Politik

In Polen wächst die Wirtschaft, in Deutschland schrumpft sie – für Menschen aus Polen ein Rückkehrgrund. (Foto: dpa/Blickwinkel F8)

21.09.2025

Und tschüs! Osteuropäische Fachkräfte verlassen Bayern

Und tschüs! Bayern ist für viele osteuropäische Fachkräfte zunehmend unattraktiv - die Zahl derer, die neu aus Polen, Ungarn oder Tschechien hierher kommen, sinkt massiv. Zugleich verlassen nicht wenige Deutschland

Marek K. (Name geändert) hat lange gern in Oberbayern gewohnt. Die Lebensqualität in Alpennähe sei hier „eine besondere“. Doch mittlerweile überlegt der gebürtige Pole, zurück in seine alte Heimat zu gehen. „Dort ist vieles billiger, zugleich haben sich Wirtschaft und Infrastruktur massiv verbessert“, sagt der Mittvierziger. Ein Haus hat der Finanzberater in Polen schon gekauft. Doch ganz dort hinziehen – noch hat er diesen Schritt nicht gewagt.

Viele andere schon. Rund 95 000 Menschen verließen Deutschland im vergangenen Jahr in Richtung Polen. Da zugleich immer weniger Polen in die Bundesrepublik ziehen, belief sich der sogenannte Wanderungssaldo auf 11 239 Personen. Erstmals seit mehr als 30 Jahren zogen 2024 damit mehr Polen zurück in ihr Heimatland als umgekehrt. Kamen im vergangenen Jahrzehnt teils noch bis zu knapp 200 000 Menschen pro Jahr nach Deutschland, waren es von 2020 bis 2023 nur mehr jeweils gut 100 000. Im vergangenen Jahr sank deren Zahl auf 83 868.

Viele Fleißige gehen

Nils Witte vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung sieht in dem Trend die Folge der prosperierenden Entwicklung des Nachbarlands. Polens Wirtschaft wächst seit Jahren stärker als die deutsche – 2024 immerhin noch um rund 3 Prozent. Die Bundesrepublik kämpft dagegen mit einer Rezession. In Polen fänden die Menschen leichter als früher eine gut bezahlte Stelle – auch die Kaufkraft sei gestiegen, sagt Witte: „Sie können dort etwa leichter ein Eigenheim erwerben als hier.“

Bayern bleibt von dem Trend nicht verschont. Trotz Naturschönheiten und guter Jobs verließen im vergangenen Jahr mehr Menschen den Freistaat in Richtung Polen als umgekehrt – laut Landesamt für Statistik exakt 2251. In den Jahren zuvor waren bis auf das Corona-Jahr 2020 stets mehr Polen in den Freistaat gezogen als umgekehrt.

Die Gründe sind vielschichtig

Der Trend ist nicht nur auf Polen begrenzt. Kamen 2018 noch über 15 000 Rumänen nach Bayern, waren es 2023 nur mehr knapp 3300. Im vergangenen Jahr zogen schließlich 1208 Menschen mehr weg, als in den Freistaat kamen. Ähnlich ist die Entwicklung bei Ungarn, Bulgaren und Slowaken – auch hier überwog zuletzt die Zahl der Rückkehrer.

Für Bayerns Wirtschaft ist das ein Problem. Neben Geringqualifizierten seien unter den osteuropäischen Migrantinnen und Migranten auch viele Gutqualifizierte, betont Witte. Viele Stellen konnten zuletzt nur dank Osteuropäern besetzt werden. Mit Blick auf die Steuer- und Beitragseinnahmen Deutschlands ist der Trend bedenklich: Denn anders als etwa bei Syrern oder Afghanen liegt die Arbeitslosenquote der Osteuropäer hierzulande zumeist im oder nur leicht über dem Bevölkerungsdurchschnitt – bei Ungarn sogar darunter. 

Dass sich das wirtschaftliche Niveau angleiche, sei auch von der EU gewünscht, so Witte. Tatsächlich zahlt Deutschland als größter EU-Nettozahler Milliardensummen an Polen, Ungarn oder Rumänien. Doch auch die Situation hierzulande hat auf die Auswanderungspläne Einfluss. Zu viel Bürokratie, zu hohe Abgaben, zu hohe Mieten sind nur drei Gründe, die Experten anführen. Marek K. beklagt, dass sich Leistung kaum noch lohne und sich die Sicherheitslage aufgrund der Flüchtlingsmigration verschlechtert habe: „In Polen muss ich keine Angst vor einer Messerattacke haben“, behauptet er.

Die Politik ist ob der Abwanderung alarmiert. „Dieser Trend muss uns Sorgen machen. Schließlich müssen über 400 000 Menschen allein pro Jahr nach Deutschland zuwandern, damit unsere Systeme nicht in die Knie gehen“, sagt der integrationspolitische Sprecher der Landtags-SPD, Arif Ta(¸s)delen. Landtagsvizepräsident Alexander Hold (Freie Wähler) bedauert die Abwanderung. Als Hauptgrund sieht er die wirtschaftliche Lage hierzulande: „Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Dauerrezession“, so Hold, „Osteuropa dagegen wächst beständig.“ (Tobias Lill)
 

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