Politik

Atomausstieg, weniger Flächenverbrauch, Erneuerbare Energie: Dafür hat Hubert Weiger sein Leben lang gestritten. Jetzt wird er 75, aus der Spitze des Umweltverbandes Bund hat er sich zurückgezogen. Sein Einsatz bleibt ungebrochen - und seine Botschaft brandaktuell. (Foto: dpa/Bernd Settnik)

20.04.2022

"Umweltschutz ist Friedensarbeit"

Naturschützer Hubert Weiger wird 75

Er gehört zu den Pionieren der ersten Stunde. Hubert Weiger, Langjähriger Chef und Mitbegründer des Umweltverbandes BUND, hat als erster in Deutschland seinen Zivildienst im Umweltschutz geleistet - ein Pilotprojekt der damaligen Bundesregierung. Er prägte den Begriff Waldsterben mit, hat sich früh gegen Atomkraft gestellt. Am Donnerstag wird Weiger 75 Jahre alt.

Weiger begann Anfang der 1970er Jahre als Zivildienstleistender beim damals kleinen Bund Naturschutz in Bayern, den er später 16 Jahre führte und dessen Ehrenvorsitzender er heute ist. Zwölf Jahre leitete den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den er 1975 mitbegründet hatte. Aus der Verbandsspitze hat er sich zurückgezogen, sein Einsatz für Umwelt- und Naturschutz bleibt ungebrochen.

Es sei auch angesichts des Ukraine-Kriegs notwendiger denn je, die Bürger wieder aktiv am Ausbau Erneuerbarer Energien zu beteiligen, etwa über Energie-Genossenschaften, verlangt Weiger. "Man muss die Bürger ermutigen, ihr privates Geld einzusetzen, um Strom und Energie zu erzeugen, sonst haben wir keine Chance, die Energiewende umzusetzen. Das Bürger-Engagement ist unverzichtbar für die Rettung des Klimas - und für die Unabhängigkeit von Russland und anderen autoritären Staaten", sagt Weiger.

Zehn Jahre verloren

"Wir haben zehn Jahre verloren. Wir bräuchten uns keine Sorgen um Strom und Gas machen, wenn 2012 der Ausbau weitergegangen und nicht politisch und bürokratisch massiv gebremst worden wäre." Doch damals sei dies zur Konkurrenz für die großen Stromkonzerne geworden. Als "unabdingbarer Schritt" müsse nun die politisch festgelegte Deckelung für den Solarstrom- und Windkraftausbau beseitigt werden, sagt Weiger. Zusätzlich müsse der Klimaschutz als Aufgabe kommunaler Daseinsvorsorge gesetzlich verbindlich verankert werden.

Derzeit setzt Weiger sich besonders dafür ein, dass das Grüne Band Deutschland, seinerzeit von ihm mitinitiiert, als internationales Weltnatur- und Weltkulturerbe dauerhaft gesichert wird. Das Band umfasst den Geländestreifen der ehemaligen innerdeutscher Grenze mit seiner hohen Artenvielfalt, laut Weiger zugleich "die schlimmste Grenze, die es jemals gegeben hat" - und damit ein Geschichtsdenkmal.

Zudem müsse das Grüne Band Europa mehr als bisher auch von der EU als - gerade angesichts des Kriegs in der Ukraine - Friedensprojekt anerkannt und unterstützt werden, sagt er. Der 12.000 Kilometer lange Streifen führt zwischen Polarmeer und Schwarzem Meer entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs. "Umweltschutz ist Friedensarbeit, zwischen den Menschen und zwischen den Menschen und der Natur", sagt Weiger. "Wir brauchen den Friedensschluss."

Naturschutz interessierte kaum jemanden

Als Weiger sein Forstwirtschaftsstudium begann, gab es kein Umweltministerium, und Naturschutz interessierte kaum jemanden. Dabei war der Wald schwer geschädigt, Waldgebiete und Wiesen wurden betoniert und asphaltiert. 1981 organisierte Weiger, der zeitweise eine Professur in Kassel hatte und als Dozent an der Uni München arbeitete, gemeinsam mit anderen die erste Pressefahrt in einen kranken Wald - der Begriff Waldsterben wurde geprägt. Das Bewusstsein wuchs. Kraftwerke wurden umgebaut und Emissionen herausgefiltert.

Der Wald ist inzwischen weniger vom sauren Regen als vom Klimawandel und seinen Folgen bedroht. Die Themen sind vielfältiger geworden, komplexer - und kontroverser: Bei der Frage, wie Umweltschutz mit Landschaftsschutz beim Bau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen in Einklang gebracht werden kann, geraten sich auch Naturschützer in die Haare. "Wir brauchen eine qualifizierte Planung, eine Renaissance der Regionalplanung und kommunale Landschaftsplanung." Über Anlagen für Erneuerbare Energien müsse gemeinsam mit Kommunen und Einheimischen entscheiden werden. "Dann können wir die Konflikte minimieren."

Vor Jahren benannte Weiger sein Langzeitziel so: "Meine Vision ist, dass wir 2050 nachhaltig leben, das heißt, dass wir nur noch Produkte haben, die sich in den Kreislauf der Natur zurückführen lassen." Heute sagt er auch mit Blick auf internationale Vereinbarungen: "Ich glaube, wir müssen und werden das früher schaffen." Denn: "Die Kreislaufwirtschaft ist eine Überlebensfrage der Industriegesellschaft."
(Sabine Dobel, dpa)

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