Politik

Horst Seehofer: Wie lange ist er noch CSU-Chef und Bundesinnenminister? (Foto: dpa)

22.10.2018

"Vater aller Probleme"

Keine Frage mehr des Ob, sondern nur noch des Wann und Wie: So oder so ähnlich äußern sich CSU-Politiker über einen möglichen Abgang von Parteichef Seehofer. Der übt sich in kämpferischen Andeutungen

Es ist eine Rücktrittsandeutung in lockerer Plauderrunde. Horst Seehofer sitzt beim "Sonntags-Stammtisch" im Bayerischen Fernsehen, und auf die Frage hat er natürlich nur gewartet. "So", sagt er und legt los. Dass er sich das nicht gefallen lassen will. Dass er sich von seiner Partei nicht zum alleinigen Sündenbock für die Landtagswahlpleite machen lassen will, nicht schon wieder, wie nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr. "Noch einmal mache ich den Watschnbaum für meine Partei nicht - eher stelle ich mein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung", sagt der 69-Jährige. Später ergänzt er, klarer könne man sich ja wohl nicht ausdrücken.

Klar aber ist damit für die CSU noch nichts: Schmeißt Seehofer diesmal wirklich hin und tritt zurück? Und falls ja, dann nur als Parteichef? Oder auch als Bundesinnenminister? Dazu sagt er ja an diesem Sonntag nichts, spricht nur vom Amt des Parteichefs. Zu gut erinnern sich alle noch an jene denkwürdige Nacht im Sommer, als Seehofer seinen Rücktritt von beiden Ämtern ankündigte - und am Ende doch nicht ging. Oder versucht er mit der Andeutung, die wie eine Drohung klingen soll, sich nicht zum Getriebenen machen zu lassen? Will er versuchen, jedenfalls ums Bundesinnenministerium zu kämpfen?

Fakt ist: Seit dem Absturz auf nur noch 37,2 Prozent und dem Verlust der absoluten Mehrheit im Landtag ist die CSU in heller Aufruhr. Zwar versucht der alte und auch neue Ministerpräsident Markus Söder noch, zu bremsen. Für ihn haben die laufenden Koalitionsverhandlungen mit den Freien Wählern und seine Wiederwahl im Landtag Priorität. Das ist seit Tagen auch die offizielle Linie der gesamten Parteispitze.

Seehofer ist längst der Getriebene

Doch Fakt ist auch, dass Seehofer längst der Getriebene ist. In Vorstandssitzungen von Kreis- und Bezirksverbänden bricht sich der Zorn über den 69-Jährigen Bahn. Wahlkämpfer schimpfen, Seehofer habe die Landtagswahl verhagelt, mit seinem Asyl-Kurs, seinen Streitereien mit der Kanzlerin, seinem Rücktritt vom Rücktritt, dem Fall Maaßen. "Vater aller Probleme" ist fast schon zum geflügelten Wort geworden. Unisono, so berichten Vorstandsmitglieder von überall, sei die klare Forderung, die klare Erwartung, dass es einen Sonderparteitag mit Neuwahlen geben, dass Seehofer zurücktreten müsse. Die Schwaben-CSU fordert explizit eine Entscheidung über die künftige "Aufstellung", andere halten sich nur wegen der laufenden Regierungsbildung zurück.

Und nicht nur das: Sogar ein Großteil der CSU-Bundestagsabgeordneten hat sich bereits von Seehofer abgewandt. Das sei in einer denkwürdigen Sitzung am Dienstag überdeutlich geworden, berichten Teilnehmer. Seehofer müsse gehen. "Es geht längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wann und Wie", berichtet ein Landesgruppen-Mitglied. Hinzu kommt: Auch der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hat inzwischen Konsequenzen gefordert, "inhaltlich, strategisch und personell".

"Im Vulkan brodelt die Lava ganz gewaltig", fasst ein Mitglied des CSU-Vorstands die Debatte in seiner Partei zusammen. "Die Frage ist nur noch, wann er explodiert." Jemand anders aus der Parteispitze sagt: "Sobald Söder im Landtag vereidigt ist und das "so wahr mir Gott helfe" gesprochen hat, wird es kein Halten mehr geben."

Seehofer ist bis Ende 2019 gewählt

Doch so einfach ist die Sache nicht. Seehofer ist bis Ende 2019 gewählt, und formal-juristisch gibt es offenbar keine Möglichkeit, ihn abzuwählen. Doch die Partei hofft, dass es nicht zum Äußersten kommt, dass Seehofer vorher ein Einsehen hat. Die große Hoffnung ist, dass der 69-Jährige nach Söders Wahl im Landtag seinen Rücktritt erklärt. "Ich hoffe es - für ihn", meint ein CSU-Vorstandsmitglied.

Doch einfach so gibt Seehofer nicht auf, das macht er auch am Sonntag im Bayerischen Fernsehen deutlich. "Das ist halt ein einfaches Geschäft: Wenn man auf einen anderen zeigen kann, muss man sich nicht mit sich selbst beschäftigen", schimpft er. Doch weder bei der Bundestagswahl noch bei der Landtagswahl sei er zur Wahl gestanden. Er sei in keiner einzigen Wahlsendung gewesen, auf keinem Wahlplakat.

Und natürlich sind auch mehrere Seitenhiebe auf Söder dabei. Wenn Seehofer darauf verweist, dass er weder den Wahlkampf gemanagt noch strategisch bestimmt habe. Wenn er konstatiert, die CSU schaffe es ja nicht einmal, einen "kleinen dritten Nationalpark" zu beschließen - dieses von ihm angestoßene Projekt hatte Söder wieder einkassiert.

Dass Söder kein Symathieträger ist, dafür kann Seehofer auch nichts

Und natürlich betont Seehofer - und das zurecht -, dass im Asylstreit mit der Kanzlerin lange alle einer Meinung gewesen seien: Partei, Landtagsfraktion, Staatsregierung, Landesgruppe. Das war tatsächlich ja auch einer von Söders großen Fehlern im Wahlkampf: dass er diesen Streit mit auf die Spitze trieb - nicht bis zum Ende, aber fast. Und dafür, dass Söder sich in einem halben Jahr im Amt nicht plötzlich zum großen Sympathieträger entwickelt hat, kann Seehofer auch nichts.

Doch Söders Wiederwahl im Landtag ist so gut wie sicher. Und nicht nur das. Sollte Seehofer den Weg tatsächlich frei machen, hätte Söder wohl beste Chancen, auch neuer Parteivorsitzender zu werden - wenn er denn will. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gilt als chancenlos. Und so dürfte sich diese Frage zwischen zwei Männern entscheiden: Söder und dem EVP-Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber, der bekanntlich gerne neuer EU-Kommissionspräsident werden will.

Söder hat in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass für ihn das Ministerpräsidenten-Amt Priorität habe. Ob sich daran etwas ändert, wenn es nach der Hessen-Wahl zu bundespolitischen Eruptionen kommen und die CSU im Bund vor ganz neuen Problemen stehen sollte?

Nach Schilderungen aus verschiedenen CSU-Bezirken wäre eine Mehrheit derzeit eher für Söder - beide Spitzenämter gehörten wieder in eine Hand. Andere Gruppen in der Partei argumentieren aber auch, mit Weber als Parteichef könne man nicht nur bei der Europawahl im kommenden Jahr wieder Boden gutmachen, sondern eine Doppelspitze Söder-Weber könne auch die CSU in ihrer größtmöglichen Breite abdecken. So sagt es etwa die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Die klare Erwartung in der CSU ist jedenfalls, dass sich Söder und Weber, wenn Seehofer tatsächlich geht, absprechen. Doch noch ist es nicht soweit.
(Christoph Trost, dpa)

Rücktritt auf gut Bairisch: Watschnbaum oder Watschnmann?
Eine indirekte Rücktrittsankündigung auf gut Bairisch - so haben viele die Wortwahl von CSU-Chef Horst Seehofer im BR-Fernsehen verstanden. Dabei stilisierte sich der Parteivorsitzende zum "Watschnbaum". Der fällt in Bayern bekanntlich um, wenn es jemand zu bunt treibt und es eine saftige Ohrfeige, eben eine "Watschn", setzt. "Noch mal mache ich einen Watschnbaum nicht", sagte Seehofer am Sonntag. Er meinte damit, dass er sich nicht allein für die Wahlschlappe der CSU vor einer Woche verantwortlich machen lasse. "Eher stelle ich mein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung - ich glaube, klarer kann man sich nicht ausdrücken."

Doch die Gleichsetzung Seehofers mit dem "Watschnbaum" ist ein schiefes Bild. Der Begriff wird eigentlich anders verwendet. Der Ohrfeigenbaum steht sinnbildlich für die drohende Gefahr einer körperlichen Strafe, die bevorsteht. Buben, die daheim zu frech wurden, mussten mit einer kräftigen "Watschn" rechnen. "Glei fallt der Watschnbaum um", sagte der Vater, um seinen Sohn zur Räson zu bringen.

Wahrscheinlich meinte Seehofer, dass er nicht der "Watschnmann" der CSU sein wolle. Ludwig Zehetner, Autor des Buches "Bairisches Deutsch - Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern" erinnert im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur am Montag daran, dass es auf dem Wiener Vergnügungspark, dem Prater, einst eine Budenfigur namens "Watschnmann" gab. Ihr konnte man eine schallende Ohrfeige verpassen. Die Puppe stieß dazu einen Laut aus, der dem Geräusch einer "Watschn" recht nahe kam. Eine Skala zeigte die Wucht des Schlages an.

Vielleicht meinte der zuletzt viel gescholtene CSU-Chef aber auch, dass er kein "Watschngesicht" habe. Ein solches Antlitz reizt das Gegenüber nach der Definition des einstigen Regensburger Gymnasiallehrers Zehetner geradezu, es zu ohrfeigen.
(dpa)

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