Politik

Schutzmaske mit Ventil: Die Atemluft entweicht nahezu ungefiltert – eine Gefahr für andere. (Foto: dpa)

15.05.2020

Trügerische Sicherheit

Masken mit Ventil können für das Umfeld des Trägers hochgefährlich sein – der Freistaat geht bislang nicht dagegen vor

Christine Meier-Paika ist Hausärztin aus Berufung. Wenn Teile der Bevölkerung ohne Not einer Gefahr ausgesetzt werden, macht das die Gröbenzeller Medizinerin wütend. Doch genau das geschehe derzeit in Bayern. „Ich begrüße die Maskenpflicht im ÖPNV und dem Einzelhandel. Aber durch eine Schwachstelle wird sie zum Teil ad absurdum geführt“, sagt die Medizinerin aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck.

Denn immer wieder sieht Meier-Paika in der S-Bahn oder Geschäften Menschen mit sogenannten FFP-Masken mit Ventil. Das Problem dieser Masken ist das Ventil. „Die ausströmende Luft wird nur beim Ein- und nicht beim Ausatmen gefiltert“, erläutert Meier-Paika. Diese Form der Nasen-Mund-Bedeckung diene also nur dem Schutz der Träger*innen, nicht aber dem des Umfelds. In manchen Bereichen ergibt eine solche Maske durchaus Sinn. „Aber in der S-Bahn oder im Geschäft haben sie nichts zu suchen“, sagt die Ärztin.

Solche Masken machen auf dem Bau Sinn, nicht jedoch im Supermarkt

Auch andere Experten warnen vor dem Tragen von FFP-Masken mit Ventil in der Öffentlichkeit in geschlossenen Räumen. Der Krankenhaushygieniker und leitende Arzt der Nordseeklinik, Dieter Telker, sagt: Diese Masken böten dem Träger zwar einen hohen Eigenschutz. Sei man aber selbst infiziert, erreichten selbst gemachte Stoffmasken beim Schutz der anderen einen höheren Wirkungsgrad – vorausgesetzt, sie werden regelmäßig gewechselt und gereinigt. Was viele Leute unterlassen.

Bei FFP-2- und FFP-3-Masken mit Ventil entweiche die Atemluft nahezu ungefiltert, so der Mediziner. „Sollte der Träger mit dem Coronavirus infiziert sein, kann er ihn auf diesem Wege weitergeben.“ FFP-Masken sind je nach Höhe des Eigenschutzes in drei Stufen unterteilt: FFP-3-Modelle bieten zwar keinen 100-prozentigen Schutz vor Covid-19-Viren, aber den weitestgehenden aller FFP-Masken.

Modelle der drei FFP-Typen mit Ventil seien etwa für Handwerker*innen und Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen entwickelt worden, sagt Telker und fügt hinzu: „Wer im medizinischen Bereich den ganzen Tag eine Maske tragen muss, dem erleichtert das Ventil in der Maske die Atmung, weil der Widerstand nicht so groß ist.“

"Viele wissen das nicht"

Während beim medizinischen Personal davon ausgegangen werden könne, dass die Maskenträger nicht infiziert seien, sei dies bei Privatpersonen keineswegs der Fall. Für Telker sind Masken mit Ventil deshalb im öffentlichen Personennahverkehr oder in Geschäften ungeeignet. Auch Stefan Bushuven, Oberarzt für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Hegau-Bodensee-Klinikum in Singen, betont, bei einer Ventilmaske sei der Schutz der anderen, anders als bei einer FFP-Maske ohne Ventil, passé.

Und auch ein Hersteller warnte zuletzt, nur die eingeatmete Luft werde mit der angegebenen Filterklasse gefiltert. Das Verlassen der Wohnung mit Atemschutzmaske senke „somit das Infektionsrisiko für andere Personen nicht“. Doch „viele Menschen wissen das nicht“, sagt Meier-Paika. Selbst auf der Onlineplattform eines US-Versandriesen werden Masken mit Ventil ohne Hinweis auf die Gefahren für das Umfeld des Maskenträgers angeboten.

Manchen Menschen ist es womöglich ohnehin egal, wenn ihre Sicherheit für andere hochgefährlich sein kann. „Viele junge Menschen etwa kaufen so eine Maske auch deshalb, weil sie cool aussieht“, sagt Meier-Paika. Doch selbst bei einer Fortbildung mit medizinischem Personal habe jemand eine solche Maske getragen. Was die Ärztin, die auch in Pflegeheimen arbeitet, besonders schockiert: In vielen Altenheimen, in denen Besuche seit Kurzem wieder erlaubt sind, könnten Angehörige aufgrund der Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung ebenfalls solche Masken tragen. Dies könne die alten Menschen in Lebensgefahr bringen.

Laut Polizei droht kein Bußgeld

Meier-Paika wandte sich aus Sorge um die Millionen Angehörigen der Corona-Risikogruppen an diverse Bundes- und Landesministerien sowie andere Behörden. Sie warnte vor einer „Katastrophe in den Pflegeheimen“. Der gesamte Lockdown könne so hinfällig werden. Auch wollte die Medizinerin wissen, warum solche Masken in Bayern auch im ÖPNV und Geschäften getragen werden dürften, ohne dass dafür ein Bußgeld fällig wird. Mehrere Stellen wie etwa das bayerische Innenministerium antworteten ihr auf ihre Anfrage nicht, bedauert die Medizinerin. Auch das Bundesgesundheitsministerium ging nicht wirklich auf ihre Besorgnis ein. Stattdessen schrieb man ihr, Hausherr Jens Spahn (CDU) sei „sehr interessiert an Vorschlägen und Anregungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“. Das Polizeipräsidium München teilte ihr in einer der Staatszeitung vorliegenden Mail mit, das Innenministerium habe nicht festgelegt, wie die in ÖPNV und Einzelhandel zu tragende Maske aussehen müsse. „Uns ist daher kein Fall bekannt, wo ein Bußgeld verhängt wurde, weil eine Ventilmaske getragen wurde“, schrieb ein Sprecher.

Doch wie handhabt der Freistaat tatsächlich den Umgang mit FFP-Masken mit Ventil im öffentlichen Raum? Gibt es wirklich kein entsprechendes Verbot samt Bußgeldandrohung? Das bayerische Innenministerium verwies die BSZ an das ebenfalls CSU-geführte bayerische Gesundheitsministerium. Dieses ließ eine Anfrage der BSZ bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Klar ist derweil nur: Normale Mund-Nasen-Masken können nach Ansicht vieler Virologen das Ansteckungsrisiko für das Umfeld der Betreffenden verringern. Allerdings nur, wenn sie ordnungsgemäß gewechselt und gereinigt werden. Und wer tut das schon? FFP-Masken mit Ventil wiederum können die Ansteckungsgefahr sogar vergrößern. (Tobias Lill)

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