Politik

Virtual-Reality-Brillen können den Alltag erleichtern. Bayerns Digitalministerium will den Bereich der Extended Reality jetzt stärker fördern. (Foto: Getty Images/Westend61)

14.06.2019

Virtuell in die Zukunft

Wie Bayern auf das Thema Extended Reality reagieren will

Künstliche Welten erobern Bayern. Ein Oberstdorfer Unternehmen bietet Bauherren zum Beispiel an, mithilfe einer Virtual-Reality-Brille schon vor der Grundsteinlegung durch das neue Haus zu laufen und die Inneneinrichtung zu planen. Auch die Industrie nutzt zunehmend die Technologie: Durch Augmented-Reality-Brillen können beispielsweise während der Wartung von Maschinen die relevanten Teile grafisch auf dem Display hervorgehoben werden. Und durch Mixed-Reality-Brillen sitzen Konferenzteilnehmer als holografisches Abbild gemeinsam in einem Meetingraum – obwohl sie sich real auf verschiedenen Kontinenten befinden.

Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) will Extended Reality (XR), so der Überbegriff der drei Technologien, wegen der vielen Vorteile jetzt stärker fördern. „Die Zukunft der Wirtschaft ist virtuell“, ist sie überzeugt. Das sagen laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom auch zwei Drittel der Unternehmen – aber nur 32 Prozent gehen das Thema aktiv an. Vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlt das Know-how. Daher investiert die Staatsregierung 1,5 Millionen Euro pro Jahr in Fördermittel und drei sogenannte XR Hubs. Der erste soll im September in München an den Start gehen, zwei weitere ab März 2020 in Franken. Mindestens noch ein regionaler Hub werde folgen, kündigte Gerlach an. Darin sollen aus den Forschungsergebnissen von Hochschulen konkrete Anwendungen werden, die anschließend Unternehmen und Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Gut, dass die Staatsregierung das Zukunftsthema endlich aufgreift. XR gibt es zwar schon seit 20 Jahren, aber erst jetzt wird die Hardware für den Massenmarkt erschwinglich. So entsteht nicht nur enormes Potenzial für die Wirtschaft, sondern für nahezu alle Lebensbereiche. Im Bereich der Verwaltung trainiert die bayerische Polizei zum Beispiel an „virtuellen Tatorten“, am Münchner Klinikum können Ärzte Patienten in Echtzeit virtuell unter die Haut schauen. Bayerische Schüler lernen durch die Brillen den Lebensalltag von Kindern aus Tansania kennen, das Allgäu wirbt mit 360-Grad-Videos um Touristen, und Museen lassen durch die Technologie zerstörte historische Gebäude wieder auferstehen.

Ob die XR-Hubs ein Erfolg werden, ist derzeit schwer abschätzbar

Wenn Digitalministerin Gerlach XR „made in Bavaria“ jetzt national und international zu einer Marke aufbauen will, wie sie sagt, muss sie sich allerdings beeilen. Grundsätzlich ist Bayern zwar laut einer XR-Studie gut aufgestellt. „Konkrete Anwendungen stecken in Bayern aber oft noch in den Kinderschuhen“, heißt es vonseiten der bayerischen IHKs. Und andere Bundesländer schlafen nicht: Baden-Württemberg investiert derzeit eine ähnliche Summe wie der Freistaat in XR. Nordrhein-Westfalen hat seit 2015 sogar schon 16 XR-Projekte mit insgesamt zwölf Millionen Euro aus EU- und Landesmitteln gefördert. Auch die Bundesregierung und die EU-Kommission haben das Potenzial von XR schon vor Jahren erkannt und entsprechend gefördert. Vorreiter in diesem Bereich sind natürlich wieder die USA.

Ob die XR Hubs ein Erfolg werden? Schwer zu sagen. Wie die genaue Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und den Hubs aussehen soll, wissen aktuell noch nicht mal die Beteiligten. Die Wirtschaft pocht darauf, gezielt auf die Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen, der Wissenschaft ist vor allem an einer langfristigen Finanzierung gelegen. Die Opposition im Landtag zweifelt am Sinn der Hubs. „Die Förderung sollte in bestehende Strukturen wie das Zentrum für Digitalisierung integriert werden, statt weitere Parallelstrukturen aufzubauen“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Benjamin Adjei. Annette Karl (SPD) fordert, das Geld nicht in „reine Showrooms“, sondern lieber in Stiftungsprofessuren an Hochschulen zu investieren.

Wer überhaupt nicht von den Hubs profitiert, sind die Kreativen. Dabei haben bayerische XR-Filmemacher schon vor fünf Jahren Innovationszentren gefordert. Zwar unterstützt die Staatsregierung zum Beispiel das Bayerische Filmzentrum. Es mussten aber auch schon XR-Veranstaltungen für Kreative abgesagt werden, weil es keine Fördergelder mehr gab.

Außerdem vermissen XR-Künstler Anerkennung. Die XR-Pionierin Evelyn Hriberšek aus München hat für ihre Kunst zwischen Realität und Virtualität viele nationale und internationale Preise gewonnen – ihre Förderanträge wurden in Bayern aber immer abgelehnt. „Zu innovativ“, hieß es häufig. Sie hofft auf ein schnelles Umdenken in der Politik. Viele Künstlerkollegen, sagt sie, hätten Bayern schon den Rücken gekehrt. (David Lohmann)

(Bild: Kunstinstallation EURYDIKE von Evelyn Hriberšek - Kunst, die analoge und virtuelle Welten verbindet. Copyright: Hriberšek)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.