Politik

Bundeswehrsoldat beim Gelöbnis. Die Zukunft der Truppe wird derzeit neu verhandelt. (Foto: dpa/Photothek, Kira Graap)

21.11.2025

Musterung ab 2027: Mit einem Trick könnten sich junge Männer vor der Musterung drücken

Vor der Musterung könnten Heranwachsende kurzerhand das Geschlecht wechseln. Auch in anderen Punkten wie beim Doppelpass wirft das neues Wehrdienst-Modell Fragen auf

Im Zuge der geplanten Musterung aller 18-jährigen Männer ab 2027 sind gravierende Fragen ungeklärt: Was geschieht im Fall von Männern, die kurz vor der Musterung den Geschlechtseintrag wechseln? Und gibt es Sicherheitsbedenken bei manchen Doppelstaatlern?

Klar ist: Nicht gemustert werden Frauen sowie nicht binäre Personen, wenn sie in den Meldeämtern als „divers“ registriert sind. 2022 waren knapp 1000 Menschen offiziell in dieser Rubrik geführt. Seit der Reform des Selbstbestimmungsgesetzes 2024 wuchs diese Zahl deutlich – allein bis Ende vergangenen Jahres auf über 3000. Schätzungen zufolge ist jeder 500. Deutsche nicht binär.

Komplizierter wird es im Fall von Transpersonen. Deren Anteil schätzt der Bundesverband Trans hierzulande auf mindestens ein Prozent, also über 800.000 Personen. Männliche Transpersonen müssen wie auch andere Männer, die ab 2008 geboren wurden, zur Musterung. Maßgeblich ist laut Verteidigungsministerium der bei Meldebehörden hinterlegte Geschlechtseintrag. Jedoch: Diese Regelung kann missbraucht werden. Ein junger Mann könnte sein Geschlecht vor der Musterung oder bereits vor dem Erhalt des für Männer obligatorisch auszufüllenden Fragebogens ohne großen Aufwand wechseln, um nicht als diensttauglich erfasst zu werden. Und es dann später wieder zurück in „männlich“ ändern.

Weniger Stigmatisierung

Der Bundesverband Trans weist das als „unrealistisch“ zurück. Es sei schließlich gesellschaftlich mit viel weniger Stigmatisierung verbunden, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, als eine Änderung des Geschlechtseintrags vorzunehmen.

Doch völlig abwegig ist es keineswegs, wie der Fall einer Kommissarin aus Düsseldorf zeigt. Ihr wird vorgeworfen, eine Geschlechtsänderung nur für einen Karrieresprung genutzt zu haben. Vor diesem Hintergrund fragte die BSZ das Verteidigungsministerium, ob es Fristen geben soll: Wie lange also der Geschlechtswechsel zurückliegen muss, damit eine nun weibliche Transperson nicht gemustert wird?

Antwort: Unklar. Das Ministerium verweist darauf, dass sich der Gesetzentwurf noch „im parlamentarischen Verfahren“ befinde. „Die detaillierten Planungen in Bezug auf die Zeitlinien bei Änderung des Geschlechtseintrags sind noch nicht abgeschlossen.“ Aufgrund der Freiwilligkeit, den Dienst bei der Bundeswehr anzutreten, geht das Ministerium nicht davon aus, „dass junge Menschen die Möglichkeit der Änderung des Geschlechtseintrags nutzen, um sich der Musterung zu entziehen“. Schon kursieren Ideen, wie man die Musterung vermeiden kann. Die Linke hat „Tipps und Tricks“ hierzu angekündigt.

Regierungslager gibt sich zugeknöpft

Im Regierungslager gibt man sich indes zugeknöpft: Die verteidigungspolitischen Sprecher der Unions- und der SPD-Bundestagsfraktion ließen BSZ-Anfragen zu möglichem Missbrauch unbeantwortet.

Im Fall von Doppelstaatlern ist die Sache klar: Sie werden gemustert. Voraussetzung ist laut Verteidigungsministerium, „dass sich der Wohnsitz und der überwiegende Aufenthalt in Deutschland befindet“. Probleme im Fall eines späteren Wehrdienstes sieht man nicht. Im Gegenteil: Es entspreche „dem erklärten Ziel, den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Bundeswehr zu erhöhen“. Laut Bundesamt für Statistik haben 56.693 der im Jahr 2008 hierzulande geborenen Männer noch eine oder mehrere weitere Staatsangehörigkeiten – ein Sechstel aller Männer dieser Altersgruppe. Tendenz steigend, denn seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 2024 dürfen Menschen bei der Einbürgerung ihren alten Pass grundsätzlich behalten.

Fachleute haben wiederholt vor Loyalitätsproblemen gewarnt. Tatsächlich liegt Russland auf Platz vier der wichtigsten Zweitstaaten. Dort herrscht Krieg, und deutsche Sicherheitsbehörden sehen seit Längerem Sicherheitsprobleme durch russische Drohnen und anderes. Das Verteidigungsministerium sieht aber kein Problem und erklärt lapidar: Alle Soldaten seien der „Loyalität zur Bundesrepublik Deutschland“ verpflichtet.
(Tobias Lill, Waltraud Taschner)

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