Politik

Die Unionsfraktion im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Volker Kauder nach 13 Jahren im Amt überraschend gestürzt. (Foto: dpa)

25.09.2018

Unions-Fraktion stürzt Merkel-Vertrauten Kauder

Ist das ein Aufstand gegen die Kanzlerin? Die Unions-Fraktion wählt Merkels Vertrauten Volker Kauder überraschend ab und gibt einem Jüngeren den Vorzug. Eine Quittung für die ständigen Regierungskrisen?

Es ist eine kleine Revolution: Die Unionsfraktion im Bundestag hat ihren Vorsitzenden Volker Kauder nach 13 Jahren im Amt überraschend gestürzt und seinen bisherigen Vize Ralph Brinkhaus zum Nachfolger gewählt. Der 50-Jährige gewann am Dienstag in Berlin mit 125 zu 112 Stimmen überraschend die Kampfabstimmung gegen den 69 Jahre alten Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel. Der Erfolg des Abgeordneten aus Gütersloh ist nach zwei dramatischen Regierungskrisen innerhalb weniger Monate ein deutliches Zeichen des schwindenden Rückhalts für Merkel in der Fraktion - und das wenige Wochen vor den wichtigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen.

Merkel, die Kauders Wahl ausdrücklich empfohlen hatte, erklärte in einer ersten Reaktion, sie habe Brinkhaus eine "gute Zusammenarbeit" angeboten. Es sei eine Stunde der Demokratie, und da gebe es auch Niederlagen. "Da gibt es auch nichts zu beschönigen", sagte die Kanzlerin. Merkel dankte Kauder für die Zusammenarbeit in den vergangenen 13 Jahren.

Bei der Abstimmung hatten sich zwei Abgeordnete enthalten. Brinkhaus erhielt damit 52,7 Prozent, Kauder nur 47,3 Prozent. Nicht nur Merkel hatte für die Wiederwahl Kauders geworben. Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprachen sich wiederholt für Kauder aus.

Brinkhaus erhielt 52,7 Prozent der Stimmen, Kauder nur 47,3 Prozent

Brinkhaus zeigte sich erfreut über seine Wahl und würdigte seinen unterlegenen Vorgänger. "Ich freue mich riesig über das Wahlergebnis", sagte Brinkhaus nach der Abstimmung. Jetzt gehe es darum, schnell wieder an die Arbeit zu kommen. "Wir haben anspruchsvolle Projekte vor uns." Brinkhaus betonte, er habe großen Respekt vor der Leistung Kauders, der in der Sitzung anhaltenden Beifall bekommen habe. Dobrindt gratulierte Brinkhaus zur Wahl und sagte, er freue sich auf gute Zusammenarbeit.

Vor der Wahl war damit gerechnet worden, dass Abgeordnete gerade aus der seit langem Merkel-kritischen CSU-Gruppe ein Zeichen gegen die Kanzlerin setzen wollen und deshalb für Brinkhaus stimmen würden. Die Wahl ist geheim - Konsequenzen müssen sie also nicht befürchten.

Brinkhaus hatte seine Kandidatur unter anderem mit dem Wunsch nach einer aktiveren Rolle der Unionsfraktion gegenüber der Regierung begründet. Zudem warb der 50-Jährige für mehr Teamgeist. Wiederholt hatte er betont, seine Kandidatur richte sich nicht gegen Merkel.

Brinkhaus hat sich als Finanz- und Haushaltspolitiker einen Namen gemacht, leise und freundlich im Ton, durchsetzungsstark in der Sache. In die CDU kam er schon zu Schulzeiten über die Junge Union. Er meint, man müsse viel stärker für den Zusammenhalt im Land kämpfen - aber nicht mit immer höheren Sozialleistungen.

Der Koalitionspartner SPD und die Opposition sehen in der Entscheidung der Unions-Fraktion ein klares Votum gegen die Kanzlerin. "Das ist ein Aufstand gegen Merkel", twitterte Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann. "Das ist für Frau Merkel als Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU schon ein mächtiger Schlag ins Kontor", sagte SPD-Vize Ralf Stegner der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist für Frau Merkel sicher auch eine Konsequenz aus den letzten Wochen und Monaten."

Die AfD wertet Kauders Abwahl als Zeichen für ein baldiges Ende der Ära Merkel. "Sie können sich vorstellen, bei uns knallen die Korken", sagte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel. Ihr Co-Vorsitzender Alexander Gauland sprach von einem "Autoritätsverlust" der Kanzlerin.

FDP-Chef Christian Lindner sieht in Brinkhaus' Wahl ein "Signal der Unzufriedenheit und Erneuerung zugleich". Die Fraktion "denkt nun die nächste Wahlperiode voraus", schrieb Lindner bei Twitter.

Der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach wollte dagegen in der Abwahl Kauders keine Niederlage für Merkel erkennen. Es sei das "Zeichen für einen neuen Aufbruch", sagte Michelbach dem Fernsehsender "Welt". "Die Kanzlerin wird sich sehr schnell mit ihm arrangieren." Brinkhaus habe viele Abgeordnete überzeugt, indem er in seiner Rede einen Aufbruch und mehr Teilhabe an der Regierungsarbeit versprochen habe. (dpa)

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