Politik

Sessel in einem Gebäude am FAU-Campus (Foto: Daniel Karmann/dpa)

12.06.2019

"Unterirdische Ausstattung"

Streit um Sanierungsstau an der Uni Erlangen: Die Bedingungen, unter denen Studenten ausgebildet werden, sind nach Einschätzung der Hochschule katastrophal. Jetzt schlagen Uni und Opposition Alarm

Hässliche Regennasen an der Betonfassade, ein verwilderter Lichthof und zahllose defekte Klappstühle in den Hörsälen - der Sanierungsstau an der Uni Erlangen-Nürnberg offenbart sich wohl nirgendwo deutlicher als am FAU-Campus an der Regensburger Straße in Nürnberg. Seit Jahrzehnten werden hier Lehrer ausgebildet. Inzwischen ist der graue Betonklotz im Südosten Nürnbergs in die Jahre gekommen. Und nicht nur der: eine ganze Reihe von Uni-Gebäuden ist nach Einschätzung von Studenten dringend sanierungsbedürftig.

Neben Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) und Uni-Präsident Joachim Hornegger hat jetzt auch die bayerische Landtags-SPD Alarm geschlagen. Der Grund: Trotz Versprechen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), für die dringendsten Sanierungsmaßnahmen an Uni-Gebäuden 1,5 Milliarden Euro bereitzustellen, sei im Doppelhaushalt der Staatsregierung für die Jahre 2019/20 praktisch kein Geld eingeplant, klagt die Erlanger SPD-Landtagsabgeordnete Alexandra Hiersemann. In einen Dringlichkeitsantrag fordern die Sozialdemokraten eine rasche Nachbesserung.

Und während Politiker noch über die Größe von Sanierungsbedarf und Sanierungsstau streiten, reagieren Studenten nur noch mit Sarkasmus auf die Zustände. Auf die Frage, wie sie die bauliche Situation an dem Uni-Gebäude finde, richtet sich der Blick einer 23 Jahre alten Studentin vielsagend an die Decke des Lehrer-Ausbildungszentrums. "Schauen sie nur die braunen Feuchtigkeitsflecken da oben. Ist das am Ende Schimmel? Da fühlt man sich nicht gut", schildert die angehende Grundschullehrerin ihr Befinden bei der Kaffeepause im Erdgeschoß-Foyer.

Aus den Wänden baumelnde Kabel. Marode Toiletten und Hörsäle mit defekten Klappstühlen bringen ein Studententrio auf die Palme. "Die technische Ausstattung ist hier unterirdisch. Das ist Deutschlands nicht würdig", findet der 26 Jahre alte Philipp Gabel. "Jeder Student kommt heutzutage mit Laptop in die Vorlesung. Es gibt aber nur drei Steckdosen. Die Uni ist hier 30 Jahre hinterher", klagt der angehende Mittelschullehrer für Sozialkunde, Deutsch und Geschichte.

Uni-Präsident pocht auf die von Söder gemachten Zusagen

Eine halbe Autostunde entfernt, im Gebäude der Werkstoffwissenschaften auf dem Erlanger Südcampus, plagt die Studenten eine ganz andere Sorge: Bei Messungen wurden in dem rund 50 Jahren alten Gebäude überhöhte Werte des giftigen Bauschadstoffs PCB festgestellt. Nach Uni-Erkenntnissen steckt er in der Dichtungsmasse der Fenster. Einer schwangeren Doktorandin, so berichten Studenten der Fakultät, sei deshalb vor einiger Zeit der Umzug in ein unbelastetes Nachbargebäude geraten worden. Studenten und Mitarbeiter wurden angewiesen, die Räume wegen PCB-Belastung regelmäßig für eine halbe Stunde zu lüften.

SPD-Politikerin Hiersemann hält deshalb eine Generalsanierung des Gebäudes für dringend notwendig. Um zu verhindern, dass ein Teil des Lehrbetriebs bald eingestellt werden muss, müsse die Staatsregierung auch für ein knappes Dutzend weiterer Sanierungen rasch Geld locker machen: für den Umbau des Siemens-Verwaltungsgebäudes "Himbeerpalast", die Generalsanierung des Kollegienhauses mit seinen Vorlesungs- und Seminarräumen und die Sanierung und Neubauten für die Chemie. Auch der Altbau der Nürnberger WiSo-Fakultät sei laut Hiersemann sanierungsbedürftig.

Auf die von Söder gemachten Zusagen pocht auch Uni-Präsident Hornegger: "Wir vertrauen selbstverständlich darauf, dass die bereits gemachten Zusagen in den kommenden Jahren Schritt für Schritt konsequent und zuverlässig umgesetzt werden." Denn für die Uni sei es "elementar, unseren Wissenschaftlern sowie unseren Studierenden ein attraktives und motivierendes Lehr- und Forschungsumfeld zu bieten", sagt der Uni-Präsident. Im Doppelhaushalt seien zwar die dringend erforderlichen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen erwähnt, aber "die nötigen Genehmigungen und Mittelzuweisungen stehen bislang zum Teil noch aus."

Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) bemüht sich derweil, die Wogen zu glätten. Man habe die "infrastrukturellen Herausforderungen sehr wohl im Blick", sagt er. In den Gebäuden werde man auch in Zukunft "ohne Gesundheitsgefährdung studieren und arbeiten können". Ansonsten liefen bereits Verhandlungen über den Kauf des Siemens-"Himbeerpalastes", in dem technische und naturwissenschaftliche Fakultäten unterkommen sollen. Die Sanierung der Werkstoffwissenschaften hält er trotz der PCB-Belastung dagegen erst "mittelfristig" für notwendig. Ein Teil des Hauptbaus der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät werde dagegen bereits saniert.
(Klaus Tscharnke, dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.