufgefallen. Damit sich derlei Blockadehaltungen ändern, müsste die Politik klare und vor allem verbindliche Ansagen machen. Klarheit wäre auch bei den Arbeitszeiten hilfreich. So beklagt eine DGB-Studie, dass viele Beschäftigte zu Hause länger arbeiten als im Büro.
Auch an anderen Stellen hakt es noch beim Thema Homeoffice. So fehlen Arbeitgeber-Vorgaben zur Arbeitsausstattung, zur Kostenerstattung für Telefon, Datenleitung, Heizung und so weiter. Auch der Unfallversicherungsschutz, der zurzeit zum Nachteil der Beschäftigten geregelt ist, muss auf neue Beine gestellt werden. Und dann sind da noch Dinge, die man nicht so einfach per Gesetz aus der Welt schaffen kann: Wie sollen Paare mit Nachwuchs in einer kleinen Wohnung konzentriert arbeiten und nebenbei noch Kinderbetreuung leisten?
(Ralph Schweinfurth)
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