Politik

Die Telefone der staatlichen Hotline bei Impfschäden stehen seit dem Start nicht mehr still. (Symbolfoto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert)

14.04.2023

Viele verzweifeln an Post-Vac

In Bayern gibt es jetzt eine Hotline für Impfschäden – in der ersten Woche haben bereits 1450 Leute angerufen

Bislang sind die Zahlen anerkannter Impfschäden durch die Corona-Vakzine gering: Bayernweit sind es aktuell gerade einmal um die 80 Fälle. Doch die Zahl der Menschen, die sich durch die Corona-Impfung langfristig beeinträchtigt fühlen, steigt. Bislang mussten sie selbst ihren Weg finden – oft ohne Erfolg. Deshalb hat Bayern Anfang April eine Hotline zum Post-Vac-Syndrom auf den Weg gebracht. Menschen, die vermuten, durch eine der Impfungen gegen Sars-CoV-2 längerfristige Schäden davongetragen zu haben, können Orientierung im Behördendschungel bekommen. 

Die Hotline, angesiedelt beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, war von Anfang an gut ausgelastet: 1450 Anrufer gab es zwischen dem 3. und 11. April. Momentan beschäftigt die Hotline acht Mitarbeiter: eine Medizinerin sowie Medizin- und Psychologiestudierende, ergänzt durch Mitarbeitende der Task-Force-Infektiologie des LGL. Die Hotline hat zusätzlich eine ärztliche Leitung, wie Tim Sünderhauf von der Pressestelle des LGL informiert. Das Team dort berät nun jene Menschen, die sich in ihrem Leiden von der Politik und dem Gesundheitssystem alleingelassen fühlen. 

Auch Anrufe aus anderen Bundesländern ohne vergleichbare Angebote gehen bei der Hotline in Erlangen ein, berichtet ein Mitarbeiter, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Auch ihnen hilft man. Das Vorgehen sei in ganz Deutschland gleich, nur die Namen der Behörden seien teils unterschiedlich. 

Die Hotline verstehe sich als Wegbegleiter, sagt Sünderhauf. Es gibt zwar keine individuelle Betreuung, aber man kann in dem Gespräch die richtigen Anlaufstellen finden: die passenden Fachärzt*innen, das Versorgungsamt oder eine Selbsthilfegruppe. Die Unterstützung der Hotline beschränkt sich allerdings auf die Dauer des Telefonats; es werden keine Akten angelegt. 

Viele sind schon froh, wenn sie mal drüber reden können

Post-Vac ist medizinisch ein schwieriger, da schwammiger Begriff. Das bestätigt auch Bernd Salzberger, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Regensburg. Die Patient*innen, die sich dem Post-Vac-Syndrom zurechnen, leiden an unspezifischen Beschwerden: Erschöpfung, Kopfschmerzen, Herzprobleme. All das könne auch von anderen Krankheitsbildern stammen. Um herauszufinden, ob es sich um Post-Vac handelt, müsse man wissen, ob ein Symptom häufiger bei Geimpften als bei Ungeimpften auftritt, erklärt Salzberger. Dazu kommt die zeitliche Komponente: Die meisten Impfungen liegen mittlerweile Monate, wenn nicht schon Jahre zurück. Das macht die eindeutige Zuordnung oft nahezu unmöglich.

Ebenso wenig gibt es laut Salzberger spezifische Behandlungsmöglichkeiten. In seiner Arbeit dominiert außerdem Post- beziehungsweise Long-Covid; für einen Schwerpunkt auf Impfschäden gebe es kaum Kapazitäten. „Es ist schade, dass wir kein Impfregister gemacht haben“, konstatiert er im Rückblick. Damit hätte man die Daten besser einordnen können. 

Viele Fälle laufen über Anwälte. Einer davon ist Christoph Hamann, Rechtsanwalt in der Kanzlei Steinbock und Partner in Würzburg. Er war schon mehrfach mit mutmaßlichen Post-Vac-Fällen befasst. Hamann erklärt, dass es mehrere Anlaufstellen für Betroffene gibt: Zuerst solle man beim Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) einen Online-Antrag stellen und damit eine Prüfung auf Versorgungsleistungen durch den Staat anstoßen. Wird dieser Antrag – wie so häufig – abgelehnt, sollen sich Betroffene innerhalb eines Monats anwaltliche Hilfe suchen.

Überdies ist es wichtig, möglichst viele Belege für die Schädigungen zu sammeln. Anwalt Hamann weist auch auf die Verjährungsfrist hin: Nach drei Jahren können keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden. Er beklagt den langwierigen Weg über die Behörden und deren „oft abwehrende Haltung“. Verantwortlich seien im Fall der Corona-Impfungen meist entweder die Arzneimittelhersteller oder der Staat. Letzterer springt besonders bei Impfungen in den Impfzentren in die Bresche. Wer dort geimpft wurde, muss nicht den verabreichenden Arzt oder die Ärztin herausfinden. Der Freistaat übernimmt hier die Haftung, sagt Hamann. Aber nur bei einem anerkannten Schaden.

Wer sich immer noch unsicher fühlt, an wen er sich wenden kann, hat mit der Hotline nun wenigstens einen zentralen Wegweiser. Für etliche Menschen scheint die Hotline schon allein deswegen Erleichterung zu bringen, weil sie sich dort „den Frust von der Seele reden können“, berichtet der Hotline-Mitarbeiter. „Die Hotline ist für die Anruferinnen und Anrufer eine wichtige Anlaufstelle, die ihnen das Gefühl gibt, dass ihnen endlich jemand zuhört, ohne über sie zu urteilen“, sagt er. Gleichzeitig warnt er davor, unseriösen Angeboten aufzusitzen: Es gebe viele Stellen, die versuchten, mit dem Leid der Leute Geld zu machen, dabei aber keine sinnvolle Therapie anbieten könnten. 

Die Hotline ist Montag bis Freitag von 9 bis 13 Uhr und zusätzlich donnerstags von 14 bis 18 Uhr unter 09131/68 08 78 78 zu erreichen. (Bianca Haslbeck)

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