Politik

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) diskutiert in Kulmbach in der ersten von acht Regionalkonferenzen mit Landwirten über das "Volksbegehren Artenvielfalt". (Fotos: Nicolas Armer/dpa)

21.05.2019

"Uns reicht's wirklich"

Das Volksbegehren Artenschutz hatte mehr als 1,7 Millionen Unterstützer. Viele Landwirte im Freistaat haben es von Beginn an abgelehnt und sind auch jetzt noch heftig dagegen. Ihre Kritik sind nun einige von ihnen bei der Ministerin persönlich losgeworden

Mit Trillerpfeifen und in gelben Warnwesten sind sie angereist. Wie die "Gelbwesten", die in Frankreich seit Monaten gegen die Reformpolitik der dortigen Regierung protestieren. Die Menschen, die an diesem Abend teils mit, teils auch ohne Weste ins oberfränkische Kulmbach gekommen sind, sind in Aufruhr. Es sind vor allem Landwirte, die Angst haben vor höheren Kosten, die verunsichert sind, ob sie ihre Obstwiesen so bewirtschaften dürfen wie bisher und wann im Jahr sie ihre Wiesen künftig mähen und walzen dürfen.

Grund für diese und viele andere Sorgen ist das Gesetzespaket zum Natur- und Artenschutz, das die schwarz-orange Koalition nach dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" auf den Weg gebracht hat und das derzeit im Landtag auf der Zielgeraden ist. Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) sitzt am Montagabend in der Stadthalle auf dem Podium und stellt sich den Fragen und der Kritik der Bauern. Es ist die erste von acht sogenannten Regionalkonferenzen in ganz Bayern.

Der Milchbäuerin Karin Reichel aus dem Landkreis Wunsiedel bereitet unter anderem das geplante Walzverbot Kopfzerbrechen. "Das ist alles so schwammig formuliert." Ein anderer Landwirt wird deutlicher: "Uns reicht's - uns reicht's wirklich."

Mehr als 1,7 Millionen Menschen im Freistaat hatten das Volksbegehren unterstützt. Mit dem Gesetzesentwurf soll nun das bayerische Naturschutzgesetz an mehreren Stellen geändert werden. So sollen Biotope besser vernetzt, Gewässerrandstreifen besser geschützt und der Anteil des ökologischen Anbaus deutlich erhöht werden. Ein begleitendes Gesetz soll strittige Dinge klarstellen und zusätzliche Maßnahmen für mehr Umwelt- und Artenschutz auf den Weg bringen.

Werden nur die Landwirte in die Pflicht genommen?

Bei vielen Landwirten war der Ärger über die Forderungen von Beginn an groß - und er ist es noch, wie der Abend in Kulmbach zeigt. Auch der Bayerische Bauernverband ist unzufrieden. "Wir haben das Problem, dass viele Dinge, die am Runden Tisch vorangetrieben wurden, sich jetzt im Gesetzentwurf so nicht finden", sagt Sprecher Markus Peters.

An den Runden Tisch hatten sich nach dem erfolgreichen Volksbegehren Initiatoren, Unterstützer und Kritiker gesetzt, um zentrale offene Streitpunkte zu klären. Am Ende der Beratungen im April gab es von allen Seiten Lob. Von dem Gesetzespaket, das kurz darauf vorgelegt wurde, zeigt sich der Bauernverband nun aber enttäuscht.

Beispiel Walzverbot: Laut dem Volksbegehren dürfen ab 2020 Grünflächen im Freistaat nicht mehr nach dem 15. März gewalzt werden - das ist eine Maßnahme zur Pflege der Wiese. Mit dem Verbot sollen etwa am Boden brütende Tiere geschützt werden. Das Problem: In einigen Regionen können Landwirte ihre Wiesen etwa wegen Schneefalls vor dem 15. März gar nicht walzen. Die Regierungen in den Bezirken können dort eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Der jetzige Gesetzesentwurf sehe aber ein viel komplizierteres Verfahren vor als es in der Runde besprochen worden sei, kritisiert Peters.

Agrarministerin Kaniber will den Bauern Ängste nehmen

Insgesamt seien im Vorschlag der Staatsregierung vor allem Regelungen enthalten, die Landwirte und Grundeigentümer in die Pflicht nehmen. Auch Staat, Kommunen, die übrige Wirtschaft und die Bürger müssten jedoch einen Beitrag leisten, fordert der Bauernverband.

Den Vorwurf weist Agrarministerin Kaniber am Montag vehement von sich. "Wir haben im Begleitgesetz viele Punkte mit hineingenommen, die die gesamte Gesellschaft betreffen." Als Beispiele nennt sie die Forderungen nach weniger Herbizid- und Pestizideinsatz in Privatgärten und mehr grünen Verkehrsflächen.

Sie will den Landwirten die Angst nehmen, betont etwa, dass es ohne Pflanzenschutzmittel nicht gehe, aber weniger davon möglich sei. Auch wiederholt sie, dass niemand zu Veränderungen wie einer Umstellung auf Ökolandbau gezwungen werde. "Freiwilligkeit" ist ihr Schlagwort.

Ob die Bemühungen fruchten? Viele Landwirte blicken den Abend über skeptisch drein, protestieren immer wieder lautstark. Den vielleicht emotionalsten Appell richtet die Kreisbäuerin Beate Opel an die Ministerin: "Ich bitte Sie als Mutter, als Bäuerin, die ihren Betrieb gerne dem Sohn übergeben möchte: Legen Sie bei jeder Entscheidung die Hand auf's Herz und hören Sie es schlagen - für die Landwirtschaft."
(Wera Engelhardt, dpa)

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