Politik

Gedenken an die Opfer von Aschaffenburg. Kommunen schätzen die Bedrohungslage oft falsch ein, kritisieren Fachleute. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

31.01.2025

Tödliche Fehler

Warum viele Attentate hätten verhindert werden können

Durch den brutalen Messerangriff von Aschaffenburg dominiert die Migrationspolitik die politische Debatte im Bundestagswahlkampf. Doch nur durch Grenzschließungen und schnellere Abschiebungen, wie sie die Union und schon lange die AfD fordern, lassen sich Attentate nicht verhindern. Allein schon deshalb, weil es ebenso radikale oder psychisch kranke Täter mit deutscher Staatsbürgerschaft gibt. Erinnert sei an den Mord an Walter Lübcke, den Anschlag von Halle oder den Amoklauf von Hanau. Das größte Problem ist menschliches Versagen.

Laut einem internen Dokument des Bundesinnenministeriums war die Überlastung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wohl einer der Gründe dafür, dass der afghanische Täter nicht bereits 2023 abgeschoben wurde. „Eine engere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen hätte möglicherweise dazu beitragen können, die Gefahr früher zu erkennen und einzudämmen“, sagt Sicherheitsexperte Gandhi Gabriel. Mit seinem Unternehmen SSB erstellt er Sicherheitskonzepte unter anderem für öffentliche Auftraggeber.

Noch gravierender waren die Versäumnisse vor der Amokfahrt kurz vor Weihnachten in Magdeburg. Das vorgelegte Sicherheitskonzept sah vor, dass die Zufahrten durch Betonblöcke und Stahlketten gesichert werden. Doch der Veranstalter hat dies „an keiner Stelle“ umgesetzt, wie das Innenministerium in Sachsen-Anhalt auf Anfrage bestätigt. Auch stand ein Polizeiauto, das die Amokfahrt hätte verhindern können, „nicht an dem nach der polizeilichen Einsatzkonzeption vorgesehenen Standort“. Gabriel rügt: „In beiden Städten wurden sicherheitsrelevante Fehler gemacht, die mit einer besseren Planung hätten verhindert werden können.“

Inkompetenz der Verantwortlichen

Für Risikoforscher Norbert Gebbeken von der Bundeswehruniversität ist die „Inkompetenz der Verantwortlichen“ die größte Schwachstelle in der Sicherheitsinfrastruktur bei öffentlichen Plätzen und Veranstaltungen. Er hat an einer Richtlinie der Europäischen Kommission zur urbanen Sicherheit mitgearbeitet. Zudem würden Bedrohungslagen oft falsch eingeschätzt. Dabei sollte spätestens seit der Amokfahrt am Berliner Breitscheidplatz 2016 allen klar sein, wie wichtig die gründliche Absicherung von Veranstaltungen ist.

Doch noch immer wird die Gefahr offenbar unterschätzt. Vonseiten des Deutschen Städtetags gibt es keine einheitlichen Sicherheitsleitlinien für öffentliche Plätze oder Veranstaltungen. Da jede Kommune anders sei, müssten jeweils individuelle Lösungen gefunden werden, heißt es vonseiten des kommunalen Spitzenverbands. Doch ohne Druck scheint dies nicht zu funktionieren.

Bisher ist München laut Gebbeken die einzige deutsche Großstadt, die an einem Masterplan zur urbanen Sicherheit gegen Anschläge mit Fahrzeugen arbeitet. Dabei sind die Fehler in Magdeburg kein Einzelfall: „Es zeigt sich immer wieder, dass Richtlinien und Normen missachtet und Barrieren aufgestellt werden, die bei einem Angriff selbst zur Bedrohung werden, weil sie durch das Angriffsfahrzeug weggeschleudert werden“, warnt der Risikoforscher.

Lediglich München hat einen Sicherheits-Masterplan

Zwar hat Aschaffenburg reagiert und im Park Schöntal bereits im Herbst 2024 die Polizeipräsenz und die Kontrollen erhöht, ebenso wurde ein Waffen- und Drogenkonsumverbot erlassen. Im Gegensatz zum Alten Botanischen Garten in München, der sich ebenfalls zunehmend zu einem Hotspot für Gewalt- und Drogendelikte entwickelte, gibt es dort aber keine Videoüberwachung. Zusätzlich wurden in der Landeshauptstadt pragmatische Maßnahmen zur Wiederbelebung des Parks ergriffen, etwa die Einrichtung eines alkoholfreien Biergartens. In diesem Sommer sollen Sportanlagen zum Skaten und Fußballspielen hinzukommen.

Auch aus der Forschung gibt es neue Ansätze zur Verbesserung der Sicherheit. Moderne KI-Analyseverfahren wie von der Polizei gefordert können beispielsweise in großen Menschenmengen ungewöhnlich gestresste Personen erkennen und so potenzielle Täter identifizieren. Das Fraunhofer-Institut hat ein System entwickelt, mit dem in Flughäfen, Bahnhöfen oder bei städtischen Veranstaltungen verschiedene Angriffsszenarien simuliert werden können, um Sicherheitslücken aufzudecken. Dadurch ließen sich Fehler durch menschliches Versagen reduzieren.

Genauso wichtig wäre es, die Versorgung im Bereich der psychischen Gesundheit zu verbessern – auch für Nicht-Geflüchtete. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat jetzt zwar eine Reform angekündigt. Diese zielt jedoch vor allem darauf ab, das Gesetz zu verschärfen. „Zwangsmaßnahmen, die unter dem Deckmantel von Schutz und Sicherheit eingeführt werden, öffnen die Tür zu Entmenschlichung und Diskriminierung“, mahnt der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen.

Klar ist aber auch: Verbesserungen in diesem Bereich kosten Geld – und eignen sich damit wohl nur bedingt als Wahlkampfthema.
(David Lohmann)

 

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