Politik

Rund um den Münchner Hauptbahnhof wächst die Kriminalität – und auch an anderen bayerischen Stationen. (Foto: dpa)

01.09.2017

Tatort Bahnhof

Die Kriminalität in Bayerns Zügen und Stationen ist stark gestiegen – auch weil Polizisten zur Grenzsicherung abgezogen wurden

Es war nicht die erste Schlägerei vor dem Südeingang des Münchner Hauptbahnhofs in diesem Jahr – aber eine der brutalsten: Im April hatte ein betrunkener 26-jähriger Pole auf dem Bahnhofsplatz eine Rumänin angepöbelt. Diese schlug laut Zeugenaussagen daraufhin auf den Polen ein. Als dieser bereits am Boden lag, traten zwei ihrer Begleiter auf den Kopf des Opfers ein. Der schwerverletzte Autospengler musste ins Krankenhaus – gegen die Rumänen ermittelte die Mordkommission.

Letztere interessiert sich zwar nach wie vor nur selten für die Geschehnisse am Hauptbahnhof, ihre Kollegen in Uniform müssen dort aber immer öfter ausrücken. Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), warnt: „Die zunehmende Verrohung der Gesellschaft ist an den Hauptbahnhöfen und in deren Umfeld ganz besonders zu spüren.“ Vor allem in München. Eine Rollstuhlfahrerin sagt, auf der Polizeiwache habe man ihr geraten, sie solle den Hauptbahnhof abends besser nicht betreten: „zu gefährlich.“

Die Zahl der bei der Münchner Polizei angezeigten einfachen Körperverletzungen in der Umgebung von Bayerns wichtigster Zugstation stieg 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 86 Prozent, die der schweren Fälle um 49 Prozent. Seit 2012 hat sich die Zahl aller Straftaten in Bahnhofsnähe mehr als verdoppelt. Im Bahnhofsgebäude selbst registrierte die Bundespolizei der Kriminalstatistik zufolge im vergangenen Jahr 46 Prozent mehr Straftaten als 2011. Die Zahl der Gewaltdelikte legte im gleichen Zeitraum um ein Drittel zu.

Doch wie sieht es an anderen Bahnhöfen und Zügen im Freistaat aus? Zahlen der Bundespolizei, die der Staatszeitung vorliegen, deuten darauf hin, dass es auch in anderen Bahnhöfen in urbanen Regionen Bayerns einen deutlichen Kriminalitätsanstieg gibt. So hat sich im Bereich der Bundespolizeiinspektion Nürnberg die Zahl der Straftaten im Bahnbereich laut Polizeilicher Eingangsstatistik von 5289 im Jahr 2010 auf 16 052 im Jahr 2015 fast verdreifacht.

Auch Flüchtlinge haben die Sicherheitslage verschlimmert. "Da gibt es nichts schönzureden"

Ein großer Teil der angezeigten Delikte waren Verstöße gegen das Aufenthalts- oder Asylgesetz. Doch selbst wenn man diese herausrechnet, war die Zahl der Straftaten 2015 mit 8281 um 58 Prozent höher als noch ein halbes Jahrzehnt zuvor. Im vergangenen Jahr stieg die Deliktzahl – um Aufenthaltsdelikte bereinigt – weiter auf 8832 Straftaten. Ein Plus von 69 Prozent in nur sechs Jahren. Auch die Bundespolizeiinspektion München, die weite Teile des oberbayerischen Bahnverkehrs betreut, verzeichnete einen Anstieg der gemeldeten Straftaten. Bereinigt um die Aufenthaltsverstöße fiel dieser zwischen 2010 und 2016 mit rund einem Fünftel auf 14 328 Delikte im vergangenen Jahr jedoch geringer aus.

Doch der Trend ist klar. „An manchen Bahnhöfen ist ein Zustand erreicht, an dem sich der Bürger nicht mehr sicher fühlen kann“, warnt Ernst Walter, Vorsitzender der DPolG-Bundespolizeigewerkschaft. An den deutschen Großbahnhöfen rächten sich nun frühere Stellenstreichungen bei der Bundespolizei, sagt sein Kriminaler-Kollege Radek.

Jetzt sollen neue Polizisten eingestellt werden  - aber woher sollen die kommen?

Die Regierung Merkel habe zudem Personal von Bahnhöfen zugunsten von Flughäfen und der Grenzsicherung abgezogen. Auch in Bayern fehlten Bahnpolizisten. Radek sagt: „Ein Teil der Straftaten geht auf eine kleine Minderheit unter den Flüchtlingen zurück.“ Da gebe es „nichts schönzureden“.

Das Bundesinnenministerium will nun gegensteuern. So sollen in den kommenden Jahren bundesweit Tausende neuer Bundespolizisten eingestellt werden. Doch die ersten Beamten werden mit ihrer Ausbildung nicht vor 2019 fertig sein. Zudem ist derzeit nicht klar, ob sie auch an bayerischen Bahnhöfen oder nur an Grenzen oder Flughäfen eingesetzt werden.

Die Bahn betont, dass es in den Zügen zuletzt zumindest keine Steigerung der Gewalt gegeben habe. Und auch an vielen kleineren oder ländlichen Bahnhöfen halten sich die Straftaten oft noch in Grenzen.
An Großbahnhöfen gab es dagegen auch außerhalb Bayerns einen deutlichen Anstieg an Straftaten. Am Stuttgarter Hauptbahnhof hat sich die Zahl der bei der Bundespolizei registrierten Straftaten in nur fünf Jahren beinahe verdoppelt.

Für den Schutz an den Bahnhöfen hat die DB jüngst Hunderte weiterer eigener Sicherheitsleute eingestellt. Dem Fahrgastverband Pro Bahn geht das nicht weit genug. Bis die Beamten ausgebildet seien, müsse die Bahn mehr Sicherheitspersonal einstellen, fordert ein Sprecher. Die Städte und die DB müssten zudem „bei der Planung des Bahnhofs und dessen Umfelds umdenken“. Wer dort etwa einen Erotik-Shop oder eine Raucherkneipe statt eines Drogeriemarkts und eines gutbürgerlichen Restaurants ansiedle, ziehe „natürlich ein ganz anderes Publikum an“. (Tobias Lill)

Kommentare (1)

  1. Alexasnder P. am 01.09.2017
    Alle Achtung. Herr Radek hat Mut:"Ein Teil der Straftaten geht auf eine kleine Minderheit unter den Flüchtlingen zurück.“ Da gebe es „nichts schönzureden“.
    Mich wundert, dass so ein Kommentar überhaupt, und noch vor der Wahl, erscheinen darf. Normalerweise schwingt über solchen Aussagen gleich mal die Rassismuskeule.

    Aber Herr Radek hat Recht! Wer täglich nach und von München mit den Öffis pendelt, bekommt das mit den Bahnhöfen und öffentlichen Verkehrsmitteln, die von Flüchtlingen o.ä. gut belagert werden, mit. Und das ist seit Herbst 2015 nicht mehr von der Hand zu weisen. Nicht mal draußen bei uns im Hinterland. Jetzt sind wir aber "nur" München. In anderen Städten in BRD siehts sicher ganz anders aus.

    Natürlich darf man nicht alle Flüchtlinge über einen Kamm scheren, aber dass unsere Polizei die Anordnung hat, Vorfälle von Flüchtlingen, Asylbewerbern, etc. gegenüber normalen Bürgern (auch Nichtdeutsche die hier NORMAL leben!) unter Verschluss zu halten, ist schon länger kein Geheimnis mehr. Das wissen vor allem die Leute, die einen Polizisten in der Familie haben......
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