Politik

Am 1. Oktober wurde das Wiesngelände gesperrt. Die Warnmeldung dazu verwirrte die Bevölkerung. (Foto: dpa/Chromorange/Michael Bihlmayer)

13.10.2025

Verwirrende Warnhinweise

Gefahrenmeldungen per Handy sollen die Bevölkerung informieren – in München klappte das zuletzt nicht gut

Den 1. Oktober wird man in München nicht so schnell vergessen: Ein 57-Jähriger tötete seinen Vater, sprengte sein Elternhaus in die Luft und verletzte seine Mutter sowie seine Tochter. Danach setzte er seinem Leben ein Ende. Es blieb aber nicht bei einem Familiendrama: Der Mann hatte in einem Abschiedsbrief auch einen Sprengstoffanschlag auf das Oktoberfest angedeutet. Für die Stadt München Anlass, das Oktoberfest zu sperren, um das Gelände nach Sprengstoff zu durchsuchen. Um 11.04 Uhr ertönte auf Zigtausenden Handys in der Stadt ein Warnsignal in Verbindung mit einer Gefahrenmeldung für ganz München.

Allerdings erst rund eineinhalb Stunden, nachdem Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Sperrung angekündigt hatte. Was ebenfalls viele Menschen in München irritierte: Worum es ging, erfuhr man in der Nachricht nicht. Gewarnt wurde vor „extremer Gefahr“ in München. Die Empfehlung lautete: „Informieren Sie sich in bekannten Warnmedien.“ Nur wer das tat oder einem in der Meldung mitgeschickten Link folgte, erfuhr den Grund – und dass tatsächlich nur das Oktoberfestgelände gemieden werden sollte.

Diese Unklarheit in der Warnmeldung kritisierte auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Bevölkerung brauche schon ein paar mehr Informationen: „Vor was wird sie denn jetzt eigentlich konkret gewarnt?“, erklärte er in einem Interview mit BR24.

Cell Broadcast nennt sich das System, das in Deutschland 2023 flächendeckend eingeführt wurde. Damit können hoheitliche Stellen in festgelegten Funkzellen Nachrichten auf Handys verschicken, die sich gerade dort befinden. Im Katastrophenfall, bei Terrorwarnungen oder sonstiger Gefahr können die Behörden so schnell viele Menschen erreichen.

Man wüsste gern, wovor eigentlich gewarnt wird

Und zwar genau dort, wo die Gefahr besteht. Länder wie die USA, Japan, Griechenland oder die Niederlande nutzen dieses System schon seit Jahren. Die Einführung in Deutschland folgte nach der chaotischen Warnung der Bevölkerung bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021.

Anders als bei Warn-Apps wie Nina oder Katwarn muss nichts heruntergeladen werden. Die Warnungen lassen sich auch nicht ausschalten. Sie werden direkt – anonym – an das Betriebssystem der Handys geschickt. Die Nachricht wird dabei immer von einem ohrenbetäubenden sirenenartigen Ton begleitet.

Laut dem zuständigen Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe werden die Warnungen in der Regel fünfmal im Abstand von zwei Minuten ausgesandt. Die Alarmierungsdauer beträgt bei der höchsten Warnstufe 1 fünf Minuten, bei niedrigeren Stufen zehn Sekunden. Alle Menschen lassen sich zwar auch nicht durch Cell Broadcast erreichen. Voraussetzung ist ein Gerät mit Betriebssystem-Update für Android ab Version 11 oder iOS ab Version 16.1. Alle neueren Geräte sind damit aber ausgestattet. Verschickt werden die Nachrichten über das 4G- und das 5G-Netz. Mehr als 97 Prozent Deutschlands sind damit abgedeckt.

Wo und wie gewarnt wird, entscheidet nicht das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – es sei denn, es geht um eine bundesweite Warnung. Bei landesweiten Nachrichten sind die jeweiligen Innenministerien zuständig. In der Regel entscheiden aber die Sicherheits- und Katastrophenschutzbehörden vor Ort. Sie bestimmen den Radius, in dem gewarnt wird, die Warnstufe und über welche Kanäle die Nachricht gesendet wird. Laut bayerischem Innenministerium verschickten die jeweiligen integrierten Leitstellen der Kommunen im Freistaat bislang über Cell Broadcast am meisten Warnungen wegen Bränden oder austretenden Gasen.

Für die Warnung wegen der Bombendrohung in München war die Gefahrenabwehrleitung, die zentrale integrierte Leitstelle (ILS) der Branddirektion der Landeshauptstadt, zuständig. Und so gut die Zusammenarbeit der Stellen beim Einsatz selbst lief: Bei der Warnung gibt es einige Luft nach oben. Die Nachricht ging über das sogenannte Modulare Warnsystem des Bundes hinaus, mit dem die Warnungen automatisiert über verschiedene Kanäle verschickt werden. Ein Standardvorgang. Dabei kamen aber unterschiedlich dringliche Warnungen heraus: In den Apps gab es etwa niedrigere Warnstufen, zudem war dort das Gebiet stärker eingegrenzt. Offenbar ein Schnittstellenproblem zwischen den unterschiedlichen Programmen.

Dass in der Handywarnung kein Grund genannt wurde, liegt auch an der Begrenzung des Formats: Maximal 500 Zeichen sind dabei möglich. Man habe den Text bewusst recht allgemein gehalten, dafür aber auf die Kanäle der Sicherheitsbehörden verwiesen, erklärt die Pressestelle der Branddirektion auf Anfrage. Warum die Warnung so spät kam, begründet die Branddirektion mit zwei wenig stichhaltigen Argumenten: Man habe erst auf sichere Erkenntnisse der Polizei gewartet. Dabei hatte die Stadt zu diesem Zeitpunkt schon längst ein Statement auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Als zweiten Grund verweist die Branddirektion darauf, dass man die Nachricht auf die offizielle Eröffnung der Wiesn an dem Tag abgestimmt habe. Die allerdings hätte eigentlich schon um 10 Uhr eröffnen sollen. 

Bleibt zu hoffen, dass die richtigen Lehren aus dem 1. Oktober gezogen werden und bei der nächsten Warnung weniger Verwirrung herrscht. Die beteiligten Behörden versichern jedenfalls, die Abläufe zu überprüfen. (Thorsten Stark)

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