Politik

Der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) hatte letzte Woche einen Bus mit 31 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin auf die Reise geschickt. (Foto: dpa)

22.01.2016

Vom Flüchtling zum Fehlbeleger

Anerkannte Asylbewerber müssen aus Sammelunterkünften ausziehen – das gelingt im Freistaat unterschiedlich erfolgreich

Hilferuf oder PR-Aktion? Letzte Woche setzte der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) 31 Flüchtlinge in einen Bus nach Berlin, um vor dem Kanzleramt gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel (CDU) zu demonstrieren. Die Flüchtlinge waren so genannte Fehlbeleger, also vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannte Asylbewerber, die aus ihrer Unterkunft ausziehen müssten. Doch laut Dreier stehen in seinem Landkreis keine freien Wohnungen mehr zur Verfügung.

Nach Angaben des Sozialministeriums gibt es in Bayern insgesamt rund 7100 auszugsberechtigte Flüchtlinge. Für Sozialministerin Emilia Müller (CSU) hat die Aktion von Landrat Dreier das Problem vieler Landräte aufgezeigt: „Es kommen zu viele Flüchtlinge nach Deutschland“, sagt sie der Staatszeitung. Der Präsident des bayerischen Landkreistags und Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU) nennt Dreiers Verhalten „nur konsequent“ und fordert eine zweite Verteilschiene für anerkannte Flüchtlinge inklusive einer Residenzpflicht – also eine behördliche Vorgabe, wo Flüchtlinge wohnen dürfen. Für eine Wohnsitzauflage spricht sich auch SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel aus. Denn damit, so die Annahme, könne die Überlastung einzelner Landkreise verhindert werden.

Doch nicht alle Landkreise sind überfordert: „Im Moment kommen wir noch zurecht“, erklärt zum Beispiel der Sprecher des Nürnberger Landrats Armin Kroder (Freie Wähler). Im Landkreis liege die Fehlbelegerquote nur bei 35 Personen, das entspräche 1,5 Prozent. Im Landkreis Lindau sind so gut wie alle Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht worden. Und auch im unterfränkischen Landkreis Miltenberg ist Wohnraum „durchaus vorhanden“ – es fehle den Kommunen aber an Planungssicherheit, weil viele anerkannte Flüchtlinge in Ballungsräume ziehen wollten.

Anpacken statt andere Schuldige

Für den Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) wird durch Dreiers Aktion nur eine „negative Stimmung“ angeheizt. Seine Devise: Anpacken statt andere Schuldige suchen. In den Gemeinden seines Landkreises werden Fehlbeleger in neuen Wohnungen untergebracht, die später anderen Bedürftigen zur Verfügung stünden. „Die Landräte, die am lautesten jammern, tun dies auch, um von der eigenen Unfähigkeit oder dem Unwillen abzulenken, die Sache richtig in die Hand zu nehmen“, glaubt auch Stephan Dünnwald vom bayerischen Flüchtlingsrat. In den Landkreisen, in denen Behörden, Wohlfahrtsverbände und Unterstützerinitiativen gut zusammenarbeiteten, laufe es gut.

In den bayerischen Städten und Kommunen ist die Situation sehr unterschiedlich: Im kleinen Markt Berolzheim beispielsweise wurden alle 22 Flüchtlinge in privaten Wohnungen untergebracht, in Passau konnte die Zahl der Fehlbeleger in den letzten Wochen von 26 auf 16 reduziert werden, und in Bad Kissingen sind nicht einmal „Probleme auf dem Wohnungsmarkt erkennbar“. In der Stadt Landshut hingegen sind 100 von 700 Asylbewerbern auf Wohnungssuche, in Straubing immerhin 80. Bürgermeister Markus Pannermayr (CSU) wünscht sich daher wie viele seiner Kollegen vom Staat mehr Anreize für den sozialen Wohnungsbau.

Das Sozialministerium will jetzt zusammen mit Wohlfahrtsverbänden auszugsberechtigte Asylbewerber durch das Modellprojekt Fit for Move mit „wertvollen Informationen“ unterstützen und sie bei Wohnungsbesichtigungen begleiten. Eine andere Idee kommt von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU): Fehlbeleger sollen in leerstehende Häuser bayerischer Dörfer ziehen. So könnte man Wohnraum schaffen und gleichzeitig Ortskerne wiederbeleben. (David Lohmann)

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