Politik

Würde er auch die Insolvenz von Betrieben in Kauf nehmen? Florian von Brunn: „Im Zweifel geht für mich die Gesundheit der Menschen vor.“ (Foto: BSZ)

07.07.2017

"Transparenz hat mit Alarmismus nichts zu tun"

Der SPD-Verbraucherschützer Florian von Brunn über Ursachen von Lebensmittelskandalen, Defizite im Kontrollsystem und den Vorwurf der Panikmache

Sieber, Bayern-Ei, Ekel-Bäckereien: Florian von Brunn (SPD) hat sich, seit er 2013 in den Landtag einzog, als Verbraucherschützer profiliert, auch mit scharfen Attacken gegen die zuständige Ministerin Ulrike Scharf (CSU). Von Brunn fordert härtere Sanktionen bei Verstößen und die Veröffentlichungspflicht von Kontrollergebnissen. „Nur mehr Transparenz zwingt alle Betriebe, sauber zu arbeiten.“ BSZ: Herr von Brunn, können Sie noch bedenkenlos in eine Breze beißen und Ihr Frühstücksei genießen?
Von Brunn: Ja. Ich habe schon Vertrauen in die bayerischen Lebensmittel und die Lebensmittelkontrolle. Wichtig ist, dass die schwarzen Schafe entdeckt werden und die Verbraucher darüber transparent informiert werden.

BSZ: Der Anteil beanstandeter Lebensmittel liegt im Vergleich zur täglich verkauften Ware nicht einmal im Promillebereich. Betreiben Sie mit Ihrer ständigen Kritik an den Zuständen also doch Panikmache, wie Ihnen die zuständige Ministerin Ulrike Scharf vorwirft?
Von Brunn: Das sehe ich anders. Nehmen wir doch gleich die Breze. Wenn wir da als Opposition nicht so hartnäckig nachgehakt hätten, dann hätten wir bis heute keine Absenkung der Aluminiumbelastung aus den Backblechen. Wenn man sich die Fälle Bayern-Ei und Sieber ansieht, da geht es um bakterielle Belastungen, die für den Verbraucher nicht sichtbar sind und lebensbedrohlich sein können. Im Fall Sieber sind immerhin vier Menschen ursächlich durch die Belastung gestorben, 78 Personen sind erkrankt. Das zu thematisieren und für Aufklärung zu sorgen, ist keine Panikmache.

BSZ: Wo liegen für Sie die Hauptgründe der Lebensmittelskandale in Bayern?
Von Brunn: Man muss zwei Dinge unterscheiden. Zum einen geht es um Keime, die auch auf den Menschen übertragen werden können. Diese stellen eine Gefahr für Leib und Leben dar. Um das aufzudecken, braucht man gutes und ausreichendes Kontrollpersonal sowie schnelles und entschlossenes Handeln. Das andere sind Hygieneskandale, bei denen es um ekelerregende Zustände geht. Egal wie, wir brauchen endlich die Veröffentlichungspflicht für Kontrollergebnisse. Ich bin mir sicher, dass nur durch mehr Transparenz alle Betriebe dazu gezwungen werden, sauber und ordentlich zu arbeiten.

BSZ: Wo liegt für Sie die Grenze zwischen notwendiger Verbraucherinformation und Alarmismus?
Von Brunn: Transparenz hat mit Alarmismus nichts zu tun. Beispiel Dänemark: Dort müssen die Betriebe die letzten vier Kontrollergebnisse veröffentlichen, und je nach deren Ausgang hängt an der Ladentür ein lachender, ein neutral schauender oder ein weinender Smiley. Damit wurde die Beanstandungsquote um 25 bis 30 Prozent gesenkt. Das System wird von den Verbrauchern und mit großer Mehrheit auch von den Firmen akzeptiert. Ähnlich funktioniert es in Frankreich und Großbritannien, auch Nordrhein-Westfalen führt ein Kontrollbarometer ein. Das Interesse der Bevölkerung daran ist groß, die Verbesserungen sind messbar. Die Transparenz erlaubt dem Verbraucher, zwischen schwarzen Schafen und der großen Mehrheit der ordentlich arbeitenden Betriebe zu unterscheiden.

"Es braucht einen unabhängigen Beauftragten für Verbraucherschutz"

BSZ: Blicken wir auf die aktuellen Hygienefälle in Bäckereien. Da geht es um Spinnweben in der Backstube, um ein versehentlich eingebackenes Plastikteil, um leichten Schimmelbefall – das kann in jedem Haushalt passieren. Muss man dafür gleich an den Pranger?
Von Brunn: Sicher lässt es sich in der industriellen Produktion nicht vermeiden, dass mal ein Fremdkörper in ein Produkt gelangt. Aber derart schlechte hygienische Zustände, die auch noch dauerhaft vorhanden sind, kann man den Verbrauchern nicht zumuten. Ich bin schon der Meinung, dass die Verbraucher erfahren sollten, ob Betriebe sauber produzieren.

BSZ: Nach Bayern-Ei hat Ministerin Scharf Konsequenzen gezogen und die Kompetenzen in der Lebensmittelüberwachung neu geordnet. Warum sind Sie damit nicht zufrieden?
Von Brunn: Weil das neue Gesetz wieder keine Veröffentlichungspflicht für Kontrollergebnisse vorsieht. Auch fehlt eine neutrale Instanz. Wir fordern weiterhin den unabhängigen Beauftragten für den Verbraucherschutz, weil alle Lebensmittelskandale in Bayern gezeigt haben, dass die Öffentlichkeit von der Staatsregierung nicht vollständig informiert wird. Außerdem werden die Vorschläge des Obersten Rechnungshofs als Konsequenz aus dem Bayern-Ei-Skandal nur unzureichend umgesetzt. Und nicht zuletzt wünschen wir uns einen einheitlichen Bußgeldkatalog bei Verstößen. Heute werden gleiche Sachverhalte von unterschiedlichen Behörden verschieden beurteilt.

BSZ: Muss bei Verstößen schneller und härter sanktioniert werden?
Von Brunn: Auf alle Fälle müssen die Bußgelder angehoben werden, vor allem bei möglichen Gesundheitsgefährdungen. 200 oder 300 Euro Strafe haben keine abschreckende Wirkung.

BSZ:
Würden Sie auch in Kauf nehmen, dass Betriebe in Insolvenz gehen?
Von Brunn: Für mich gilt das Vorsorgeprinzip. Wenn die Gefahr besteht, dass Menschen erkranken oder gar sterben, dann muss zielstrebig aufgeklärt werden, und es müssen entschlossen Konsequenzen gezogen werden. Im Zweifel geht für mich die Gesundheit der Menschen vor.

BSZ: Wie stehen Sie zum bestehenden System der unternehmerischen Eigenkontrolle?
Von Brunn: Das ist ein problematischer Punkt. Bei Bayern-Ei wurden möglicherweise die Ergebnisse der Eigenkontrolle manipuliert, und im Fall Sieber wurden festgestellte Grenzwertüberschreitungen nicht gemeldet. Ich fürchte, die Eigenkontrollen bringen den Verbraucherschutz nicht wirklich voran. Wir werden in einem Antrag fordern, zumindest die Sanktionen bei Verstößen im Bereich der Eigenkontrollen zu verschärfen.

BSZ:
Der Untersuchungsausschuss Bayern-Ei steht vor der Tür. Welche neuen Erkenntnisse erhoffen Sie sich?
Von Brunn: Wir werden erstmals komplette Akteneinsicht bekommen, wir werden Zeugen vernehmen können, die wir bislang nicht hören konnten, und wir werden versuchen, die Prozessakten beizuziehen. Da erwarte ich mir schon noch neue Erkenntnisse auch über änderungswürdiges Fehlverhalten von Kontrollbehörden.

BSZ: Laut Ministerin Scharf haben die Behörden im Fall Bayern-Ei stets korrekt gehandelt.
Von Brunn: Das habe ich bisher schon nicht geglaubt, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie das anschließend nicht mehr behaupten kann.
(Interview: Jürgen Umlauft)

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