Politik

Sönke Siegmann, Vorsitzender der Interessenvertretung queerer Menschen bei CDU und CSU. (Foto: Hermann Pentermann)

29.05.2025

"Über Schwulenhass im Islam muss man reden"

Sönke Siegmann, Vorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), spricht im BSZ-Interview über Integrationsprobleme an Schulen, die AfD und darüber, warum eine konservative Partei seine politische Heimat ist. Nicht nur beim Thema Homophobie unter Muslimen findet er deutlich Worte

Der 47-jährige Marketingfachwirt Sönke Siegmann fungiert seit Ende 2023 als LSU-Bundesvorsitzender. Davor war er unter anderem als Hauptgeschäftsführer der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft tätig. Er lebt mit seinem Partner in Niedersachsen, ist für die CDU im Gemeinderat Hasbergen und im Kreistag Osnabrück aktiv.

BSZ: Herr Siegmann, Sie haben vor einiger Zeit erklärt, der politische Islam bedrohe die gesellschaftliche Vielfalt hierzulande. Solche Aussagen werden nicht gern gehört. Schnell ist von antimuslimischem Rassismus die Rede.
Sönke Siegmann: Das ist absurd. Denn es ist natürlich ein Thema! Ich höre das aus allen großen Städten. Auf dem Land, da wo ich lebe, herrscht vielleicht eher noch heile Welt. Grundsätzlich muss man aber über das Thema Hasskriminalität und Homophobie auch mit Blick auf Muslime sprechen, denn solche Fälle nehmen zu.

 

BSZ: Bereits im Jahr 2023 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz vor Schwulenhass im Islam gewarnt. Trotzdem wird das Problem tabuisiert.
Siegmann: Es muss auf der politischen Agenda stehen. Unser Verband bemüht sich, dieses Thema sichtbar zu machen. Wir müssen gemeinsam darauf achten, dass bereits in Kitas und in Schulen ein Bewusstsein für unsere Themen besteht, auch wenn das vielleicht schwieriger in Schulen mit einem hohen Anteil muslimischer Kinder ist. Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher müssen dafür sensibilisiert und geschult werden und dürfen Angriffe gegen queere Menschen nicht dulden.

 

BSZ: Dieser Tage sorgte ein Fall aus Berlin für Aufsehen. Ein homosexueller Lehrer wurde von muslimischen Kindern gemobbt, die ihm sagten, er sei eine Schande für den Islam.
Siegmann: Der Mann ist aktuell dienstunfähig, so haben die ihm wohl zugesetzt. So etwas geht natürlich überhaupt nicht. Man muss es klar sagen: Wir haben da mit der Integration eine Herausforderung in unserem Land. Hier wurden in den vergangenen Jahren Fehler gemacht. Man muss diese Probleme benennen, sonst kann man sie nicht lösen. Es bringt nichts, wenn wir hier wegschauen und Dinge verschweigen, nur weil sie vielleicht unser Weltbild erschüttern.

"Das Klima ist rauer geworden. Vor allem in der Großstadt."

 

BSZ: Ganz allgemein: Was sind für Ihren Verband derzeit die größten Probleme queerer Menschen in Deutschland?
Siegmann: Die steigende Hassgewalt. Das Klima ist rauer geworden. Vor allem in der Großstadt. Früher war es so, dass ich mir überlegt habe, ob ich mit meinem Partner Hand in Hand durch den Ort gehen kann. Das scheint inzwischen gar kein Thema mehr. Aber wenn wir in der Großstadt sind, wo dann auch viele Nationalitäten zusammenkommen, da überlege ich mir inzwischen, ob ich das überall darf und will. Hier wird sichtbar: Wir haben auch ein Migrations- beziehungsweise ein Integrationsproblem. Da haben wir in den vergangenen Jahren falsch oder gar nicht reagiert. Weil wir dachten, das wird schon. Die „Wir-schaffen-das“-Aussage von Angela Merkel scheint an diesem Punkt jedenfalls oft widerlegt.

 

BSZ: Welche Projekte für queere Menschen sollte die neue Bundesregierung voranbringen?
Siegmann: Wir sind parteiübergreifend im Gespräch mit den Spitzen von Union und SPD. Wir dürfen nicht hinter das Erreichte zurückfallen. Es gibt zwar einen queeren Aktionsplan auf Bundesebene. Aber der fasst nur Projekte und Ideen zusammen. Das müssen wir jetzt weiterentwickeln. Ich habe da aber großes Vertrauen in die zuständige neue Bundesfamilienministerin Karin Prien.

 

BSZ: Die Ampel-Regierung hatte die Rechte queerer Menschen stets auf dem Schirm. Sie beschloss das Selbstbestimmungsgesetz, was der Union weniger gefallen hat. Die Union möchte Teile des Gesetzes sogar rückabwickeln. Sind Sie besorgt?
Siegmann: Nein. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass es eine Evaluierung des Selbstbestimmungsgesetzes geben wird. Das war ohnehin vorgesehen. Wir – die Verbände und die Community – wissen allerdings auch, dass dieses Gesetz nicht überall perfekt ist, es ist nicht optimal formuliert worden.

 

"Die AfD ist für mich ganz klar eine homophobe Partei"

 

BSZ:Was konkret muss verbessert werden in diesem Gesetz?
Siegmann: Ein Beispiel: Der Fall einer Transfrau, die in ein Frauenfitnessstudio wollte, hat für Schlagzeilen gesorgt. Die Betreiberin wollte diese Person nicht aufnehmen, weil sie rein äußerlich männlich war. Das hat den Kundinnen nicht gefallen. Die Studioinhaberin war mit einem Shitstorm in den sozialen Medien konfrontiert und wurde außerdem verklagt. Hier sieht man: Das Selbstbestimmungsgesetz hat für solche Fälle keine Regelung. Bestimmte Punkte muss man also nachschärfen.

 

BSZ: Sie fordern also, dass es auch weiterhin Schutzräume für Frauen geben muss?
Siegmann: Ja, natürlich.

 

BSZ: Grundsätzlich ist die Union nicht gerade die queerfreundlichste Partei Deutschlands. Warum ist sie trotzdem Ihre politische Heimat?
Siegmann: Bei mir lief das über Personen: Ich fand Helmut Kohl toll und Heinz Riesenhuber, den früheren Bundesforschungsminister. Die waren damals meine Motivation, mich kommunalpolitisch bei der CDU zu engagieren. Im Übrigen gibt es ja ganz viele politische Themen, da kann ich nicht eines rausnehmen, um dann zu sagen, deshalb kann ich nicht in diese Partei eintreten. Die Union ist weltanschaulich meine politische Heimat, ich bin bestimmt, etwa ordnungspolitisch, sehr konservativ. Wenn ich das mal mit meiner Religion vergleiche: Die katholische Kirche ist jetzt auch nicht die typische schwulenoffene Religionsgemeinschaft. Trotzdem bin ich Katholik und bleibe es auch.

 

BSZ: Wie beurteilen Sie mit Blick auf die Rechte queerer Menschen die AfD? Die AfD hat eine lesbische Vorsitzende, wird aber oft als homophob kritisiert, wogegen sie sich wehrt.
Siegmann: Die AfD ist für mich ganz klar eine homophobe Partei. Daran ändert auch die lesbische Vorsitzende nichts, die bei jeder Gelegenheit ins Mikrofon sagt, sie sei lesbisch, aber nicht queer. Das ist doch Wortklauberei. Queer ist ein englischer Begriff und bedeutet schlicht „anders“ oder „seltsam“. In Deutschland wurden alle, die eine andere sexuelle Orientierung haben, sprachlich in einer Gruppe zusammengefasst, also auch Homosexuelle. Was ist bitte so schlimm am Wort queer? Die AfD ist daneben politisch immer auf ganz klassische Werte fokussiert: Ehe ist für sie nur Ehe zwischen Mann und Frau. Und sie erkennt auch nur zwei Geschlechter an. Das ist schon eine sehr enge Weltsicht. (Interview: Waltraud Taschner)

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